Klima im Koalitionsvertrag? Fehlanzeige!

Der Koalitionsvertrag ist da und damit der Fahrplan für die nächsten vier Jahre bundesdeutsche Politik. Klimapolitisch sieht er gar nicht gut aus. Was zum Klima im Koalitionsvertrag steht und was das für die nächsten vier Jahre bedeutet, erfährst Du hier in der Detailanalyse.

Auf acht Seiten lang handelt die zukünftige Bundesregierung Klimaschutz im über 140 Seiten langen Koalitionsvertrag ab. Diese Abhandlung beginnt mit der eindrücklichen Zusage: “Wir stehen zu den deutschen und europäischen Klimazielen, wohlwissend, dass die Erderwärmung ein globales Problem ist und die Weltgemeinschaft es gemeinsam lösen muss.” Immer wieder beteuern die CDU- und SPD-Verhandler*innen im Folgenden: An den Klimazielen wird nicht gerüttelt. Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Aber ein genauerer Blick in den Koalitionsvertrag zeigt, von konsequenten Maßnahmen wird dieses Lippenbekenntnis nicht untermauert. 

Energiewende? Voll aufs Gas!

Was die Energiewende angeht, setzt die neue Koalition vor allem auf Gas. Viel Gas. “Langfristige, diversifizierte, günstige Gaslieferverträge mit internationalen Anbietern” sollen geschlossen und “Potenziale konventioneller Gasförderung im Inland” genutzt werden. Im Klartext heißt das: Gasausbau statt -ausstieg. Existerende Gasinfrastruktur soll ausgebaut und neue Gasinfrastruktur gebaut werden – und zwar schnellstmöglich und “technologieoffen”. Bis zu 30 Gigawatt an Gaskraftwerksleistung sollen neu gebaut werden – das ist so viel Energie, dass ganz Frankfurt am Main mit Strom versorgt werden könnte. “Potenziale konventioneller Gasförderung im Inland” will die neue Bundesregierung auch noch fördern. Konkret geht es dabei zum Beispiel um Gasförderung in Reichling am Ammersee, wo ein neues Erdgasfeld erschlossen werden soll – auf Kosten des lokalen Wasserschutzes und gegen den Willen der Bevölkerung. Zusammenfassung: Mehr fossiles Gas – sowohl aus Deutschland, als auch aus anderen Staaten weltweit. Die fossile Abhängigkeit Deutschlands wird also weiter intensiviert, statt endlich beendet. Energiewende sieht anders aus.

Neben den Gasplänen finden sich vor allem schöne Worte und wenig konkrete Maßnahmen. Die Energiewende soll “transparent, planbar und pragmatisch zum Erfolg” werden – was immer das heißen mag. Wirtschaft und Verbraucher sollen stärker in den Ausbau von Erneuerbaren eingebunden werden. Und grundsätzlich sollen – wenig verwunderlich – alle Potentiale der Erneuerbaren genutzt werden, also Sonnen- und Windenergie, Bioenergie, Geothermie, Wasserkraft. Dazu gibt es einige gute Ansätze, aber nichts, was ausreichen würde, die große Transformation des Energiemarkts antreiben. Stattdessen soll – obwohl die Mittel zur Umsetzung schon lange bekannt sind – noch stärker auf Forschung gesetzt werden. Und: Um die Energiewende möglich zu machen, will die neue Koalition wieder auf Kernkraft setzen. Der erste Kernfusionsreaktor soll in Deutschland stehen. Teuer, ineffizient, unsicher und rückwärtsgewandt – so scheinen sich die Politiker*innen von CDU und SPD die Energiewende vorzustellen.

Wasserstoff ist ein wichtiger Bestandteil der Klimastrategie der Bundesregierung: “Ziel ist langfristig die Umstellung auf klimaneutralen Wasserstoff.” Klingt erstmal gut, hat aber seine Tücken. Noch ist zum Beispiel unklar, ob und wann sogenannter grüner Wasserstoff – also Wasserstoff, der aus erneuerbaren Quellen erzeugt wurde – in angemessenem Umfang und wirtschaftlich rentabel produziert werden kann. Bis dahin muss auf Wasserstoff, der mit fossilen Energien erzeugt wurde, zurückgegriffen werden. Ist das der Weg weg von den Fossilen? Eher nicht…

Weiter aufgeweicht wird die Energiewende dann auch bei der Kohleverstromung. Hieß es da von der letzten Koalition noch, der Kohleausstieg soll idealerweise bundesweit auf 2030 vorgezogen werden, ist von diesem ambitionierten Plan jetzt keine Rede mehr – obwohl zum Beispiel in der rheinländischen Kohleregion der Ausstieg bis 2030 fest geplant wird. Die ambitionierten Ziele wurden einfach klamm und heimlich unter den Tisch fallen lassen. Bis 2038 werden wir also auf jeden Fall noch auf den Kohleausstieg warten und das wahrscheinlich nicht nur, wie bisher befürchtet, in der Lausitz. Bleibt nur zu hoffen, dass die fossilen Dreckschleudern schon vorher unwirtschaftlich werden und es sich einfach gar nicht mehr lohnt, sie zu betreiben.

Emissionen? Lass mal die anderen machen!

