Dr. Gesa Maschkowski, wie sieht die Ernährung der Zukunft aus?

Blick aus der Zukunft

von Dr. Gesa Maschkowski, aktiv bei S4F Köln/Bonn

Wenn wir über Klimaschutz sprechen, kommt das Gespräch nicht selten irgendwann auf das Thema Ernährung. Kein Wunder: Wie wir uns ernähren ist eine zukunftsweisende Frage – aber auch ein heißdiskutiertes Thema. Dr. Gesa Maschkoswski, Expertin für Ernährungstransformation, sagt: Eine nachhaltige Ernährung, die die Natur erhält und durch die alle satt werden, ist möglich. In Teil 14 unseres „Sommers der Utopien“ nimmt sie uns mit auf eine Zeitreise in die Zukunft und zeigt auf, welche politische Rahmenbedingungen und konkreten Maßnahmen für eine solche Ernährungstransformation nötig sind. 

2020 Jahr war der Beginn der große Ernährungstransformation: Gleich drei umfangreiche Studien kamen zu dem gleichen Ergebnis: 

Wir können auf unserer Erde 10 Milliarden Menschen ernähren, nachhaltig, gesund und dabei die Natur erhalten, die Böden regenerieren. Und das braucht mehr als kluge Ernährungsempfehlungen und ein paar Pionierprojekte. Es braucht eine nationale Ernährungsstrategie für ein nachhaltiges Ernährungssystem. Daran müssen allen gesellschaftlichen Gruppen mitarbeiten: Landwirt:innen, das Lebensmittelhandwerk, die Händler:innen, die Köche, Bildungseinrichtungen, Verbraucherverbände, Kultur, Politik, die Wissenschaft, die Jungen, die Alten, die Armen, die Reichen. Denn gutes gesundes Essen aus einer intakten Natur muss es für alle geben. Und sie muss bestens koordiniert werden. So startete 2021 die große Ernährungstransformation. Aus einer großen Herausforderung wurde ein großes Kooperationsprojekt, das allen gut tat: Den Landwirt:innen, den Lebewesen über und unter der Erde, den Menschen und dem Planeten. Es war eines der größten Bildungs und Transformationsprogramme seit dem 2. Weltkrieg – es war der Marshallplan für ein nachhaltiges Ernährungssystem. Doch der Reihe nach:

Was haben wir 2020 verstanden?

Wir haben verstanden: Wir können 10 Milliarden Menschen klimafreundlich und gesund ernähren mit:

  • mehr als doppelt so viel Obst und Gemüse, Hülsenfrüchte und Nüsse auf unseren Äckern und Tellern
  • einer humusfördernden Landwirtschaft, die CO2 und Wasser in der Erde, in Bäumen und in Hecken speichert
  • durch weniger Verarbeitung, Verpackung, Transport und Lebensmittelabfälle
  • mit 75 % weniger Tieren. Die wiederum wurden artgerecht und im Freiland gehalten. Auf diese Weise konnten sie dazu beitragen CO2 zu binden und wertvollen Dünger für unsere Ackerflächen zu liefern. Denn auch Bodenlebewesen brauchen Futter (1).

Billiglebensmittel kamen uns teuer zu stehen – das musste aufhören (2).  

Der Gesetzgeber hatte 2020 endlich verstanden, dass Billiglebensmitteln in Wahrheit viel zu teuer sind. Denn Verbraucher:innen bezahlten ihre Lebensmittel gleich dreimal. Sie finanzierten Subventionen für eine intensive Landwirtschaft, sie bezahlten den Laden-Preis im Geschäft und schließlich wurden sie ein drittes Mal versteckt und auf Umwegen zur Kasse gebeten. Die wahren Kosten standen 2021 noch nicht auf dem Preisschild. Die wahren Kosten für die Lebensmittel wurden über Steuern finanziert, Abgaben oder Krankenkassenbeiträge. Oder einfach auf die Natur verlagert, auf Menschen im globalen Süden oder  auf nachfolgende Generationen. Das war nichts anderes als Wettbewerbsverzerrung. Denn Unternehmen die auf Kosten der Natur und der Menschen wirtschafteten hatten in diesem System einen Wettbewerbs-Vorteil. Das musste ein Ende haben. Denn Natur und Mensch zogen auf Dauer den Kürzeren. Daher wurde im Jahr 2022 die True Cost Berechnung verpflichtend eingeführt. Jeder Unternehmer, der Kosten auf die Allgemeinheit verlagerte musste diese künftig ausweisen. Nur  so konnte ein echter und fairer Wettbewerb entstehen. Preisschilder waren dann zum Beispiel so ausgestaltet:

Information zur Fairness und Transparenz:

  • Dieses Schnitzel verkaufen wir ihnen für 2,99
  • In Wahrheit zahlen Sie für dieses Schnitzel aber 5,99. Diese Kosten entstehen nicht im Laden sondern im Gesundheitssystem und in der Kläranlage
  • Ein Bioschnitzel kostet Sie insgesamt nur 3,99

Das Ziel. Die Landwirtschaft als Vorreiter

Im Jahr 2021 war auch klar: Wenn wir die Klimaziele von Paris einhalten wollen, dann muss die gesamte  Landwirtschaft bis 2039 mehr CO2 binden als emittieren. Davon waren wir alle abhängig. Und das hat sie tatsächlich geschafft. Deutschland wurde Vorreiter mit einem unglaublichen Bildungs- und Transformationsprogramm. Das gesamte Bildungs- und Beratungsprogramm, Schulen, Landwirtschaftskammern, Bioverbände arbeiteten daran, das Landwirt:innen in die Lage versetzt wurden mit intelligenten  Anbautechniken mehr Humus aufzubauen und genau die Lebensmittel anzubauen, die wir für ein nachhaltiges Ernährungssystem brauchten, nämlich 150% mehr Nüsse, 70% mehr Erbsen, Bohnen und Linsen und doppelt so viel Obst und Gemüse. Das gelang durch eine vielfältige biodiverse und regenerative Landwirtschaft. Die Umstellung war verbunden mit einen Bildungsprogramm das deutschlandweit bis in jedes Dorf ausgerollt wurde. Gemeinden und Städten richteten ihre gesamten Lebensmitteleinkauf so aus, dass sie zu 90% Bio und regionale Lebensmittel einkauften. In jeder Kommune entstanden regionale Wertschöpfungszentren in denen bioregio Lebensmittel angeliefert und verarbeitet wurden. Arbeitsplätze entstanden, außerschulische Lernorte, Bildung und Qualitätssicherung,  kurz regionale Wertschöpfung. Die neue ökologische und sozialverträgliche Lebensmittelproduktion wurde zum tragenden Wirtschaftsfaktor (3).

Schluss mit der Moralkeule (4)

Im Jahr 2021 war auch klar: Realitätsferne  Empfehlungen wie „Esst mehr Obst und Gemüse“ hängen allen Menschen zum Hals raus, denn:  theoretischen Appelle sind wirkungslos, wenn es die Produkte und die Angebote gar nicht gibt. Ziel der gesamten Ernährungs-  und Agrarbildung war es also, allen Menschen ein einfaches und leicht zugängliches Angebot an Lebensmitteln aus einer intakten Natur bereit zu stellen. Die Lösungen waren kreativ und vielfältig: In allen Städten entstanden fußläufig Erzeugermärkte. Auf jedem Markt gab es 25 Produkte zu einem günstigen Preis. In Deutschland wurde  – genauso wie in Brasilien – das Recht auf eine kostenfreie Schulmahlzeit eingeführt, die zu 70% aus regionalen Produkten bestehen musste und zu 40% frisch gekocht war. In allen öffentlichen Kantinen, in Krankenhäusern, Altenheimen, etc. wurden zu mindestens 60% regionale Biolebensmittel eingesetzt. Damit hatten die Landwirte wieder sichere Absatzkanäle und in den Küchen entwickelten sich nicht nur KnowHow, sondern auch Stolz und Freude über das gute Essen, das angeboten werden konnte. Schulgärten, Schulküchen und Schulbauernhöfe wurden zur Selbstverständlichkeit für alle Kinder. Auf Agrikulturfestivals lernte man die neusten Produzent:innen und Projekte kennen. Essbare Stadtteile waren die Basis für ein neues gesellschaftliches Miteinander. Das gute Essen und das gute Leben gingen Hand in Hand. Kurzum: Die große Ernährungstransformation führte zu einer fröhlichen öffentlichen Ernährungskultur, an der alle teilhaben konnten.

Kooperation und Prozessbegleitung für ein Ernährungssystem der Zukunft (5)

All das war natürlich kein Selbstläufer, denn gute Zusammenarbeit fällt nicht vom Himmel. Sie muss organisiert werden. Das war auch  nach vielen wirkungslosen Tagungen und Konferenzen klar. So hatte der UN Generalsekretär Antonio Guiterrez Ende 2020 einen weltweiten Aufruf gestartet mit den Worten „Die Menschheit führt einen Krieg gegen die Natur – das ist zerstörerisch“ (6). Er appellierte an die Nationen der Erde, dass auch das Ernährungssystem einen Beitrag zu einer nachhaltigen Welt leisten müsse und lud zum Welternährungsgipfel ein. Diesem Aufruf folgten viele Länder und diskutierten im September 2021 wie das globale Ernährungssystem in 9 Jahren, nämlich bis 2030 nachhaltig werden könnte. Auch Deutschland leistete dazu einen Beitrag. Die zentralen Empfehlungen des deutschen Expertenhearings für den Welternährungsgipfel waren:

