Die UN-Klimakonferenz ist heute in die zweite Woche gestartet. In den kommenden Tagen werden die Minister*innen die Verhandlungen weiterführen, die von den Delegationen bereits vorbereitet wurden. Sie müssen am Ende eine Abschlusserklärung aushandeln, die von allen teilnehmenden Ländern unterzeichnet wird. Keine leichte Aufgabe, denn der aktuelle Entwurf für die Finanzierung der 1,3 Billionen USD (für Klimaschutz und -anpassung, sowie “Loss & Damage”) ist noch immer noch viel zu lang und in über 150 Passagen herrscht noch Uneinigkeit. Die Verhandlungen zur Mitigation (also Klimaschutz und Emissionsreduzierung) können sogar gar nicht mehr zu Ende gebracht werden, weil es zu keiner Einigung kam (aber dazu gleich mehr).
Mehr als coole Armbänder: Habeck und das Geld
Für Deutschland ist heute auch Robert Habeck angereist. Er lässt sich aber nur einen Tag blicken — mehr war wohl nicht drin. Wir haben die Gelegenheit direkt genutzt, um uns unseren Wirtschaftsminister vorzuknüpfen und haben ihm nochmal erklärt, dass neue Gasbohrungen vor Borkum und in Bayern eine richtige Scheiß-Idee sind.
Im Gepäck hatte Habeck ein neues Förderinstrument, mit dem Geld in einen Klima-Investitionsfond der Weltbank fließen soll. Deutschland stellt dafür 220 Millionen USD bereit. Zum Vergleich: fossile Projekte hat Deutschland dieses Jahr mit 35 Milliarden Euro subventioniert. Die Prioritäten sind also klar gesetzt. Gemeinsam mit Großbritannien und Kanada sowie mit Mitteln aus internationalen Klimafonds sollen insgesamt 1,3 Milliarden USD zusammenkommen. Auch die Privatsektoren der G20-Länder sollen für Zahlungen angeworben werben. In Anbetracht der benötigten 1,3 Billionen ist Habecks Mitbringsel also eher ein Tropfen auf den heißen Stein. Ansonsten hat der grüne Kanzlerkandidat nochmal betont, dass auch China, Saudi-Arabien und Katar sich an den 1,3 Billionen beteiligen sollen. Sein Besuch war somit eher symbolisch.
Die “Regel 16”: Trick 17 für Verhandlungsstopps
Seit über einer Woche wird jetzt auf der COP verhandelt. Das ist, wie wir alle wissen, nicht ganz einfach und wirkt von außen betrachtet oft chaotisch. Um die Verhandlungen aber doch koordiniert ablaufen zu lassen, gibt es viele Regeln. Diese wurden in der UN-Klimarahmenkonvention UNFCCC festgehalten. Von der Häufigkeit der Konferenzen über die Frage, wer teilnehmen darf, bis hin zum Festlegen der Tagesordnung wird dort praktisch alles geregelt, was eine Klimakonferenz ausmacht.
Aber: Eine Regel macht es besonders schwer, mit starken Ergebnissen aus einer solchen Konferenz zu gehen – Regel Nummer 16. Sie legt fest, dass ein Punkt, bei dem sich die Verhandler*innen nicht einig werden, auf die nächste Verhandlung verschoben wird.
Genau dieser Fall ist in Baku jetzt eingetreten: beim Mitigation Work Programme (MWP), einem der wichtigsten Instrumente der COPs. Dabei geht es um Klimaschutz und Emissionsminderungen, also die Hauptthemen der Klimakonferenzen. Die Gruppe der sogenannten LMDCs (Like Minded Developing Countries), das sind zum Beispiel Saudi-Arabien, Indien und Bolivien, blockiert die Verhandlungen, während sich die EU, USA, UK, Kanada, Australien, Japan und ein Zusammenschluss von Inselstaaten (AOSIS) für die Weiterführung in dieser zweiten Woche der COP einsetzen.
Die Verhandlungen laufen schon sehr schleppend, und wie jedes Jahr ist es extrem schwer, alle verhandelnden Staaten zu einem gemeinsamen Ergebnis zu bringen. Deshalb ist es fatal, dass jetzt auch noch Regel 16 angewandt wurde. Es geht nämlich um nichts Geringeres als darum, den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu konkretisieren. Sollte in Baku nicht weiter über das Mitigation Work Programme verhandelt werden, wird erst kommenden Juni bei weiteren Treffen darüber gesprochen. So werden wichtige Maßnahmen und echter Fortschritt unnötig verzögert.
Lecks, Gas und Pipelines
Bei der diesjährigen COP rückt ein Treibhausgas in den Fokus: Methan. Klimapolitisch wird es oft stiefmütterlich behandelt – fälschlicherweise. Bei der letzten COP wurde sich auf ein gemeinsames Engagement gegen Methanemissionen geeinigt – doch ein jetzt veröffentlichter Bericht der UN zeigt hier klaffende Lücken auf.