Um ihre Klimaziele trotzdem irgendwie einzuhalten, will sich die Bundesregierung in Zukunft auch Emissionsreduktionen “in begrenztem Umfang durch hochqualifizierte und glaubwürdige CO2-Minderungen in außereuropäischen Partnerländern” selbst anrechnen. Heißt also: Auch Emissionssenkungen in anderen Ländern können jetzt auf die deutschen Klimaziele angerechnet werden. Mit dieser Milchmädchenrechnung windet sich die neue Koalition einmal mehr darum, in Deutschland konsequenten Klimaschutz zu ermöglichen. Und: Sie widerspricht dem internationalen Klimarecht. Eigentlich müssen die Klimaziele vollständig innerhalb der eigenen Grenzen erbracht werden. Na toll, Verantwortung übernehmen sieht anders aus!

Emissionen sollen in Zukunft, wenn es nach der neuen Koalition geht, mit sogenannten CCS- und CCU-Methoden gespeichert werden – also mittels CO2-Speicherung zum Beispiel in der Erde. Noch ist die Forschung allerdings lange nicht so weit, solche Technologien marktfähig zu gestalten.

Und sonst so? Ziemlich viel Planlosigkeit. 

Für den Verkehrssektor – der eines der größten Sorgenkinder des deutschen Klimaschutzes ist – finden sich fast keine Maßnahmen. Immerhin bleibt das Deutschlandticket, wird aber spätestens ab 2029 teurer. Und das, obwohl es schon jetzt zu teuer ist und das Einsparpotential durch ein gut genutztes Deutschlandticket enorm wäre. Stattdessen wird weiter Geld in die Fossilen gesteckt. So soll der Flugverkehr wieder billiger werden: “luftverkehrsspezifischen Steuern, Gebühren und Abgaben” sollen reduziert werden und die vor einiger Zeit erhöhte Luftverkehrssteuer wieder gesenkt werden. Und auch was das Auto angeht, ist der Koalitionsvertrag deutlich: “Wir bekennen uns klar zum  Automobilstandort Deutschland und seinen Arbeitsplätzen.” Heißt: Auch in Zukunft soll das Auto das Fortbewegungsmittel der Wahl sein. Mehr E-Autos findet die neue Regierung zwar an sich gut und will sie auch fördern, gesetzlich eine feste E-Quote vorschreiben will sie aber nicht. Und auch die Pendlerpauschale will die Regierung erhöhen – eine eigentlich fossile Subvention, die Vielfahrer*innen unterstützt. Die dringend nötige Verkehrswende wird so wohl kaum eingeleitet werden.

Das Heizungsgesetz – Robert Habecks “Heizhammer”, wir erinnern uns… – will die neue Regierung wieder abschaffen. Stattdessen soll das Gebäude-Energie-Gesetz “technologieoffener, flexibler und einfacher” werden und die erreichbare CO2-Vermeidung zur zentralen Steuerungsgröße machen. Ob das was wird, werden wir sehen.

Von einem Klimageld oder anderen sozialen Ausgleichsmaßnahmen ist im Koalitionsvertrag nichts zu lesen. Geht es nach der neuen Regierung sollen Verbraucher*innen nur durch die gesenkte Stromsteuer und durch Förderungen für Investitionen in Klimaschutz gefördert werden. Sozial-gerechte Klimapolitik sieht anders aus.

Und dann will die Bundesregierung auch noch das Verbandsklagerecht einschränken. Das Verbandsklagerecht ermöglicht es zum Beispiel Naturschutzorganisationen, bei Umweltschutzverletzungen zu klagen. Verbänden soll es also künftig erschwert werden, Klagen gegen klimaschädliche Vorhaben einzulegen. Das könnte zu einem gefährlichen Ein­griff in demokratische Mit­wirkungsrechte werden.

Fazit

Mitten im heißesten Jahresanfang der Geschichte präsentieren Union und SPD einen Koalitionsvertrag, der nichts anderes als Öl ins Feuer der Klimakrise ist. Während im April Wälder im Rheinland brennen, Schiffe im Bodensee auf dem Trockenen liegen, Dürre die deutsche Wirtschaft bedroht und Versicherer warnen, dass unser Wirtschaftssystem durch die Klimakrise zusammenbricht, wirkt der Koalitionsvertrag, als wäre er für einen anderen Planeten oder zumindest in einem anderen Jahrzehnt geschrieben worden. 

Die neue Koalition will mit nebulösen Klimaschutzprojekten im Ausland Emissionen einsparen und macht damit die Klimaziele durch die Hintertür völlig wertlos. Statt an den Rekordausbau der Erneuerbaren Energien anzuschließen, öffnet Schwarz-Rot Tür und Tor für mehr dreckiges fossiles Gas. Gas-Förderung im Inland, neue Importe von Fracking-Gas aus Trump-USA, Unmengen an Gaskraftwerken, mehr Gasprojekte die das Klima weiter zerstören werden. Der Koalitionsvertrag ist Ausdruck einer Koalition, die weder die Klimakrise noch die Energiewende verstanden hat. Dieser Vertrag ist komplett verlogen: Die Realitätsverweigerung von Union und SPD heizt die Klimakrise an, gefährdet Menschen und treibt Deutschland in die Arme von fossilen Autokraten. Diese Koalition legt eindrucksvoll dar, dass sie die Klimakrise weder verstehen, geschweige denn bekämpfen will. Wir werden weiter gegen diese zukunftszerstörerische Politik auf die Straße gehen und machen klar, dass wir diese Klimazerstörung nicht hinnehmen! 

Weiterlesen:

Nichts mehr verpassen? – Infostream abonnieren!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Beachte, dass dein Kommentar nicht sofort erscheint, da wir die Kommentare moderieren, um eine konstruktive Diskussion zu ermöglichen. Formuliere deinen Kommentar am besten freundlich und achte darauf, dass er zum Thema des Beitrags passt.