In 14 Tagen um die Welt – Woche 37/38

Am 25.09.2020 ist ein wichtiger Tag für die Klimaschutzbewegung weltweit: Gemeinsam und vereint gehen wir auf die Straßen und zeigen so der Politik, dass die Bevölkerung eine effektivere Klimaschutzpolitik fordert. Die Nachrichten der letzten beiden Wochen zeigen, dass diese dringender ist, als je zuvor. Reisen wir um die Welt, um zu sehen, wie der Klimawandel diese schon jetzt verändert.

Romantisches Inferno

Ein (alb-)traumhafter Augenblick in San Francisco: Die Golden Gate Bridge in orangenen Himmel getaucht, das gelbe und weiße Licht schimmert fahl durch den Nebel des Pazifischen Ozeans…

Was wie auf den ersten Blick wie der erste Höhepunkt unserer Reise wirkt, ist die Fassade eines Infernos. In den USA schreiben die Waldbrände Feuer traurige Rekorde. In Kalifornien verbrannte eine Fläche von mehr als 8000 Quadratkilometern. Noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1903 haben Brände so viel Wald zerstört. Sechs der 20 Waldbrände zählen zu den schlimmsten der Geschichte Kaliforniens. Auch im Bundesstaat Oregon gerieten die Brände außer Kontrolle – so sehr, wie noch nie zuvor. Insgesamt brannte es auf 3.600 Quadratkilometern – eine Fläche, so groß wie Mallorca. Durch die Brände starben 33 Menschen, 500.000 Menschen sind derzeit aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Die Rauchsäule erreichte eine Höhe von 15 Kilometern Höhe und hüllte nicht nur San Francisco ein, sondern ließ mancherorts auch unseren Himmel zeitweise dunstig erscheinen und färbte die Sonnenauf- und Sonnenuntergänge rot. Und es brennt weiter, während wir unseren Blick in diesem Bericht nach Nordosten auf die Arktis richten.

Arktis in Gefahr

Während in den USA die Waldbrände einen traurigen Rekord brechen, weil sie riesig-große Flächen zerstören, findet in der Arktis auch ein trauriger Rekord statt, der allerdings mit einer verschwindend kleinen Fläche zu tun hat: Die mit Eisschollen bedeckte Fläche schmolz infolge mehrerer Hitzewellen auf eine Fläche von 3,8 Millionen Quadratkilometern zusammen. Dies ist die zweitkleinste Fläche seit Beginn der Beobachtungen vor 40 Jahren. Ursache hierfür waren eine Hitzewelle im Juli, die dazu führte, dass die Lufttemperaturen bis zu 6° C über dem Langzeitmittel der Jahre 1981 bis 2010 lagen. Dazu kamen die hohen Meeresoberflächentemperaturen, die in den russischen Randmeeren, in der Barentssee und der Tschuktschensee bis zu 4,5 Grad über dem Langzeitmittel lagen. Forscher*innen gehen davon aus, dass das Klima der Arktis sich bereits verschoben hat.

Setzt sich diese Entwicklung fort, so könnte es zum Eintritt des Kipppunkts Arktis kommen: Schmelzen die Eisflächen, so sinkt die Fläche, die das Meer bedeckt und das Sonnenlicht reflektiert. Geht diese Fläche zurück, absorbieren die Ozeane das Sonnenlicht und erwärmen sich. Dies trägt zum Schmelzen des verbliebenen Eises bei. Eine weitere Folge ist die Abschwächung oder gar das Verschwinden des Golfstroms.

Abschwächung des Golfstroms

Der Golfstrom transportiert im Atlantik 20 Milliarden Kubikmeter Wasser pro Sekunde und damit das Hundertfache der Wassermenge aller Flüsse dieser Erde zusammen. Motor des Golfstroms ist neben Winden der unterschiedliche Salzgehalt in den Ozeanen. In der Arktis ist dieser höher als in den südlicheren Meeren. Dieser Unterschied treibt den Golfstrom mit an. Schmilzt das Eis in der Arktis, so gelangen riesige Mengen Süßwasser in den Ozean und vermischen sich dort mit dem salzhaltigen Wasser. Die Konzentration des Salzes sinkt und damit der Unterschied der Salzgehalte. Der Golfstrom schwächt ab.

Dass diese Entwicklung stattfindet, bestätigt erneut eine Studie, welche auf die Entwicklung des Meeresspiegels an 46 Standorten der Atlantikkünsten in Florida und in der Karibik abstellt. Diese Studie nutzt hierbei den Coriolis-Effekt. Aufgrund ihrer Trägheit reagieren Teilchen, die sich bewegen, nicht auf die Erddrehung. Die Erde dreht sich unter ihnen weg. Es scheint so, als werden diese abgelenkt. Auf der Nordhalbkugel geht diese Ablenkung nach rechts, auf der Südhalbkugel nach links. Diesem Effekt unterliegt auch der Golfstrom. Das Wasser, das er transportiert, wird nach rechts abgelenkt. Deswegen ist der Meeresspiegel auf der rechten Seite seiner Strömung höher als auf der linken Seite. Schwächt der Golfstrom ab, so sinkt dieser Unterschied. Und genau das ergab der Vergleich der Meeresspiegelhöhen in der Studie: Der Golfstrom schwächt seit 1909 ab und in den letzten 20 Jahren in einem Maße, das es wahrscheinlich zuvor noch nie gegeben haben könnte.

