Die deutsche Verkehrspolitik richtet sich trotz einer schnell voranschreitenden Klimakrise nicht nachhaltig aus, von dem 1,5 Grad-Ziel ganz zu schweigen. 2020 wurden 61km Autobahn neu gebaut. Beim Schienenverkehr hat es, zum Vergleich, nur für 6km gereicht. Auch die Zukunft sieht mit 850km geplantem Autobahn-Neubau nicht vielversprechend aus. Deshalb schlossen sich überall in Deutschland am 05. und 06. Juni Menschen zusammen und protestierten, im Rahmen der Aktionstage gegen Autobahn, für eine klimagerechte, inklusive und sozialverträgliche Verkehrswende.
Heute spreche ich, Jerrit, mit einem Mitorganisator, Joshua, der sich an den Aktionstagen beteiligte.
Was ist deine persönliche Motivation, dich gegen den Ausbau des Autobahnnetzes einzusetzen?
Autobahnen bedeuten mehr motorisierten Individualverkehr, mehr Abgase und Lärm und gleichzeitig eine Zerschneidung von Naturräumen und Gebieten und genau dagegen setze ich mich ein. Der Ort, in dem ich aufgewachsen bin, liegt nicht weit entfernt von der Ostumgehung B4/B209, die in naher Zukunft zur A39 gebaut werden soll. Die geplante A39 soll aber recht schnell nicht mehr über bestehenden Straßen führen, sondern ein Autobahnfreies Gebiet von Deutschland zerschneiden. Diese weitere Zerschneidung will ich verhindern!
Wie war eure Demo/euer Projekt für die Aktion gegen Autobahnbau geplant und wie verlief die Aktion letztendlich?
Unser Protest hat sich im Dezember 2020 neu entfacht, wir sind das erste Mal mit Fahrrädern über die Ostumgehung B4/B209 gefahren. Es war ein Startschuss für weitere Aktionen. Im April 2021 haben wir eine weitere Demonstration auf der Ostumgehung organisiert, aber diesmal mit einem größeren Unterstützer*innen-Kreis. Wir waren 600 Menschen und die Medien haben mit unzähligen Artikeln das Thema wieder großgeschrieben. Recht schnell war dann der Aktionstag am 5./6. Juni bekannt und wir haben uns überlegt, wie wir den Protest gegen Autobahnen im Allgemeinen und die sozial- und klimagerechte Mobilitätswende über Lüneburg hinaus organisieren können. Daraus entstand die Planung, dass wir eine Fahrraddemo über die schon bestehende A39 nach Winsen machen wollen. Es gab nur das Problem, dass das Ordnungsamt bei der Aktion nicht mitspielen wollte. Wir haben erst in der Woche als die Fahrraddemo stattfinden sollte das Kooperationsgespräch gehabt, in dem klar gemacht wurde, dass die A39 tabu ist. Drei Tage vor der Demo konnten wir erst gegen die Auflagen rechtlich vorgehen. Wir haben es zwar geschafft einige Auflagen nichtig zu machen, aber über die A39 konnten wir nicht fahren. Der Protest ging damit am 6. Juni ein drittes Mal auf die Ostumgehung, dafür aber über das bisher längste Stück. Mit 500 Menschen demonstrierten wir für eine Mobilitätswende und gegen den Bau von Autobahnen.
Seid ihr zufrieden mit dem Verlauf eurer Aktion?
Klar sind wir zufrieden, wir haben es wieder geschafft, dass Hunderte Menschen für eine Mobilitätswende und gegen den Bau der A39 auf die Straße gegangen sind. Wir werden nicht locker lassen beim nächsten Mal auf die A39 zu kommen – die Rechtslage hat sich nach den Protesten an dem Aktionswochenende ein wenig verschoben, die uns Vorteile bietet.
Auf der Demo selbst gab es keine größeren Komplikationen.
Was denkt ihr, wie wichtig das Thema Verkehrswende und im Konkreten Autobahnausbau, für die Bewältigung der Klimakrise ist?
Der Verkehrssektor spielt bei der Bewältigung der Klimakrise eine große Rolle, vor allem in einem Auto-Land wie Deutschland. Der Bau zusätzlicher Autobahnen wird das ganze Problem nur noch mehr verstärken, da es direkt zu mehr Verkehr und mehr Flächenversiegelung führt. Um die CO2 Emissionen deutlich zu senken, müssen wir, wie es auch in der von FFF in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie geschrieben steht, den motorisierten Individualverkehr deutlich reduzieren. Dafür müssen wir aber auch Mobilität neu denken und schauen, wie wir die Infrastruktur umbauen, damit die Mobilität mit dem ÖPNV, der Bahn und dem Fahrrad deutlich mehr Vorteile für jeden Einzelnen bietet als der motorisierte Individualverkehr.
Der große Vorteil einer Mobilitätswende ist zusätzlich auch, dass wir mehr Raum für anderes haben werden. Wo früher Autos gefahren sind, können dann begrünte Strecken mit Radwegen oder ein Raum für sozialen Austausch entstehen.
Der Bau weiterer Autobahnen verursacht hingegen gegenteiliges und zerschneidet weitere Naturräume und Lebensräume, verursacht Lärm und versiegelt weitere große Flächen.
