Offener Brief an SPD-Spitze zu Borkum

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz, sehr geehrte Frau Esken, sehr geehrter Herr Klingbeil, sehr geehrter Herr Kühnert,

wir wenden uns an Sie, weil wir besorgt sind. Vor der deutsch-niederländischen Nordseeküste will der Gaskonzern ONE-DYAS ein neues Gasfeld erschließen. Für mindestens 18 Jahre soll dort klimazerstörerisches Erdgas gefördert werden – und nach den größten Protesten jemals auf der Nordseeinsel Borkum hat die SPD-geführte niedersächsische Landesregierung für diese unfassbare Klima- und Umweltzerstörung die Bohrgenehmigungen erteilt. Doch die finale Entscheidung – das Abkommen mit den Niederlanden über die Förderung – steht noch aus. Jetzt ist es an der Bundesregierung, diese Klima- und Umweltzerstörung inmitten der Nordsee zu stoppen. 

Jetzt ist der Moment, um zu zeigen, wie ernst Sie Ihre Bekenntnisse zum Klimaschutz wirklich meinen. Will die SPD im Jahr 2024 ernsthaft dabei zusehen, wie Deutschland entgegen aller internationalen Abkommen neue fossile Abhängigkeiten zementiert? Oder kommt die SPD ihrer klimapolitischen Verantwortung nach und stoppt die Klimazerstörung vor Borkum? 

Schließlich war es immer wieder die deutsche Bundesregierung, die in den vergangenen zehn Jahren auf internationaler Bühne mit dem Pariser Klimaabkommen, bei den Weltklimakonferenzen in Glasgow und Dubai den Ausstieg aus fossilen Energien vorangetrieben hat. Es ist auch die SPD-geführte Bundesregierung gewesen, die nach einer langen Flaute den Ausbau der Erneuerbaren Energien wieder angekurbelt hat, es war die SPD die mit dem Versprechen von einem “Kanzler für Klimaschutz” in den Wahlkampf gezogen ist und es ist die SPD, die diese Woche bei ihrem Klimadialog unter anderem über die eigene Rolle in der Klimakrise diskutiert. Ein neues Gasfeld, noch dazu in einem einzigartigen Naturschutzgebiet zu fördern, ist mit dem Anspruch, progressive Klimapolitik zu betreiben, unvereinbar!

Es ist offensichtlich: Wenn die SPD es mit dem Klimaschutz ernst meint, muss sie den klimazerstörerischen Gasbohrungen vor Borkum jetzt eine endgültige Absage erteilen. Angesichts der immer weiter eskalierenden Klimakrise, aber auch angesichts des populistischen öffentlichen Klimaschutzdiskurses sind Sie als gewählte Entscheidungsträger*innen besonders gefragt, klar Position für eine verantwortungsvolle, zukunftsfähige Politik zu beziehen. Wenn die SPD hier scheitert und die Gasbohrung nicht verhindert, verliert sie ihre  Glaubwürdigkeit in Klimafragen. Wer es wirklich ernst meint mit Klimaschutz, kann kein neues Gasfeld genehmigen, was so offensichtlich im Widerspruch zu den Klimazielen und internationalen Abkommen steht. Wer es wirklich ernst meint mit Klimaschutz, muss sich für Menschen und Klima entscheiden – und gegen die Interessen von fossilen Energiekonzernen. 

Wir sind besorgt: Der Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich bereits für diese katastrophale Klima- und Umweltzerstörung ausgesprochen. Dabei sind wir überzeugt, dass die SPD jetzt wie in den kommenden Legislaturperioden eine zentrale Rolle beim Ausstieg aus den fossilen Energien übernehmen kann. Es ist jetzt an der Zeit Mut zu beweisen und die bereits ablehnenden Stimmen aus der SPD-Fraktion und den Jusos gegen das Projekt hinter sich zu vereinen. Jetzt ist der Moment, in dem Sie zeigen können, dass die wohlklingenden Klimaschutzversprechungen aus dem Wahlkampf auch ernst gemeint sind. Jetzt können Sie zeigen, dass Deutschland seiner international vereinbarten Verantwortung nachkommt, aus den fossilen aus- und in Erneuerbare Energien einzusteigen. 

Lassen Sie den jahrelangen Protest der Inselbewohner*innen nicht stumm verklingen –  stellen Sie sich gegen die Klimazerstörung vor Borkum und verhindern Sie das Abkommen über die katastrophalen Gasbohrungen!

Wir glauben daran, dass die SPD für ambitionierte Klimapolitik stehen kann. Enttäuschen Sie uns nicht! 

Gezeichnet

Philipp Türmer, Vorsitzender der Jusos 
Luisa Neubauer & Carla Reemtsma, Fridays For Future

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