Offener Brief zur EU-Klimapolitik an die Bundesregierung

Sehr geehrter Herr Merz, sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung,

Die Rekord-Waldbrände im Sommer 2025 haben eine dramatische Erinnerung daran gesendet, dass Europa der sich am schnellsten erhitzende Kontinent ist. Im Durchschnitt der letzten 10 Jahren lagen die Temperaturen hier bereits um 2,1 Grad wärmer als im vorindustriellen Zeitalter – und die Kurven zeigen steil nach oben. Dies bedeutet mehr Hitzetote, mehr Schäden durch Wetterextreme, mehr Ernteausfälle und Wasserknappheit in Teilen Europas. Wir Menschen können uns nur sehr begrenzt an diese Folgen anpassen – unser bester Schutz ist es, die Erderhitzung so schnell wie möglich zu stoppen. 

Gesetzliche Klimaziele spielen dabei eine entscheidende Rolle für eine verlässliche Politik. Sie geben den Rahmen für die nachgelagerten Gesetze vor – und damit die Grundlage für unternehmerische und individuelle Entscheidungen. 

Die Wissenschaft ist eindeutig: Es braucht eine Emissionsreduktion um 90-95% bis 2040. Der wissenschaftliche Klimarat der EU (ESABCC) hat in einem umfassenden Gutachten dargelegt, dass die EU, um einen annähernd fairen Beitrag der EU zum Pariser 

Klimaabkommen zu leisten, ihre Emissionen bis 2040 um 90%-95% gegenüber 1990 reduzieren muss. Diese Emissionsreduktion um 90%-95% innerhalb der EU müsse zudem damit einhergehen, andere Staaten dabei zu unterstützen, ihre Emissionen zu senken. Der Kommissionsvorschlag bleibt bereits hinter diesen Anforderungen zurück – und ist daher als das absolute Minimum zu betrachten.

Eine Emissionsreduktion um mindestens 90% ist auch machbar. Zugleich hat der ESABCC festgestellt, dass eine Emissionsreduktion um 90% bis 2040 unter Einhaltung der technologischen und nachhaltigen Grenzen möglich wäre. Deutschland könnte sogar eine Reduktion um 93 % schaffen, wenn Sie als Bundesregierung jetzt weitere Maßnahmen ergreifen würden. Letzteres ist in jedem Fall nötig; in allen Sektoren braucht es echten politischen Willen, konkrete Maßnahmen und klare Fahrpläne.

Ohne Klimaziel riskiert die EU ihre internationale politische Glaubwürdigkeit. Auch über Europa hinaus ist das 2040er-Klimaziel von großer Bedeutung. Die EU wäre bereits im Februar verpflichtet gewesen, ihr Klimaziel für 2035 auf UN-Ebene anzumelden – bislang gibt es nur eine schwammige Absichtserklärung mit einer Spanne. Das 2035er-Ziel sollte aus dem 2040er-Ziel abgeleitet werden – umso wichtiger ist es, dass Sie im Rat noch vor der COP30 in Bélem eine Entscheidung zu beiden Zielen treffen. Gerade nach dem Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen ist ein starkes Klimaziel der EU, des viertgrößten Emittenten weltweit, wichtig, um wieder eine positive internationale Dynamik auszulösen.

Wir fordern Sie daher auf, im Rat für ein EU-weites 2040er-Ziel von mindestens 90% einzutreten und den Prozess nicht weiter zu verzögern.

Deutschland ist der größte Mitgliedsstaat und der größte Emittent in der EU – Ihre Stimme ist entscheidend.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Roda Verheyen (Rechtsanwältin)
Prof. Dr. Stefan Rahmstorf (Universität Potsdam)
Prof. Dr. Friederike Otto (Imperial College London)
Prof. Dr. Carl Friedrich Schleussner (Humboldt Universität)
Dr. Sascha Samadi (Energiesystemforscher)
Dr. Jens Clausen (Borderstep Institute)
Dr. Leon Scheiber (Helmholtz-Zentrum Hereon)
Carla Reemtsma (Fridays for Future)
Linda Kastrup (Fridays for Future)
Luisa Neubauer (Fridays for Future)

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