Bei einer Pressekonferenz des „Wald statt Asphalt Bündnis“ wurde von einer Vertreterin der Aktion „Sand im Getriebe“ angekündigt, im September die Automesse von VW zu blockieren. Kann man auch von euren Ortsgruppen mit weiteren Protestaktionen gegen den Autobahnausbau, für eine klimagerechte Verkehrswende, rechnen?
In den kommenden Wochen soll die Planung der nächsten Aktion beginnen. Man kann sich also über weitere Aktionen gegen die A39 freuen. Wir lassen nicht locker bis der Plan der A39 vom Tisch ist.
Letztes Jahr musste in Hessen für den Ausbau einer Autobahn (der A49) der Dannenröder Wald herhalten. Und das, obwohl in Hessen die Grünen mitregieren. Man hört außerdem immer wieder vermehrt die Kritik, die Grünen seien nicht grün genug. Findet ihr vor diesem Hintergrund, dass die Kritik berechtigt ist, die Grünen also nicht grün genug sind, z.B. bezogen auf das Thema Verkehrswende? Was würdet ihr euch von den Grünen bzw. von allen Parteien beim Thema Verkehrswende für die Zukunft wünschen?
Die Grünen, aber vor allem alle anderen Parteien des Bundestags sollen endlich einen Schlussstrich ziehen und den Ausbau neuer Autobahnen sofort stoppen. Das ganze Geld, dass in die Autobahnen fließen soll, sollte lieber in die Bahn-, ÖPNV- und Fahrrad-Infrastruktur gehen. Es muss eingesehen werden, dass wir mit der weiteren Förderung von motorisiertem Individualverkehr, ob e-Auto oder Verbrenner, die 1,5 Grad-Grenze nicht einhalten können. Wünschen würde ich mir aber auch, dass die Mobilitätswende sektorübergreifend und systemisch gedacht wird und nicht nur Symptombekämpfungen unternommen und Kleinigkeiten angegangen werden.
Was wären für euch konkrete Maßnahmen, um eine klimagerechte, inklusive und sozialgerechte Verkehrswende herbeizuführen? Bzw. was würdet ihr an der jetzigen Verkehrspolitik ändern wenn ihr könntet?
Als aller erstes die Priorisierung der Verkehrsmittel umkehren. Der motorisierte Individualverkehr dürfte nicht mehr Vorrang genießen dürfen. Die Fahrrad-, ÖPNV- und Bahninfrastruktur sollte ausgebaut werden und so gedacht werden, dass die Menschen auf dem Land direkt in großen Zügen Vorteile genießen. Es darf auf keinen Fall passieren, dass die Mobilitätswende ein Stadtprojekt wird und die Landregionen vergessen werden. Es muss alles zusammen gedacht und vernetzt werden.
Dabei sollten auch Fragen wie wir zukünftig wohnen und arbeiten wollen geklärt werden, denn ein großes Problem heutzutage ist ja, dass wir viel pendeln – der Arbeitsort liegt meist weit weg vom Wohnort.
Was würdet ihr jeder Person empfehlen, die sich gerne für eine nachhaltige Verkehrswende einsetzen möchte? Was kann jede*r Einzelne tun?
Engagiere dich in Lokalgruppen, die sich für eine Mobilitätswende einsetzen!
Egal was aktuelle PolitikerInnen erzählen, um kurzfristig Wählergunst zu erhaschen:
Der Ernst der Lage ist nicht ansatzweise begriffen worden!
Warnsignale gibt es derweil genug:
Alter Landes-Hitzerekord in Kanada von 1937 (!): 45 Grad
Nun, 2021: 49,5 Grad, also satte 45 Zehntel mehr! Für einen Allzeit-Landesrekord erschreckend viel,
und vergleichsweise ähnlich schockierende neue Rekordserien wie dort sind bei uns vor kurzem passiert.
Unterdessen enorme Wärmeüberschüsse in hohen nördlichen Breiten, als man in Deutschland
‚frierend‘ auf den Sommer wartete, und die Gletscher, auch in der Antarktis, sind deutlich mehr
in Gefahr als gedacht.
Wer die Zeichen versteht und begreift, setzt jetzt alles daran, ein LANGFRISTIGES Konzept mit
Hochdruck voran zu bringen, das beinhaltet: ECHTE Verkehrwende, UMFASSENDER Wasserstoffkreislauf,
Cradle-to-Cradle, …
Leider wird die Menschheit ihre eigene Blödheit und Kurzfristdenke nur ganz mühsam oder gar nicht
überwinden können. Aber: Aufgeben is nich, und es ist echt gut, dass Ihr so wichtige Debatten wie
’nachhaltige Verkehrswende‘ voran treibt! Danke dafür!
LG Armin
Warum heißt Grönland so ? Kommt von Grünland ! Die Wikinger betrieben dort Ackerbau, oder ?
Was sagt ihr zu S21 und der Bahnneubaustrecke Stuttgart-Ulm ? Das ist Wahnsinn, wie da die Landschaft umgebaut wird, wie viel Dreck da erzeugt wird. Und vor allem, alles wird mit dieselbetriebenen Baufahrzeugen erledigt. Es wird wahnsinnig viel grün in Beton umgewandelt. Und das für 10 Minuten schnellere Anbindung an den Flughafen Stuttgart. Warum kommt da nichts von Euch ?