  • Die Klima- und Ernährungskrise wird angemessen bearbeitet. Dafür gibt es eine ressortübergreifende Einheit. Sie entwickelt eine Ernährungsstrategie, die alle gesellschaftlichen Gruppen einbezieht, Maßnahmen einfordert und die Fortschritte überprüft.
  • Die nationale Ernährungsstrategie enthält klare Ziele und einen Aktionsplan.
  • Politische Maßnahmen stärken eine ökologische, standortgerechte und sozialverträgliche Landwirtschaft – das ist mehr als CO2 reduzieren.
  • Handel und Verarbeitung leisten ihren Beitrag und arbeiten mehr dezentral. Es wird mehr in Kreisläufen gedacht und gearbeitet. Das Stichwort heißt “Circular Society”. Es gibt gemeinwohlorientierte Zertifizierungen. (7)

So kam es, dass die besten Prozessbegleiter gesucht wurden, um eine nationale Koordinierungsstelle aufzubauen, die diesen hoffnungsvollen und vielversprechenden Prozess in Gang setzten, denn eins ist klar. Essen ist eines der schönsten Dinge der Welt – noch wichtiger als Fliegen.

Hinweis: Dieser Artikel beruht auf wissenschaftlichen Forschungsergebnissen. Die Schlussfolgerungen und die Konsequenzen sind aber noch nicht real. Weder gibt es eine  Verpflichtung zum True Cost Accounting noch eine nationale Ernährungsstrategie oder eineressortübergreifende Koordinierungsstelle. Es gibt  bis auf Berlin – auch noch kein kostenfreies Schulsessen oder keinen Erzeugermarkt fußläufig in ganz Deutschland. Ob sich das ändert, das liegt in unserer Hand.

Über die Autorin: Dr. Gesa Maschkowski forscht und arbeitet zu Ernährungstransformation. Sie ist Transition Trainerin, Dozentin,  Mitgründerin der SoLaWi Bonn, Mitgründerin von „Bonn4Future-Wir fürs Klima“ www.bonn4future.de  und aktives Mitglied der S4F Regionalgruppe Köln Bonn. 

(1) https://www.bzfe.de/nachhaltiger-konsum/grundlagen/nachhaltige-ernaehrung/https://eatforum.org/eat-lancet-commission/eat-lancet-commission-summary-report/

(2) https://www.bzfe.de/nachhaltiger-konsum/grundlagen/true-cost-wahre-kosten/

(3) https://www.bzfe.de/service/news/aktuelle-meldungen/news-archiv/meldungen-2017/oktober/regionale-wertschoepfung-statt-gewinngrabbing/

(4) https://www.ernaehrungswandel.org/informieren/artikel/detail/appell-fuer-eine-grosse-ernaehrungstransformation

(5) https://www.bzfe.de/nachhaltiger-konsum/grundlagen/wege-zu-nachhaltigen-ernaehrungssystemen/

(6) https://news.un.org/en/story/2020/12/1079032

(7) https://www.bzfe.de/nachhaltiger-konsum/grundlagen/wege-zu-nachhaltigen-ernaehrungssystemen/

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1 Gedanke zu “Dr. Gesa Maschkowski, wie sieht die Ernährung der Zukunft aus?

  1. Hallo Futurepeople. 10 Milliarden sind echt zu viele aber dat Problemchen kann Mann u Frau ganz einfach lösen. Naaa? Verhüten und Nachhaltig sich vermehren. Nur ein Vorschlag zum Thema ,Ernährung von den Bewohnern der Erde. Und bitte nicht wieder auf andere Länder mit dem Fingern zeigen genau so wie beim Umweltschutz. Wenn es keine Rente für die Menschen gibt,braucht Opa u Oma nun mal Geld von den vielen extra dafür !!! gezeugten Kindern. Eine Folge von massiver Ausbeutung von uns Hochindustrie Ländern. Fakt. Aufgeräumt wird auch erstmal zuhause, auf dem Hof, in den Hecken und Wäldern des Eigenen Landes. Z.B. Kompostieren von allen Pflanzlichen Abfällen für neue Erde oder in die Biogasanlage( seit15 Jahren in Dänemarks Gemeinden) bringen für günstigen Strom,den wir brauchen. Die Archevereine machen seit Jahren genau so eine Arbeit; Samenzucht (alte Sorten u Samenechte Pflanzen )von super Gemüsen zur selbst Versorgung. Es gibt unendlich viel Möglichkeiten, nur müssen! wir alle ran und nicht nur ein paar Optimisten . Danke u weiter machen!!!

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