50 Jahre Earth Day – ein Appell

Heute vor genau 50 Jahren fand zum allerersten Mal der Earth Day statt. In diesem Jahr widmet er sich dem Thema „Climate Action“ und nimmt damit Bezug auf eine der größten Herausforderungen des gesamten Anthropozäns: die Klimakrise.

2020 markiert ein wichtiges Wendejahr in der (globalen) Klimapolitik: Es ist das entscheidende Jahr für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels, das Jahr, in dem die Vertragsstaaten des Pariser Klimaabkommens ihre Maßnahmenpläne auf der COP26 in Glasgow hätten vorlegen müssen. Doch letzteres wurde nun auf 2021 verschoben – welche Spätfolgen dies für die Klimakrise haben wird, ist noch ungewiss. Gewiss ist nur so viel: Die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels steht auf dem Spiel und damit auch unsere Zukunft. Die Klimakrise ist unumkehrbar, die Schäden, die sie hinterlassen wird, sind irreversibel. Aber noch lassen sie sich eindämmen – vorausgesetzt das wir noch in diesem Jahr handeln.

Es ist falsch, die eine Krise gegen die andere aufzuwiegen, und trotzdem tun wir es: wir widmen (beinahe) unsere gesamte Aufmerksamkeit der einen Krise und verlieren dabei die andere Krise aus den Augen. Der CDU-Wirtschaftsrat nimmt die Coronakrise zum Anlass, um eine Herabsetzung der Klimaziele zu fordern. Zeitgleich macht sich die Politik Gedanken darüber, eine Abwrackprämie einzuführen um der Automobilbranche nach der Coronakrise zu helfen. Die Automobilbranche selbst plädiert dafür, dass CO2-Grenzwerte auf EU-Ebene nicht weiter erhöht werden. Wir befinden uns mitten in einer akuten Krisensituation, erleben gerade am eigenen Körper, was es bedeutet, einer Bedrohung ausgesetzt zu sein, die wir nur schwer bis gar nicht kontrollieren können.

Zeitgleich erleben wir, wie Entscheidungsträger*innen und Politiker*innen die Klimakrise immer noch nicht ernst nehmen und die von ihr ausgehende Bedrohung für die Menschheit maßlos unterschätzen – oder vielleicht auch einfach nicht sehen wollen.

Sollten wir nicht eigentlich gerade feststellen, was für ein Privileg es ist, eine Krise verhindern oder verringern zu können? Wir haben in den letzten Tagen und Wochen gesehen, wie Gesundheitssysteme an ihre Grenzen stoßen, wie Ärzt*innen abwägen mussten, welche Menschenleben sie retten und welche nicht. Wir haben alle die Bilder im Kopf, von Menschen, die auf Klappliegen im Parkhaus des Krankenhauses lagen, weil die Zahl der Patient*innen die Kapazitäten überstiegen. Es sind Bilder von Militärkonvois, die Leichen in benachbarte Provinzen transportieren, Bilder von Massengräbern und von Familienangehörigen, die einen geliebten Menschen verloren haben und sich nicht einmal mehr verabschieden konnten.

Die Kontrolle über eine Krise zu verlieren, ist mit verheerenden Folgen verbunden. Ab diesem Zeitpunkt wird die Krise zum Selbstläufer und wir können nur noch hilflos zusehen, wie sich die Situation weiter zuspitzt. Ziel von Krisenprävention ist es, genau das zu verhindern. Halten wir die 1,5-Grad-Grenze nicht ein, steigt das Risiko, dass Kipppunkte überschritten werden, enorm. Wenn das passiert, wird die globale Erwärmung zum Selbstläufer: Das Überschreiten eines Kipppunktes führt zur Überschreitung weiterer Kipppunkte – Ein Dominostein fällt selten allein um.

Wir dürfen vor lauter Krise nicht die Krise aus den Augen verlieren. Wir müssen alle Krisen ernst nehmen und bekämpfen. Jetzt ist die Zeit, unser bisheriges Handeln kritisch zu reflektieren und daraus zu lernen. Nicht dieselben Fehler zu machen, die uns in diese Krise hinein manövriert haben. Jetzt ist die Zeit, um zu erkennen, dass sich das Zeitalter der fossilen Energiegewinnung dem Ende zuneigt. Jetzt ist die Zeit, um zu verinnerlichen, dass Naturgesetze nicht verhandelbar sind. Jetzt ist die Zeit, um die Geschichte neu zu schreiben. Was hält uns auf?

Nichts mehr verpassen? – Infostream abonnieren!