Doch warum ist das Abschwächen des Golfstroms für Europa nun fatal? Mit seinen gigantischen Wassermengen transportiert der Golfstrom eine ebenso gigantische Wärmemenge. Ihre Energie soll 1,5 Petawatt betragen, das sind mehr als eine Million Gigawatt und entspricht der elektrischen Energie, die eine Million der größten Kraftwerke der Welt zusammen produzieren oder, um einen anderen Vergleich zu wählen, dem hundertfachen Energieverbrauch der Menschheit. Im Nordatlantik gibt der Golfstrom diese Wärme an die Atmosphäre ab. Ihr verdanken wir das milde und ausgeglichene Klima, das auf dem europäischen Kontinent herrscht. Schwächt sich der Golfstrom ab oder versiegt dieser ganz, so fällt diese Wärme weg. Dann trifft die Polarluft Europa immer stärker und schließlich mit ihrer geballten Kraft. Es bildet sich über Nordeuropa eine Kälteblase. Diese könnte einerseits bewirken, dass in Nordeuropa der Eintritt extremer Wettereignisse, wie z.B. Temperaturstürze von bis zu 30 Grad innerhalb weniger Stunden oder das Auftreten von Tornados möglich sein könnten, wie wir es in den USA sehen können. Denn dort sind große Teile des nordamerikanischen Kontinents dem plötzlichen Einbruch der Polarluft und heftigen Temperatur- und Druckunterschieden ausgesetzt. Anderseits wird eine Umlenkung der Jetstreams, die Feuchtigkeit mit sich führen, nach Süden befürchtet. Dies kann dann zu Hitzewellen führen.

Dass der Golfstrom noch nicht stärker abgeschwächt ist oder schon ganz verschwunden ist, könnte an einer weiteren Auswirkung des Klimawandels liegen, die ebenfalls mit der Erwärmung der Ozeane zu tun hat. Brechen wir nach Asien zum indischen Ozean auf.

Erwärmung des Indischen Ozeans

Der Indische Ozean erwärmt sich schneller als gedacht. Dies fanden Forscher*innen heraus, indem sie die Geschwindigkeiten von Erdbebenwellen, die sich im Wasser in Schallwellen umwandeln, in einer seismisch aktiven Zone vor Sumatra (Indonesien) miteinander verglichen. Der Vergleich ergab, dass sich der Indische Ozean durchschnittlich pro Jahrzehnt um 0.044°C (mehr als 400 Hundertstel Grad Celsius) erwärmte. Dies ist etwa 70 Prozent mehr, als bislang angenommen. Den Unterschied erklären sich die Forscher*innen damit, dass diese Methode genauer ist, als die Methode mit Bojen zu messen und dass die Erwärmung bereits in einer Tiefe von mehr als 2000 Metern stattfindet, die Bojen nicht erfassen können.

Die Erwärmung der Ozeane kann unterschiedliche Auswirkungen haben. Gesichert ist, dass sich mit der Erwärmung der Ozeane ihre Kapazität, CO2 aufzunehmen, verringert. Dies könnte den Klimawandel beschleunigen, denn über 90 Prozent der vom Menschen in die Atmosphäre freigesetzten Energie, wird von den Ozeanen der Erde aufgenommen. Sinkt infolge ihrer Erwärmung ihre Kapazität, CO2 aufzunehmen, verbleibt dieses in der Atmosphäre und verstärkt den Klimawandel. Es könnte sogar noch CO2 freigesetzt werden.

Gleichzeitig könnte diese Erwärmung der Grund dafür sein, dass der Golfstrom noch nicht zusammengebrochen ist. Die Erwärmung des Indischen Ozeans soll verantwortlich dafür sein, dass Niederschläge über dem in Nordeuropa
Atlantik ausbleiben. Dies soll die unterschiedliche Salzkonzentration, die ein Motor des Golfstroms ist, stabilisieren.

Heben sich damit die Auswirkungen des Klimawandels im Ergebnis gegenseitig auf und ist alles halb so schlimm? Diesen Schluss zu ziehen, könnte uns in trügerischer Sicherheit wiegen. Erwärmt sich auch der Atlantik, so könnte dieser Effekt verschwinden. Der Golfstrom könnte dann für uns unerwartet zusammenbrechen. Sofern der Klimawandel uns mit seinen Auswirkungen, die uns gegenteilig erscheinen, scheinbar Zeit gibt, müssen wir umso alarmierter sein: Sämtliche Kipppunkte stehen unmittelbar vor ihrem Eintritt und drohen sich gegenseitig auszulösen. Anstatt darauf zu wetten, es passiere nichts, müssen wir handeln.

Hurrikane an der US-Ostküste

Beenden wir unsere Reise, dort, wo wir sie begonnen haben, in den USA. Dort verwüsten nicht nur Waldbrände die Westküste, auch die Ostküste ist bedroht von Hurrikanen. So wütete gerade ein Hurrikan der Stufe 2. Gerechnet wird, dass das Zusammentreffen von La Nina und dem Klimawandel bis zum Ende der Hurrikansaison im November noch stärkere Hurrikane hervorbringen könnte. Letzte Woche betrug die Wassertemperatur vor der Küste Floridas 30 Grad, für Hurrikane, die ab 26° Grad entstehen können, traumhafte Bedingungen.

Unsere Reise zeigte, dass der Klimawandel längst Realität ist und unser Leben und Klima weltweit bestimmt und bedroht. Um das Eintreten der Klimakatastrophe zu verhindern, gehen wir am 25.09. weltweit auf die Straße. Denn auf die Bedrohung durch den Klimawandel kann es nur eine Antwort geben: internationale Klimagerechtigkeit. Diese fordern wir am 25.09. ein. Sei dabei!

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