Sophia, warum muss der Kampf gegen die Klimakrise intersektionaler werden?

Rund um die Welt setzen sich Menschen auf vielfältige Weisen gegen eine Politik ein, die die Klimakrise anheizt und für eine menschenfreundlichere, nachhaltigere Gesellschaft. Dabei ist klar: um die Klimakrise zu überwinden, reicht kein Klein-Klein, wir brauchen strukturelle Veränderungen. Wir haben Aktivist*innen und Expert*innen nach ihren Ideen und Träumen für eine klimagerechte Gesellschaft gefragt. Im sechsten Teil unseres Sommer der Utopien erklärt Sophia, Aktivistin bei der Migrantifa for Future, warum der Kampf gegen die Klimakrise auch die Überwindung ungerechter Gesellschaftsstrukturen bedeuten muss und wie Wohlstand und Luxus neu definiert werden können.

Den Sommer der Utopien vor der Bundestagswahl möchte ich gerne dazu nutzen, um über intersektionale Themen im Kontext der Klimakrise zu schreiben. Wie ihr alle wisst, reicht es nicht aus, weniger Fleisch zu essen und ethisch zu konsumieren. Wir brauchen eine radikale und größere Umstellung auf eine solidarische und gerechtere Welt, in der alle gut und gesund leben können. Eine Welt, in der wir die Klimakrise verlangsamen können und unter dem 1.5°C-Limit bleiben. Eine Welt, in der wir vereint hinter der Wissenschaft stehen! Für diese Utopie schreibe ich über die Zusammenhänge von Intersektionalität und der Klimakrise aus meiner Perspektive als Aktivistin.

Im Laufe der industriellen Revolution entstand das internationale Gesellschafts- und Wirtschaftssystem Kapitalismus – was einherging mit einem schlagartigen Anstieg der Temperaturen und Emissionen im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Dies bedeutet, dass der Kapitalismus mit seinen Emissionen dem Planeten schon in seinen Anfängen geschadet und die Klimakatastrophe überhaupt erst ins Rollen gebracht hat. 

Dass der Kapitalismus Unterdrückungssysteme braucht, um zu funktionieren zeigt auch die durch Black Women begründete IntersektionalitätstheorieDiese besagt, dass Diskriminierungen ineinander verknüpft sind und daraus neue Diskriminierungen entstehen. So sind beispielsweise Black Women, die einerseits vom Patriarchat unterdrückt werden, auch von Rassismus betroffen.  

Nun stellt sich die Frage, wie Intersektionalität und die Klimakrise zusammen hängen.

Dies ergibt sich daraus, dass die Menschen im Globalen Süden, besser genannt MAPA’s am stärksten und am direktesten von der Klimakrise betroffen sind. MAPA‘s steht für Most Affected People and Areas und zählt zum Beispiel auch Inuits dazu, die in der Nähe der Arktis wohnen.

Der Zusammenhang offenbart sich schon heute: Laut einer UNICEF Studie sind eine Milliarde Kinder extrem schlimm durch die Klimakatastrophe gefährdet. Dies bedeutet, dass die Hälfte aller Kinder weltweit eine extrem starke und bedrohliche Gefährdung erleben.

Die Studie kategorisiert fünf Stufen der Bedrohung. 33 Länder, in der zusammen eine Milliarde Kinder leben, sind demnach am stärksten und am akutesten von der Klimakrise gefährdet. Dabei machen diese 33 Länder nur 9% der weltweiten Emissionen aus. Dazu muss gesagt werden, dass jedes Kind betroffen ist – gravierend ist jedoch der Unterschied, wie gefährdet sie sind. Deutschland liegt in diesem Ranking auf dem Rang 142 von 163.

Am meisten sind Kinder auf dem Kontinent Afrika bedroht z. B. in der Zentralafrikanische Republik, in Nigeria, im Tschad, Guinea und Guinea-Bissau. 

Zudem ist bewiesen, dass Menschen mit mehrfacher Diskriminierungserfahrungen z. B. MAPA-Personen, die von Sexismus und Rassismus betroffen sind, von der Klimakrise überdurchschnittlich bedroht werden.

Eines der Beispiele, wieso Frauen stärker von der Klimakrise betroffen sind, als cis Männer ist, dass die Dürre, Trockenheit und die immense Wälderabholzung die tägliche landwirtschaftliche Arbeit extrem erschweren. Diese landwirtschaftliche Arbeit wird meistens von Frauen verrichtet. International betrachtet sind Frauen häufiger als Männer in der Landwirtschaft tätig und haben somit unmittelbar mit der Vermeidung von Ernteausfällen zu kämpfen. Dazu muss gesagt werden, dass weltweit gesehen 20% des Landesbesitz Frauen gehört, aber bis 80% der Lebensmittel von Frauen produziert werden.

