Mythos Gas: Raus aus dem Märchenland! 

Vor fünf Jahren war sich die gesamte Klimabewegung einig: Wir müssen raus aus der Kohle! In Hambach wurden Bäume besetzt, in Lützerath jahrelang protestiert, und deutschlandweit hörte man bei Demos “Hoch mit dem Klimaschutz, runter mit der Kohle”. Der Gegner war klar: gigantische Kohlegruben, schwelende Kraftwerke, und ein fossiler Brennstoff, von dem alle wussten: Er ist schmutzig, veraltet und gefährlich. Trotz allen Rückschlägen: Der Kampf gegen die Kohle endete 2020 mit dem Beschluss für einen bundesweiten Ausstieg spätestens 2038. Die Klimabewegung hatte gewonnen. 

Heute, im Jahr 2025, steht ein neuer Gegner vor uns: Gas. Doch diesmal ist etwas anders: Während der Kampf gegen die Kohle klar und sichtbar war, ist die Herausforderung Gas trügerischer. Jahrzehntelang als vermeintlich „saubere Brückentechnologie“ gefeiert, halten sich Mythen und Halbwahrheiten hartnäckig. Gerade diese Erzählung droht unter der neuen schwarz-roten Regierung nahezu alle Bemühungen um Klimaschutz in Deutschland auf Jahrzehnte zunichte zu machen. Hinter der Fassade von Zuverlässigkeit und Sauberkeit verbirgt sich ein fossiler Energieträger, der nicht nur klimaschädlich ist, sondern fossile Abhängigkeit weiter vertieft.

Ist Gas überhaupt sauber? 

Jahrelang wurde Gas als vermeintlich ideales Übergangsmodell vermarktet: Günstig, zuverlässig verfügbar und die “sauberste” unter allen fossilen Energiequellen. Im Vergleich zur dreckigen Kohle kommt das farb- und geruchlose Gas harmlos daher. 

Doch das Versprechen vom Wundermittel Gas ist grob falsch. Mit immer neuen Studien wird klar: Mit Förderung, Transport und Verbrennung ist Gas mindestens genauso klimaschädlich wie Kohle. Tritt irgendwo im Prozess Methan aus, ist Gas sogar klimaschädlicher als Kohle. Bohrungen verschmutzen das Grundwasser, bedrohen die Gesundheit von Anwohner*innen und lösen in Extremfällen – wie in der Nähe von Oldenburg in Niedersachsen – sogar lokale Erdbeben aus. Gas mag keine gewaltigen Narben wie Kohlegruben hinterlassen, doch es ist nicht minder gefährlich. Es ist dreckig und eindeutig klimaschädlich. 

Bohren vom Nationalpark bis ins Wasserschutzgebiet

Aber: Der Aufschrei bleibt bisher aus. Unter dem Deckmantel der angeblichen “sauberen Alternative“ werden in Deutschland aktuell massive Rückschritte für Umwelt-, Natur- und Klimaschutz in Kauf genommen. An der Nord- und Ostsee entstehen  riesige Flüssiggas-Terminals. Vor dem Urlaubsparadies Borkum, fast im Nationalpark Wattenmeer, steht schon eine riesige Bohrplattform. In Reichling in Bayern bohrt man in direkter Nachbarschaft zu einem Wasserschutzgebiet. Zwischen Lech und Ammersee soll ein knapp 100 Quadratkilometer großes Gasfeld mit bis zu 10 Bohrtürmen erschlossen werden. 

Regierung Merz: Ein neuer Gasrausch

Die neue Regierung unter Kanzler Merz will diesen Weg nicht nur fortsetzen – sie will ihn ausbauen. Im Koalitionsvertrag schreiben Union und SPD: “Wir wollen die Potenziale konventioneller Gasförderung im Inland nutzen”. Das heißt: Der massive Ausbau gefährlicher Bohrprojekte hierzulande wird unter einem Kanzler Merz nicht gestoppt. Er wird bewusst vorangetrieben. 

Wie groß die Gefahr ist, zeigt sich in weiteren Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag: Je nach Schätzungen sollen zwischen 30 und 50 neue Gaskraftwerke in ganz Deutschland entstehen. Statt Haushalten den Ausstieg aus Öl und Gas zu erleichtern, will die Regierung Merz das international gelobte Heizungsgesetz wieder abschaffen. Sogar die Wiederinbetriebnahme der Pipeline NordStream bis in Putins Russland wurde zuletzt wieder in Betracht gezogen. Gas wird zur zentralen Säule der Merz’schen Energiepolitik. 

