Deutschland baut weiter fossile Infrastruktur aus – obwohl die schwimmenden LNG-Terminals kaum ausgelastet sind, die Klimabilanz katastrophal ist und Menschen entlang der Lieferketten leiden. Warum trotzdem Milliarden fließen und wer wirklich davon profitiert, fassen die Autor*innen Mona und Martin zusammen.
Als Russland 2022 die Ukraine angriff, wurde eins klar: Wir müssen unabhängig werden von fossilen Brennstoffen. Erneuerbare Energien wurden als “Freiheitsenergien” bezeichnet und trotzdem wurde die Situation genutzt, um neue Erdgas-Projekte zu rechtfertigen und im Rekordtempo auszubauen. Nun will Katherina Reiche als neue Wirtschaftsministerin weiter die Interessen der Gas-Lobby vertreten und ganze 20 Gigawatt neue Gaskraftwerke bauen. Das ist mehr als ein Drittel des deutschen Stromverbrauchs. Doch wir müssen uns dem Gas-Wahn entgegenstellen, weil massive Überkapazitäten aufgebaut werden, die Klimabilanz deutlich schlimmer ist als vorher angenommen und besonders People of Color in der Lieferkette unter den Gasimporten leiden.
Die Ampel-Regierung setzte 2022 auf Flüssigerdgas-Terminals, um die Gasversorgung sicherzustellen. Flüssigerdgas oder auch LNG (Liquified natural gas) ist Erdgas, das auf -163 Grad Celsius heruntergekühlt und damit flüssig wird. Nun hat das Flüssigerdgas ein kleineres Volumen und ist einfacher zu transportieren. LNG kommt meistens aus den USA und wird an den LNG-Import-Terminals wieder erwärmt und in den gasförmigen Zustand versetzt. Dieser Vorgang der Abkühlung und Erwärmung ist extrem energieaufwändig. An den Standorten Wilhelmshaven, Stade, Brunsbüttel und auf Rügen sollten insgesamt sechs schwimmende LNG-Terminals (auch FSRU genannt), sowie drei landseitige, also feste LNG-Terminals entstehen. Im Gegensatz zu den landseitigen LNG-Terminals können die schwimmenden LNG-Terminals bei niedrigen Bedarf einfach wieder entfernt werden und das sollte so schnell wie möglich passieren. Doch der Ausbau hat dramatische Folgen, wie die Ausbeutung von People of Color, Belastung für die Anwohnenden, Überkapazitäten, neue Abhängigkeiten und Klimazerstörung. Es stellt sich heute immer deutlicher heraus: Der massive Ausbau der LNG-Terminals war ein gravierender Fehler. Trotzdem bleibt der Aufschrei in der Gesellschaft gering.
Brauchen wir überhaupt so viel Flüssigerdgas?
Das DIW und das New Climate Institute zeigen in zwei Studien: Es entstehen derzeit massive Überkapazitäten. Es bräuchte nur wenige schwimmende LNG-Terminals und keine neue feste Infrastruktur. Denn größtenteils beziehen wir unser Erdgas aktuell aus Norwegen, Belgien oder den Niederlanden. 2024 waren die bereits bestehenden schwimmenden Terminals zudem nicht vollständig ausgelastet und trotzdem wird an dem Ausbau festgehalten. Das schwimmende LNG-Terminal auf Rügen war nur zu 8% ausgelastet, während das erste LNG-Terminal in Wilhelmshaven etwas über 60% ausgelastet war. Zwar nimmt die Auslastung auf Rügen derzeit zu, jedoch ist es immer noch schlecht ausgelastet.
Gescheitertes Projekt auf Kosten der Steuerzahlenden
Die Folge: Eines von zwei schwimmenden LNG-Terminal-Schiffen auf Rügen wurde bereits gekündigt. Ähnlich ist es in Stade, wo das Regasifizierungsschiff ein Jahr lang im Hafen lag, nicht genutzt wurde und schließlich der Vertrag gekündigt wurde. Beide lagen daraufhin monatelang im Meer auf Anker und wurden jetzt weiter verchartert. Jedes der sechs schwimmenden LNG-Terminals kostet den Steuerzahlenden 200.000 Euro pro Tag und spült damit weiter Geld in die Taschen von fossilen Konzernen, für Infrastruktur, die gar nicht notwendig ist. Aber die Gaslobby freut sich.