Dieses Beispiel zeigt wiederum, dass Frauen, die vom Patriarchat unterdrückt werden, zudem die finanziellen Ressourcen fehlen und häufig zusätzlich die Bildung. Auch hier zeigt sich der Zusammenhang von Intersektionalität und Klimakrise. 

Weil der Kampf gegen die Klimakrise und Intersektionalität zusammengedacht werden müssen, ist es auch nötig, Kritik zu üben an unseren Klimagerechtigkeitsbewegungen in Deutschland. Denn die Migrantifa for Future (ein Safe Space für migrantische Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Fluchterfahrung, BIPOC’s) existiert nicht ohne Grund. Hier könnt ihr nachlesen, wieso Intersektionalität auch in unseren Klimagerechtigkeitsbewegungen wichtig ist.

Meine Utopie von einer solidarischen und gerechten Gesellschaft bzw Welt, ist eigentlich so simpel. Ich möchte eine Gesellschaft, indem alle Menschen gut und gesund leben.In der keine Natur, keine Tiere, keine Menschen und nicht die Erde ausgebeutet wird. Dies bedeutet nicht, dass wir nie wieder Wohlstand oder Luxus genießen dürfen, sondern das der Wohlstand und Luxus neu definiert wird.

Nur als Beispiel zu nehmen: Zeit ist ein ungeheuerlicher Luxus, Zeit mit den Menschen zu verbringen die man aufrichtig liebt und wirklich mag. Das ist für mich eine andere Definition von Luxus und Wohlstand zu genießen. Zeit in der Natur zu verbringen, mit Hobbys, auf (klimaneutralem) Reisen, Zeit in die Dinge und Projekte zu investieren die man für sinnvoll erachtet und letztendlich auch Zeit in sich selber zu investieren. 

Zudem finden die Grundbedürfnisse eine höhere Gewichtung in dieser solidarischen und gerechten Welt, indem man kostenlos Gesundheit-und Grundbedürfnisse Versorgung genießen kann. Darunter fallen gemeinsame Projekte wie die kostenlose Küche für Alle oder auch kostenlose Gesundheitswesen wie Krankenhäuser für alle. 

Verpflichtungen werden gerecht aufgeteilt, unsichtbare Arbeit gibt’s nicht mehr. Es gibt eine gerechtere Aufteilung von Care-, Reproduktion- und Arbeiten für eine funktionierende Gesellschaft. Alles und jede*r wird gerecht entlohnt. Es gibt keine Gehaltsunterschiede bzgl Geschlecht, Herkunft, Behinderungen etc. mehr. Auch die Freizeit wird höher gewichtet, es gibt ein Grundeinkommen, sodass keine*r mehr arm ist und keine*r mehr auf die Straßen leben muss. Zudem gibt’s Beratungen, professionelle Hilfe in jeder Lebenslage genug für alle und auch kostenlos. 

Wie das alles kostenlos wird? Durch die gerechte Aufteilung von Kapital, durch eine andere solidarische Aufteilung damit alle gut und gesund leben können. Mobilität wird komplett auf die öffentlichen Verkehrsmitteln umgestellt, auf Fahrräder und klimaneutralen Fahrzeugen. 

Fossile Energien werden sofort gestoppt und Erneuerbare Energien werden ausgebaut, Erneuerbare Energien fließen nun in allen Lebensbereichen und in allen Regionen gleichermaßen ein wie z. B. im Gebäudesektor. 

Alle Unterdrückungssystemen werden aufgehoben und keine*r wird mehr diskriminiert. 

Generell herrscht Frieden, es gibt keine Kriege mehr. Wir leben in einer solidarischen und friedlichen Welt. 

Wir sehen uns auf der Straße! 

Für eine klimagerechte, friedliche, solidarische, feministische, antifaschistische, antirassistische Gesellschaft, wo Menschenrechte für alle Menschen gelten. 

Zur Autorin: Sophia Morad ist eine jahrelange Aktivistin aus vielen verschiedenen Bewegungen und Organisationen, von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Seebrücke bis zu Fridays for Future über feministische Bewegungen bis zur Friedensarbeit. Ihre Utopie ist eine klimagerechte, friedliche, feministische, antifaschistische und antirassistische Welt, in der Menschenrechte nicht nur auf dem Papier stehen.

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1 Gedanke zu “Sophia, warum muss der Kampf gegen die Klimakrise intersektionaler werden?

  1. Großartig, Sophia!

    Der Artikel bringt ganz wesentliche Zusammenhänge auf den Punkt!

    Nun kommt es nur noch darauf an, dass sich jedes einzelne Individuum in die Pflicht nimmt, jegliches Schubladendenken und vor allem -handeln zu unterlassen!

    Wir brauchen eine freundschaftliche Allianz ALLER Menschen, die das Juwel „Erde“ schätzen und erhalten möchten und eine friedliche Zukunft mit gleichen Perspektiven und Lebensbedingungen anstreben! Ausdrücklich erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang falsch verstandenen Feminismus, der beinhaltet, mit jemandem gar nicht erst zu reden, weil er in die Schublade „alter weißer Mann“ gesteckt wird, sowie die sehr geringe Integration bildungsfernerer Menschen in FFF.

    Ich schaue mir immer den einzelnen Menschen an und bilde mir ein Urteil – das dann keineswegs in Beton gegossen ist. Kommunikation hilft, wenn man sich wirklich kennen lernen will – und vor allem: Für die großen Ziele von Organisationen wie FFF kämpfen will! Für mich ist es beispielsweise schon immer selbstverständlich gewesen, die Unterdrückung und Benachteiligung von Frauen und/oder PoC nicht nur zu sehen, sondern auch als Schande zu empfinden. Dazu brauche ich weder Frau noch PoC zu sein!

    Wenn man kein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln möchte, bloß weil man Menschen in der falschen Schublade sieht, können wir die gerechte Welt von vornherein vergessen! Man muss, wenn man es wirklich ernst meint, auch darüber nachdenken, wie man wichtige Sachverhalte solchen Menschen erklärt, die – oft aus finanziellen Gründen – keinen hohen Bildungsstandard entwickeln können. Eine sehr wichtige Aufgabe, von der ich nicht den Eindruck habe, dass sie bei FFF so eingeordnet wird.

    Uneinigkeit in diesem Sinne schadet der Sache sehr. Unsere Gegner wird es freuen!

    Eine Passage aus Deinem Artikel möchte ich hervorheben:

    „Meine Utopie von einer solidarischen und gerechten Gesellschaft bzw Welt, ist eigentlich so simpel. Ich möchte eine Gesellschaft, in der alle Menschen gut und gesund leben. In der keine Natur, keine Tiere, keine Menschen und nicht die Erde ausgebeutet wird. Dies bedeutet nicht, dass wir nie wieder Wohlstand oder Luxus genießen dürfen, sondern das der Wohlstand und Luxus neu definiert wird.

    Nur als Beispiel zu nehmen: Zeit ist ein ungeheuerlicher Luxus, Zeit mit den Menschen zu verbringen die man aufrichtig liebt und wirklich mag. Das ist für mich eine andere Definition von Luxus und Wohlstand zu genießen. Zeit in der Natur zu verbringen, mit Hobbys, auf (klimaneutralem) Reisen, Zeit in die Dinge und Projekte zu investieren die man für sinnvoll erachtet und letztendlich auch Zeit in sich selber zu investieren.“

    Es rührt mich, diese Überzeugung eines mutmaßlich sehr jungen Menschen zu lesen!

    Ein großes Basisproblem der Menschheit ist es nämlich, Getriebene eines Systems zu sein, dessen Fokus keineswegs auf wirklich glücklich machenden Dingen wie von Dir aufgezählt liegt!

    Ich denke da auch an die junge Mutti, die ihren Kinderwagen fast vor ein fahrendes Auto lenkt, weil ihre ganze Konzentration auf dem Smartphone liegt. Man könnte je etwas Weltbewegendes verpassen …

    Ich denke an den armen Wicht, der mich auf der Autobahn „anschiebt“, weil es ihm bedeutend erscheint, ein paar Sekunden Zeit rauszuholen, selbst wenn das lebensgefährlich ist. Passiert insofern ganz selten, als ich fast nie Auto sondern fast immer Fahrrad fahre. Muss ich mal aus irgendeinem Grund ans Steuer, bereue ich es jedes Mal! Es ist echt nicht zufassen, wie in Deutschland gefahren wird!

    Ich denke an Menschen, die irgendwo gemütlich zusammen sitzen wollen (angeblich), aber eigentlich nur überlegen, was sie als nächstes irgendwo online stellen können.

    Leute, wir sind auf einem ganz fürchterlichen Weg! Würden alle so denken wie Sophia, wäre das nicht so!

    Befreien wir uns doch bitte aus dem aufgenötigten Hamsterrad und leben wir bitte wieder als Menschen zusammen! „In echt“ und nicht virtuell! Wissen wir doch bitte Zeit, Gemütlichkeit und Miteinander zu schätzen, aufrichtig gefühlt und genossen! Viele Menschen wissen schon gar nicht mehr, wie sich das anfühlt.

    Es wird Zeit, dass die Menschen sich über Werte und faire Chancen intensiv Gedanken machen und vehement einfordern, entsprechend leben zu können!

    LG Armin

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