In diesem Leitfaden erfährst du, was bei der Durchführung einer Versammlung alles zu beachten ist.
Es geht unter anderem um die Rechte und Pflichten der Versammlungsleitung und darum, was die Polizei darf und was nicht.
Wenn du eine bestimmte Frage hast, die dieser Leitfaden dir nicht beantworten kann, kannst du dich immer gerne an legal[at]fridaysforfuture.de wenden.
Disclaimer: Dieser Leitfaden stellt keine rechtliche Beratung dar.
Zum Leitfaden zur Versammlungsanmeldung
Inhalt
- Checkliste Versammlungsleitung
- Allgemeines
- Aufgaben und Rechte einer VL
- Alles zu Ordner*innen
- Was die Polizei (nicht) darf und muss
Checkliste für die Versammlungsleitung
- im Voraus über die geltende Rechtslage informieren (z. B. FAQ lesen)
- auf die Angaben in der Anmeldebestätigung achten
- zeitig vor Ort sein (mind. 15 Min vor Beginn der Versammlung)
- Ordner*innen (ernennen und) einweisen
- ggf. Teilnehmer*innen auf geltende Auflagen hinweisen
- Versammlung offiziell beenden
Allgemeines
Versammlungen sind in Deutschland von dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) geschützt und haben daher einen sehr hohen Stellenwert. Daraus folgen viele Rechte für die anmeldende Person bzw. Versammlungsleitung. Unter anderem das Recht, über Ort und Zeit sowie Ablauf und Gestaltung der Versammlung selbst bestimmen zu dürfen.
Diese Dinge müssen nicht genehmigt, sondern lediglich angemeldet werden. Eingeschränkt werden können sie daher nur unter bestimmten Umständen. Mehr dazu findet ihr hier: Leitfaden für Versammlungsanmeldungen
Die Versammlungsleitung (VL) ist auf einer Demo der*die Chef*in. Sie hat einerseits das Sagen über die Versammlung und kann bspw. über den Ablauf und die Gestaltung der Versammlung bestimmen. Andererseits hat sie auch einige Pflichten.
Im Verhältnis zur Polizei ist die VL mindestens auf Augenhöhe. Eine der Hauptaufgaben der Polizei ist es nämlich zu ermöglichen, dass die Versammlung dem Wunsch der VL entsprechend durchgeführt werden kann. Das hat aber natürlich auch Grenzen. Zum Beispiel darf der tatsächliche Ablauf einer Versammlung nicht ohne Grund wesentlich vom angemeldeten Verlauf abweichen.
In der Realität denkt die Polizei leider oft, dass sie auf Demos das Sagen hat und die VL herumkommandieren darf. Dass dem in der Regel nicht so ist, sollte man als VL im Hinterkopf behalten und der Polizei mit selbstbewusstem Auftreten deutlich machen. Was die VL konkret darf und muss, wird im Folgenden erläutert.
Aufgaben und Rechte der Versammlungsleitung
Als VL bist du für den Ablauf der Versammlung zuständig. Du bist außerdem die Ansprechperson für die Polizei. Diese wird normalerweise vor der Versammlung auf dich zukommen und sich vorstellen. Andernfalls kann es sinnvoll sein, dass du dich gegenüber der Polizei als VL zu erkennen gibst.
Um bei Problemen richtig zu handeln, empfehlen wir ausdrücklich, dass du dir vor der Versammlung über deine Rechte und Pflichten klar wirst! Lese dir dazu am besten die nachfolgenden FAQ-Antworten durch!
Welche Rechte habe ich als Versammlungsleitung?
Du darfst:
- Den Ablauf der Versammlung bestimmen (z. B. Menschen auf der Bühne das Wort erteilen oder entziehen), solange du dich an euren Angaben in der Anmeldung orientierst,
- Ordner*innen ernennen und entlassen, sofern unten genannte Voraussetzungen erfüllt sind,
- bei Störungen oder Verstößen (gegen Auflagen), Teilnehmer*innen Anweisungen erteilen,
- die Versammlung jederzeit unterbrechen, fortsetzen oder beenden.
Du darfst nicht:
- Teilnehmer*innen von der Versammlung ausschließen, das darf nur die Polizei
(man kann es zwar versuchen, aber nicht mit Zwang durchsetzen) - Anweisungen an externe Personen/Passant*innen geben, dies ist Aufgabe der Polizei,
- den Verkehr stoppen, dies ist ebenfalls Aufgabe der Polizei.
Welche Pflichten habe ich als Versammlungsleitung?
Du musst:
- Während der gesamten Versammlung anwesend sein,
- für die Einhaltung der Anmeldung und der Auflagen, welche die Versammlungsbehörde erlassen hat, sorgen (hierzu kann es sinnvoll sein, die Anmeldebestätigung dabei zu haben),
- für Ordnung auf der Versammlung sorgen, wenn gegen Auflagen verstoßen wird,
- sicherstellen, dass Ordner*innen keine Waffen mitführen,
- die Versammlung beenden, (wenn sie vorbei ist oder wenn sie im Großen und Ganzen unfriedlich wird und du sie nicht mehr kontrollieren kannst),
- der Polizei angemessenen Platz einräumen.
Wichtig: Die VL ist lediglich verpflichtet, sich um all das zu bemühen. Sollte die Demo außer Kontrolle geraten oder sollten einzelne Teilnehmer*innen Probleme machen, obwohl die Versammlung das in ihrer Macht stehende getan hat, um das zu verhindern, kann sie nicht haftbar gemacht werden. Außerdem haftet die VL nicht automatisch, wenn bspw. jemand auf der Versammlung verletzt wird oder etwas kaputt geht. Sollten Einzelpersonen oder ein kleiner Teil der Teilnehmer*innen Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten begehen, ist es Aufgabe der Polizei, sich darum zu kümmern.
Wie kann ich mit Störer*innen umgehen?
Wenn Teilnehmer*innen die Versammlung stören oder der Anmeldung oder den Auflagen zuwiderhandeln, darf die VL sie zurechtweisen. Dafür kann sie auch die Ordner*innen zur Hilfe nehmen. Ansonsten hat die VL jedoch keine Durchsetzungsmöglichkeiten. Falls die angesprochene Person sich trotzdem deutlich daneben benimmt, kannst du die Polizei bitten, diese Person vor der Versammlung auszuschließen.
Sollte es zu Straftaten einzelner Personen kommen, so ist es Aufgabe der Polizei, sich um diese zu kümmern. Solange der Großteil der Versammlung friedlich ist und ihr nicht aktiv zu Straftaten aufruft oder irgendwie unterstützt, seid ihr als VL nicht dafür verantwortlich, was Einzelpersonen oder kleine Gruppen tun.
Hinweis: Auch wenn die VL keine Teilnehmer*innen ausschließen darf, heißt das nicht, dass du das nicht versuchen kannst! Wenn du womöglich mit Warnweste, Funkgerät und einem ordentlichen Selbstbewusstsein eine*n Teilnehmer*in wegschickst „weil du Versammlungsleitung bist“, kann das klappen, sofern die Person nicht weiß, dass du das eigentlich nicht darfst. Du kannst auch damit drohen, die Polizei zu rufen, wenn du dir das zutraust.
Alles zu Ordner*innen
Ordner*innen unterstützen die VL bei ihren Aufgaben. Sinn und Zweck von Ordner*innen ist es, dass die Demo sich selbst organisieren und unter Kontrolle halten kann, wodurch die Polizei (also der Staat) weniger Legitimation hat, in die Demo einzugreifen und sie zu kontrollieren.
Die Hauptaufgabe von Ordner*innen ist es, den Anweisungen der VL zu folgen, um die Auflagen durchzusetzen und für Ordnung auf der Versammlung zu sorgen.
Wir haben kurze Leitfäden für Ordner*innen, diese findet ihr hier:
für kleinere Demos: https://fffutu.re/ordnerinnen-klein
für größere Demos: https://fffutu.re/ordnerinnen-gross
Brauchen wir Ordner*innen?
Bei sehr kleinen Aktionen (max. 100 Personen) braucht ihr nicht unbedingt Ordner*innen bzw. es sollte reichen, wenn ihr Orga-Menschen zu Ordner*innen ernennt. Da Ordner*innen euch helfen, den Demozug zu steuern und eure Anweisungen sowie ggf. Auflagen umzusetzen, solltet ihr bei allen anderen Aktionen grundsätzlich Ordner*innen einsetzen. Manchmal macht die Versammlungsbehörde hierzu auch die Vorgabe, eine*n Ordner*in pro 50 Teilnehmer*innen einzusetzen (besonders seit Corona sind es manchmal auch 1:25 Teilnehmer*innen oder mehr).
Wichtig: So lange die Demo nicht droht, außer Kontrolle zu geraten und Auflagen eingehalten werden, stellt eine (nach Auffassung der Polizei) zu geringe Zahl an Ordner*innen jedoch keinen Grund dar, die Versammlung besonders einzuschränken oder gar zu verbieten.
Wer kann Ordner*in werden und wie werden diese gekennzeichnet?
Ordner*innen müssen i.d.R. volljährig sein [NRW: min. 14 Jahre alt; Berlin, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt: Alter egal], wobei ihr die Versammlungsbehörde auch im Voraus bitten könnt, Minderjährige zuzulassen (mit der Begründung, dass wir eine Jugendbewegung sind und nicht so viele volljährige Ordner*innen finden).
Ordner*innen dürfen keine Waffen mit sich führen und sollten verantwortungsbewusst sein. Sie werden von der VL ernannt und ggf. entlassen und müssen die Anweisungen der VL befolgen.
Ordner*innen müssen laut Gesetz eine weiße Armbinde mit der Aufschrift „Ordner“ tragen. Die Aufschrift „Ordner*in“ wird jedoch keine Konsequenzen mit sich bringen. Oft ist die Behörde oder die Polizei aber auch mit einer anderen Kennzeichnung (z.B. Westen) einverstanden. Das sollte dann jedoch sicherheitshalber vorher abgesprochen werden.
Was sind die Aufgaben, Rechte und Pflichten von Ordner*innen?
Ordner*innen sind für die Unterstützung der VL zuständig. Sie agieren im Auftrag der VL und dürfen zur Aufrechterhaltung der Ordnung auf der Versammlung den Teilnehmer*innen Anordnungen erteilen. Sie haben jedoch keinerlei Sanktionsmöglichkeiten.
Sie sind ausschließlich für Teilnehmer*innen zuständig. Passant*innen können höchstens um Dinge geben werden. Sollte es hierbei Probleme geben, können sich die Ordner*innen direkt oder über die VL an die Polizei wenden.
Auch für das Anhalten des Verkehrs ist die Polizei zuständig! Ordner*innen können sich höchstens an den Rand der Demo stellen, sodass keine Autofahrer*innen, die von der Polizei angehalten wurden, nachträglich in die Demo fahren.
Was die Polizei (nicht) darf und muss
Die Hauptaufgabe der Polizei ist es, die sichere Durchführung der Versammlung zu gewährleisten. Sie hat die VL nicht herumzukommandieren und steht mit ihr auf Augenhöhe. Leider sind viele Polizist*innen dieses Verhältnis nicht gewohnt. Daher erlauben sie sich gerne mehr als erlaubt ist. Wie man sich daher am besten verhält und was die Polizei überhaupt darf und nicht darf, erfährst du im Folgenden.
Wichtig: So sehr die Polizei als Institution zu kritisieren ist und auch wenn Polizist*innen häufig autoritär auftreten:
Die Polizei ist auf der Versammlung weder euer Feind noch euer Boss. Es ist die Verpflichtung des Staates und somit auch die der Polizei das Recht auf Versammlungsfreiheit als Grundrecht und elementaren Teil der politischen Teilhabe der Bürger*innen aktiv zu gewährleisten. Damit muss es auf der Versammlung erstmal oberstes Ziel der Polizei sein, einen sicheren Verlauf der Kundgebung zu ermöglichen. Damit die Polizei selbst nicht in Versuchung gerät, die Demo groß kontrollieren zu wollen, ist dafür in erster Linie die VL zuständig, die die Versammlung mithilfe der Ordner*innen „managen“ kann. Es ist also ratsam, als VL erstmal mit Selbstbewusstsein und dem Selbstverständnis aufzutreten, dass ihr mit der Polizei kooperativ und auf Augenhöhe zusammenarbeitet, um einen reibungslosen Ablauf der Versammlung zu gewährleisten.
Wie sollten wir gegenüber der Polizei auftreten?
Sowohl die Einsatzleitung der Polizei als auch die VL sind zunächst verpflichtet zu kooperieren und miteinander in Kontakt zu sein. Polizist*innen haben dabei oft eine Tendenz, autoritär aufzutreten und „Befehle“ zu erteilen. Daher ist es extrem wichtig, selbstbewusst aufzutreten und von vornherein zu signalisieren, dass man sich nicht auf eine Kommunikation einlässt, die sich nicht vollkommen auf Augenhöhe befindet. Macht dabei klar, dass ihr euch euren Rechten und Kompetenzen als VL bewusst seid und wisst, was die Polizei wann darf.
Ebenso wichtig ist transparente Kommunikation. Die Einsatzleitung oder der*die Kontaktbeamt*in mit der*dem ihr zu tun habt, ist schlussendlich ein Mensch. Da kommt es auf banale Sachen wie gegenseitigen Respekt, Umgang und Vertrauen an. Diese Faktoren sind sehr entscheidend dafür, wie die Polizei am Ende reagiert, sollte es zu angespannteren Situationen kommen. Es ist in der Regel empfehlenswert, die Polizei so gut es geht auf dem Laufenden zu halten, was passiert und was eure Pläne sind.
Tipp: informiert sie und fragt nicht nach einer Berechtigung. Wenn es Einwände gibt, werden die Beamt*innen das ansprechen und es liegt an euch zu verhandeln und Argumente auszutauschen.
Welche Kompetenzen hat die Polizei?
Die Polizei hat, wie oben beschrieben, in erster Linie die Aufgabe, zusammen mit der VL den sicheren Ablauf der Versammlung zu gewährleisten. Dabei ist sie grundsätzlich erstmal an die Auflagen der Versammlungsbehörde gebunden und dazu angehalten, auf deren Einhaltung zu achten. Hierbei muss sie, wenn Auflagen missachtet werden, zunächst die VL auffordern, die Auflagen mithilfe ihrer Ordner*innen durchzusetzen. Erst wenn das nicht funktioniert und die Versammlung außer Kontrolle der VL gerät, darf die Polizei selbst eingreifen.
Eine Demonstration ist jedoch manchmal ein dynamisches Geschehen, in dem sich Gegebenheiten unvorhergesehen ändern können. Das rechtfertigt im Zweifel, dass die Polizei vor Ort von den Auflagen abweicht oder neue Auflagen auferlegt. Oberstes Ziel muss es dabei eigentlich immer sein, dass die Versammlung weiterhin sicher durchgeführt werden kann. Das bedeutet, eine Auflösung der Demonstration ist erst dann möglich, wenn alle anderen (milderen) Mittel nicht erfolgreich waren und ein Sicherheitsrisiko für Teilnehmende oder Außenstehende besteht.
Hinweis: Ob und wann gewisse Maßnahmen der Polizei verhältnismäßig sind, sollte die Polizei bzw. die Einsatzleitung anhand bestimmter rechtlicher Kriterien und Prinzipien abwägen. Da es der Polizei oft leichter fällt, euch einfach möglichst weit einzuschränken, da sie so wenig nachdenken muss und vermeintlich auf „Nummer sicher“ geht, ist es wichtig, dass ihr versucht, konsequent zu bleiben und unter Anwendung der Kriterien zu argumentieren und zu verhandeln, sollte die Polizei sich an die VL wenden, Einschränkungen ankündigen bzw. in Erwägung ziehen.
Wichtig: Da die Entscheidung am Ende immer noch ein Mensch trifft, kann diese in der Praxis leider auch falsch sein. Viele Konflikte lassen sich durch eine klare Kommunikation, was ihr wollt, sachliche Argumente und ggf. von euch angebotene Alternativen lösen. Wichtig ist, dass ihr von der Polizei eine Erläuterung ihrer Position verlangt, denn nur wenn ihr wisst, warum die Beamt*innen „Bauchschmerzen“ haben, könnt ihr auf diese eingehen.
Was tun wenn's brenzlig wird?
Wie bereits erwähnt, ist die Auflösung einer Versammlung im Normalfall das letzte Mittel.
Sollte die Polizei eine Auflösung für nötig halten, sollte die VL zunächst versuchen, die Beamt*innen argumentativ davon zu überzeugen, dass eine Auflösung nicht verhältnismäßig ist, auch wenn bspw. eine Auflage nicht eingehalten werden kann oder von einigen Teilnehmenden nicht eingehalten wird. Dafür sollte sie versuchen dazulegen, warum trotz Nichteinhaltung der Auflage keine wesentliche oder keine wesentlich größere Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht.
Außerdem kann die VL versuchen, Vorschläge zu machen, um die Bedenken der Polizei auszuräumen. Also Mittel, welche die Probleme ähnlich gut beseitigen wie eine Versammlungsauflösung. Rechtlich wäre die Polizei dann verpflichtet, diesen gleichgeeigneten milderen Mitteln zumindest erstmal eine Chance zu geben.
Sollte die Polizei auch diesen Vorschlag auf einer Auflösung beharren, ist es ratsam, den Anweisungen der Polizei schlussendlich zu folgen.
Noch fragen?
Wir hoffen, dass wir dir mit diesem Leitfaden weiterhelfen konnten. Wenn du noch weitere Fragen oder ein konkretes Anliegen hast, melde dich gerne bei den AG-Sprechenden der Rechtshilfe AG oder per Mail bei legal@fridaysforfuture.de. 🙂
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