Klimawirkung von LNG
Zuvor hatte die Gaslobby bereits Jahrzehnte Lobbyarbeit geleistet, um die noch neue fossile Infrastruktur rechtfertigen zu können. Sie versuchen zum Beispiel Erdgas als “sauber” und wichtig für die Energiewende zu labeln, jedoch ist das eine dreiste Lüge und verharmlost die Schäden durch diesen fossilen Brennstoff. Denn ja, Erdgas stößt bei der Verbrennung etwas weniger CO2-Emissionen aus als Kohle. Doch LNG hat eine noch deutlich dramatischere Klimabilanz, als vielen bekannt ist. In der Lieferkette gibt es durch zahlreiche Umwandlungsprozesse hohe Energieverluste und Methan-Leckagen z.B. bei der Förderung durch Fracking oder beim Transport. Da Methan 84 mal klimaschädlicher als CO2 ist, führen schon kleine Methanaustritte zu dramatischen Klimaschäden. Dadurch ist LNG sogar durchschnittlich 33% klimaschädlicher als Kohle. Zudem führt jede Investition in fossile Brennstoffe dazu, dass dringend notwendiges Geld für erneuerbare Energien fehlt und man sich weiter auf Jahrzehnte an diese fossilen Brennstoffe bindet.
Leid an der LNG-Import-Standorten

Unter der im Eilverfahren, ohne Rücksicht auf Natur und Bürger*innenbeteiligung gebauten LNG-Infrastruktur müssen nun auch die Anwohnenden leiden. In Wilhelmshaven wird giftiges Chlor unmittelbar vom UNESCO Weltnaturerbe Wattenmeer ins Wasser gelassen, auf Rügen und in Brunsbüttel gibt es starke Lärmbelästigung und in Brunsbüttel wurden die Schadstoffgrenzwerte etwa für das krebserregende Formaldehyd um den Faktor 7,3 erhöht, obwohl die nächste Siedlung nur 600m entfernt ist. Während harmlose Windkraftanlagen in Bayern 1000m entfernt sein müssen, kann hier ein Terminal für explosive Gefahrenstoffe in 600m Entfernung liegen. Hierbei kam es in Brunsbüttel sogar schon zu zwei kleineren Störfällen, bei denen jeweils 120 kg Methan in die Atmosphäre gelassen wurden.
Leid in den Herkunftsregionen durch Fracking
Noch dramatischer ist das Problem allerdings in den USA. Dort leben vor allem People of Color und arme Bevölkerung in der Nähe von Gasförderstellen, Pipelines, LNG-Export-Terminals und weiterer fossiler Infrastruktur. Teilweise wird direkt in den Wohnsiedlungen Fracking betrieben, wodurch giftige Chemikalien ins Grundwasser gelangen, es Methan-Austritte gibt und die Luft stark verschmutzt wird. Die Folge: Die Bevölkerung angrenzender Wohnsiedlungen sind überdurchschnittlich häufig von gesundheitlichen Problemen wie Leukämie, Asthma und vielen weiteren Krankheiten betroffen. Lokale Gruppen wie “For A Better Bayou” und Aktivisten wie James Hiatt, der selbst früher in der Ölindustrie tätig war, wehren sich nun seit Jahren gegen den LNG-Terminal Ausbau in ihrer Nachbarschaft, aber bisher ohne Erfolg. Banken wie die Deutsche Bank ermöglichen dabei erst durch Kredite und deutsche Unternehmen durch LNG-Lieferverträge diese Ausbeutung.
Handelsstreit mit USA
Dazu will Donald Trump der EU im Rahmen des aktuellen Handelsstreits vermehrt LNG-Käufe aufzwingen. Auch Sefcovic, der EU-Chefverhandler, hat gesagt, dass die EU für 50 Mrd. Euro mehr LNG importieren sollte. Die Gefahr besteht, dass man sich weiter von einem Land abhängig macht – jetzt halt nicht mehr Russland, aber dafür die USA. Stattdessen sollten wir uns mit erneuerbaren Energien unabhängiger machen. Dabei geraten im Handelskonflikt das Leid der Betroffenen durch LNG und die Folgen der Klimakrise oft in den Hintergrund und müssen hervorgehoben werden.
Doch was können wir jetzt tun?
Wir müssen die Bundesregierung und die EU auffordern, keine neuen LNG-Verträge mit den USA zu schließen. Zudem muss der Bau von festen LNG-Terminals gestoppt und die schwimmenden LNG-Terminals so schnell wie möglich wieder entfernt werden. Es braucht keine neue fossile Infrastruktur für die nächsten Jahrzehnte, sondern im Übergang sollten wir die Infrastruktur nutzen, die bereits existiert. Um das Leid der betroffenen Anwohnenden und die gravierenden Folgen von Fracking zu stoppen, braucht es zudem ein Frackinggas-Importverbot.
Das Wichtigste ist schließlich aber: Nur durch den konsequenten Ausbau von erneuerbaren Energien und die beschleunigte Umsetzung der Wärmewende kann man den Gasausstieg erreichen. Dies macht uns auch unabhängiger von Diktaturen wie Russland, unsere Energieversorgung sicherer und ist auch dringend notwendig, um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten.