Spätestens seit bekannt ist, dass uns in Deutschland in diesem Winter nicht nur eine Wärme-, sondern auch eine Energiekrise bevorsteht, werden die Stimmen der Atomkraftbefürworter*innen immer lauter und auch die öffentliche Meinung unterstützt eine Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke immer mehr. Trotzdem halten wir als Fridays for Future aber weiter daran fest, dass unsere Zukunft nicht nuklear ist – doch warum eigentlich? Ein Kommentar von Kira Bönisch.
Nun ja, fangen wir mal ganz vorne an. Eigentlich war Atomkraft für die meisten von uns nie ein Thema. Die ersten Proteste in den 60er Jahren, Tschernobyl 86, der Atomausstieg 2002, der Ausstieg vom Ausstieg 2010, Fukushima 2011 und dann der zweite Atomausstiegsversuch im gleichen Jahr – wir kennen diese Ereignisse, doch der Großteil unserer Bewegung ist einfach zu jung, um daran selbst beteiligt gewesen zu sein. Als wir 2019 anfingen, in Massen auf die Straßen zu gehen, um für Klimagerechtigkeit zu kämpfen, war der Atomausstieg eigentlich schon längst kein Thema mehr: Ende 2022 sollen die letzten AKWs abgeschaltet werden, so wurde es noch 2011 vom damaligen Bundestag beschlossen. Doch jetzt sieht die politische Situation anders aus: Drei AKWs laufen noch und wahrscheinlich werden zwei davon (Isar 2 und Neckarwestheim 2) noch im Streckbetrieb (das heißt ohne das Liefern von neuen Brennstäben) weiterbetrieben. Und während wiederum FDP und CDU wieder mehr auf AKWs setzen wollen und somit einen zweiten Ausstieg aus dem Ausstieg (nach dem von 2010) fordern, sind manche bei den Grünen gegen jegliche Verlängerung. Doch was spricht eigentlich für Atomkraft?
Atomkraft ist – abgesehen von Aufbau- und Abbau der Werke und allem, was dazugehört – CO²-neutral. Zudem wird oft behauptet, dass Atomkraft im Gegensatz zu erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne zuverlässig wäre, da es nicht von äußeren Umständen wie dem Wetter abhängig ist. Viele sprechen auch davon, dass Atomkraft im Inland hergestellt werden könne und wir so unabhängig Strom produzieren könnten.
Das klassischste Argument gegen Atomkraft kennen wir alle: Sie ist gefährlich. Oder besser gesagt: Sie kann gefährlich werden, wenn es zu Unfällen kommt. Die zwei schlimmsten Unfälle in kerntechnischen Anlagen waren die Super-GAUs in Fukushima und Tschernobyl. Ein Eintreten eines Super-GAUs in Deutschland ist wohl sehr unwahrscheinlich, aber nie 100% unmöglich, und auch kleinere Unfälle mit tödlichen Folgen sind nie auszuschließen.
Was vielen Menschen auch oft gar nicht bewusst ist, ist der hohe Wasserverbrauch von Atomkraftwerken: Eine Kilowattstunde Strom (genügend Energie, um ca. eine Stunde lang staubzusaugen) braucht bei der Erzeugung in einem Atomkraftwerk zwei bis drei Liter Wasser. Unabhängigkeit schafft Atomkraft auch nicht: Die Europäische Atomgemeinschaft Euratom gab an, dass 2020 noch ca. 20% des Urans für AKWs in Europa aus Russland kamem, in Deutschland wahrscheinlich noch mehr.
Und wie zuverlässig ist das Ganze? Nun ja, die Frage lässt sich tatsächlich schon mit Blick darauf beantworten, warum uns eigentlich eine Energiekrise bevorsteht. Dies liegt zu einem daran, dass aufgrund trockener Flüsse nicht genügend Kohle in Kohlekraftwerke geliefert werden kann und dort der Strom fehlt. Der zweite hängt mit den AKWs in Frankreich zusammen: Das Land setzt auf Atomstrom, und dieser ist gerade nur in Teilen verfügbar, da in vielen AKWs Wartungsarbeiten vorgenommen werden, und in manchen auch ungeplante Probleme aufgetreten sind. Frankreichs Lösung: Strom aus Deutschland beziehen. Und was wir daraus lernen können: Verlässlich ist Atomkraft auch nicht.
Mit der Frage, ob ein Weiterbetrieb der Atomkraftwerke für das deutsche Stromnetz überhaupt einen großen Unterschied macht, hat sich unter anderem der im September veröffentlichte Stresstest im Auftrag des BMWK beschäftigt. Die Antwort: Nein. Oder etwas länger ausgedrückt: Im Streckbetrieb würden Deutschlands AKW nur noch 0,8% zum Deutschen Stromnetz beitragen.
Dadurch wird deutlich: Unsere Zukunft kann nicht in nuklearen Energien liegen. Die Scienticst for Future sagen dazu folgendes: „Zur Lösung der Klimakrise kann die Kernenergie nicht beitragen, da sie zu langsam ausbaufähig, zu teuer und zu risikoreich ist. Zudem behindert sie strukturell den Ausbau der Erneuerbaren Energien, die gegenüber der Kernkraft schneller verfügbar, kostengünstiger und ungefährlich sind.“ Tatsächlich wird also mit der Atomdebatte Aufmerksamkeit von den Erneuerbaren Energien genommen. Darum ist es wichtig, dass wir jetzt die Scheindebatte um Atomkraft beenden und uns auf das Eigentliche konzentrieren: Den Ausbau der Erneuerbaren Energien.
Das volle Statement der Scientists findet ihr hier.
Titelbild: © Lukas Schulz/lukas.studio