Das Global Methane Pledge – und die Lecks.
Mit der Unterzeichnung des „Global Methane Pledge“ auf der COP28 verpflichteten sich über 150 Mitgliedstaaten, ihre Methanemissionen bis 2030 um 30 % zu reduzieren. Ein Jahr später bleibt die Umsetzung weit hinter den Versprechungen zurück, Methanemissionen erreichen sogar ein Rekordhoch seit 2019. Besonders sogenannte “Methanlecks” torpedieren das Vorhaben: unentdeckte und unkontrollierte Emissionen, die weltweit auftreten. Obwohl die Internationale Methanbeobachtungsstelle (IMEO) 1.200 Ereignisse dokumentiert hat, führten weniger als ein Prozent der Alarme zu Maßnahmen. Besonders die größten Emittenten, die stark von fossilen Brennstoffen abhängig sind, zeigen kaum Engagement. Der Pledge droht, zu einem weiteren Papiertiger zu mutieren, wenn sich jetzt nichts ändert.
Und wer ist schuld?
Die Öl- und Gasindustrie trägt mit Abstand die größte Verantwortung: 83 % der Methanemissionen entstehen hier durch Lecks, ineffiziente Methanfackeln und Pipelineverluste. Doch auch die Stahlproduktion rückt zunehmend in den Fokus. Bei der Verwendung von Metallurgiekohle entsteht hier Methan als Nebenprodukt – diese Quelle wurde bisher oft übersehen, weil die Stahlindustrie primär für ihre hohen CO2-Emissionen bekannt ist.
Und was jetzt?
Um Methanemissionen effektiv zu reduzieren, braucht es vor allem eine grundlegende Transformation der Industrie – insbesondere der fossilen Energie- und Stahlunternehmen. Gleichzeitig muss die Förderung und Produktion fossiler Brennstoffe strengen Auflagen unterliegen: verbindliche Methan-Standards, regelmäßige unabhängige Kontrollen und harte finanzielle Sanktionen bei Nichteinhaltung. Diese Maßnahmen sollten vor allem die größten Methan-Emittenten wie die USA, Russland, Iran und Turkmenistan, aber auch alle anderen Industriestaaten stärker in die Verantwortung nehmen.
G20 bringen Schwung in die Verhandlungen
“Climate finance progress outside of our process is equally crucial, and the G20’s role is mission-critical” – Simon Stiell
In Brasilien findet derzeit das Treffen der G20 (der 20 “wichtigsten” Industrie- und Schwellenländern) statt. Im Vorfeld war die Hoffnung groß, dass dieses Treffen einen Durchbruch in den stockenden Finanzverhandlungen herbeiführen könnte.
Die Verhandlungen auf der COP kreisen von Anfang an um eine Frage – wer soll die 1,3 Billionen USD bezahlen, mit denen der Topf zur Klimafinanzierung ab nächstes Jahr gefüllt werden soll? Industriestaaten wie Deutschland, die den derzeit existierenden Topf finanzieren, betonen, dass die Summe von 1,3 Billionen nur möglich ist, wenn auch Staaten wie China und Saudi-Arabien mit in den Topf einzahlen. Das ist bisher nicht der Fall, denn laut UN-Regelung gelten China und die Golfstaaten immer noch als Entwicklungsländer. Das heißt, sie würden eigentlich auf der Empfängerseite des Geldes stehen, und nicht wie die UN-Industriestaaten auf der Geberseite! Diese Position wollen China und Co. natürlich nicht aufgeben. Fakt ist aber: Die UN-Regelungen sind diesbezüglich absolut veraltet. Länder wie China und Saudi-Arabien sind wirtschaftlich enorm gewachsen und sind deutlich wohlhabender als noch in den 90er Jahren (als die UN-Einteilung in Industrie- und Entwicklungsländer vorgenommen wurde). In vielen Fällen auch aufgrund von Gas-, Öl- und Kohleexporten, die die entsprechenden Länder gut situiert zurückgelassen haben.
Solange diese Frage nicht geklärt wird, ist eine Abschlusserklärung immer noch nicht in Sicht. So blickten die COP-Verhandler*innen mit Spannung auf das Treffen der G20, in der Hoffnung, dass die Staaten in kleinerer Runde eine Lösung finden könnten. Und tatsächlich, jetzt gibt es einen fragilen Konsens!
Medienberichten zufolge einigten sich Unterverhandler*innen Sonntagmorgen auf einen Text, in dem sich auch die Entwicklungsländer (gemeint sind China, die Golfstaaten und Co.) zu einem freiwilligen Beitrag zur Klimafinanzierung bekennen. Die Betonung liegt hier auf “freiwillig”! Denn das ist leider noch weit weg von den verpflichtenden Zahlungen einzelner Staaten, die es dringend bräuchte. Aber immerhin ein kleiner Fortschritt in den bisher sehr festgefahrenen Verhandlungen.