Währenddessen steht im Koalitionsvertrag: “Die Klimaziele bleiben davon unberührt.” Die Risiken des massiven Gasausbaus werden nicht nur verschwiegen – sie werden systematisch geleugnet. Angesichts der katastrophalen Auswirkungen der Förderung und Nutzung von Gas ist das fatal. Die Koalition aus Union und SPD ist dem Märchen vom sauberen Gas aufgesessen und steuert blindlings in einen regelrechten Gasrausch.

Gas ist keine Brücke, sondern eine Sackgasse

Die Klimabewegung steht an einem Wendepunkt. Der Kampf gegen Kohle war konkret und sichtbar. Der Kampf gegen Gas ist komplexer: Es geht nicht nur um Infrastruktur, sondern um die tief verwurzelte Erzählung einer angeblichen Brückentechnologie. Seit Jahrzehnten tun fossile Konzerne alles dafür, dass Gas akzeptabel bleibt. Das ist ihr Kalkül: Sie machen Gewinn mit Gas, solange sie können. Einen freiwilligen Ausstieg wird es mit ihnen nicht geben. Politische Fehler wie die Einstufung von Gas als „nachhaltig“ in der EU-Taxonomie 2022 haben ihnen dafür den Weg geebnet. Die Folge: Der Mythos vom “sauberen Gas” hält sich nicht nur in der Bundesregierung, sondern auch in Teilen der Klima- und Umweltbewegung. Dabei ist eigentlich klar: Jede Plattform, die wir heute bauen, jeder Bohrturm und jedes Abkommen mit Lieferstaaten bindet uns nicht für einen kurzen “Übergang”, sondern auf Jahrzehnte weiter an eine teure und gefährliche Energiequelle. 

Der Weg in eine nachhaltigere Zukunft muss jetzt beginnen. Denn: Von heute auf morgen werden wir Gas nicht los, allen Umwelt- und Klimaschäden zum Trotz. Aktuell heizt etwa die Hälfte aller Haushalte im Land mit Gas. Mit knapp 21% Anteil ist Gas der zweitgrößte Energielieferant. Genau das macht das Nicht-Wahrhaben-Wollen der schwarz-roten Koalition so fatal: Die Abhängigkeit von Gas zu beenden ist eine zentrale klima- und energiepolitische Aufgabe für das nächste Jahrzehnt. Gas gilt als ‘Brückentechnologie’ – doch wer eine Brücke baut, ohne je ans andere Ufer zu gelangen, hat nur eine Sackgasse erschaffen. 

Was jetzt zu tun ist 

Der Erneuerbaren-Austausch geht 2025 schneller als je zuvor. Nicht nur in Deutschland wurde erst letztes Jahr mit fast 60 Prozent Strom aus Erneuerbaren ein Rekord gebrochen: Auch weltweit boomt der Ausbau. Gerade die Erfolge bei der Stromversorgung zeigen: Ein Wandel ist möglich – mit Rückgrat, mit Entschlossenheit und mit klarer Führung durch die Politik. Statt eines neuen Gas-Booms braucht es einen gesetzlich festgelegten Ausstiegspfad und eine klare Unterstützung für Haushalte bei der Umrüstung auf moderne Alternativen. 

Vor allem braucht es dafür aber eine geschlossene Klimabewegung, die erkennt: Hier steht der deutsche Klimaschutz auf dem Spiel. Uns muss klar sein: Gas bedroht unser Allgemeinwohl, unsere Gesundheit, unsere Wirtschaft und unsere Sicherheit. Und noch viel wichtiger ist: Der Ausstieg aus Gas bietet auch große Chancen. Wer gegen Gas kämpft, kämpft für Unabhängigkeit, Bezahlbarkeit und für unsere Zukunft. Nachhaltige Alternativen, von der Wärmepumpe bis zur Solarthermie, stehen bereit. Die Erfolgsstory Kohle zeigt: Wir müssen den Wandel nur laut genug einfordern. 

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1 Gedanke zu “Mythos Gas: Raus aus dem Märchenland! 

  1. Wir müssen den Lobbyverein „Zukunft“Gas an den Pranger stellen und ihre Machenschaften stoppen!
    Lasst uns die Gasförderung in Reichling verhindern!
    Denn sauberes Gas ist eine dreckige Lüge!

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