COP Daily Tag 10 | (K)ein Ende in Sicht

Der vorletzte Tag der COP – normalerweise laufen jetzt die Verhanldungen auf Hochtouren. Aber die COP Präsidentschaft aus Brasilien hatte verkündet bereits heute schon erste Abstimmungsergebnisse vorweisen zu wollen. Bisher muss sich aber noch ein bisschen gedultet werden…

Warten auf ergebnisse

Am Montag hatte die COP-Präsidentschaft angekündigt, heute (am Mittwoch) die ersten finalen Texte zu beschließen. Dafür ist heute noch einmal Brasiliens Premierminister Lula angereist. Er nimmt die Verhandlungen selbst in die Hand und hat sich über den Tag mit den Delegationen verschiedener Länder getroffen, darunter China, Indien und Indonesien. 

Stand jetzt laufen die Verhandlungen noch und es gibt noch keine Ergbenisse. Eigentlich steht heute der Beschluss der Cover Decision an (eine Art Präambel quasi), ein Absatzam Anfang der Abschlusserklärung, der großen Einigungen der COP zusammenfasst. Die Verhandlungen dürften vermutlich noch die ganze Nacht andauern. 

Derzeit dauern die Verhandlungen noch an, Ergebnisse liegen bislang nicht vor. Eigentlich sollte heute die sogenannte Cover Decision beschlossen werden, ein Einstieg in die Abschlusserklärung, der die zentralen politischen Einigungen der COP zusammenfasst. Doch aktuell sieht es so aus, als würden die Verhanldungen noch bis spät in die Nacht andauern.

Die großen Streitpunkte sind seit dem ersten Tag der Konferenz bekannt:

  • Finanzierung: Wie viel Geld sollen wohlhabende Staaten ärmeren Ländern für Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen bereitstellen?
  • Transparenz: Wie wird die Klimafinanzierung eingesetzt, und sollen die Empfängerländer verpflichtet werden, regelmäßig darüber zu berichten?
  • Nationale Klimapläne (NDCs): Reichen die Pläne der Staaten aus, um das 1,5-°C-Ziel des Pariser Abkommens einzuhalten? (Spoiler: Derzeit tun sie das nicht.)
  • Handel: Vor allem der EU-CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) sorgt für Konflikte. Dabei handelt es sich um einen zusätzlichen Zoll auf CO₂-Emissionen, die bei der Produktion importierter Güter entstehen – ein zentrales Element im EU-Emissionshandel. Viele Länder empfinden den Mechanismus jedoch als ungerecht und kritisieren ihn entsprechend.

Und auch der TAFF bleibt natürlich ein wesentlicher Streitpunkt.

Quellen:
https://www.focus.de/earth/weltklimakonferenz/und-ploetzlich-mischt-sich-brasiliens-praesident-wieder-auf-der-cop-ein_519a1f8a-2500-41e3-a3f2-fb60b38e725b.html
https://climatediplobrief.substack.com/p/climate-diplomacy-brief-cop30-day-b4b

TAFF Update

Es könnte am Ende ein großer Durchbruch werden: Der Vorschlag eines Fahrplans zum Ausstieg aus fossilen Energien (TAFF = Transition Aways From Fossil Fuels) ist überraschend zu einem der zentralen Themen auf der COP geworden. Deswegen haben wir auch heute für die Einführung des TAFF protestiert. Seit einer Pressekonferenz gestern haben sich inzwischen 84 Nationen hinter die Forderung gestellt – darunter neben Ländern des globalen Südens wie Kolumbien auch Industrienationen wie Großbritannien. 

Die Verhandlungen sind verfahren: Der ambitionierten Initiative steht wie in den Vorjahren starker Widerstand entgegen. Während bei der Weltklimakonferenz in Dubai 2023 noch ein “Umstieg” beschlossen wurde, konnten bei den Verhandlungen bei der COP29 in Baku vor einem Jahr keine konkreten Maßnahmen oder Ziele für die Resolution festgelegt werden. So stand der fossile Ausstieg bisher komplett unkonkret und völlig zahnlos da. 

Dass der TAFF seit gestern so direkt verhandelt wird, ist aber schon ein unerwarteter Erfolg: Das Gastgeberland Brasilien hatte den Ausstieg aus fossilen Energien nicht einmal auf die Agenda für die Konferenz gesetzt. Auch während der presidential consultations wurde das Thema ausgespart. Jetzt scheint die Diskussion mit neu entfachen Momentum ins Rollen zu kommen.

Überraschend ist: Trotz Gasausbau, Verbrennerpolitik und aufgeweichten EU-Klimazielen unter Kanzler Merz unterstützt Deutschland den Vorstoß. Umweltminister Carsten Schneider (SPD) sagte, es gehe darum, sich von fossilen Energieträgern zu befreien. Deutschland unterstütze die Forderungen. Dass in Brasilien ein grober Fahrplan beschlossen werden könnte, sei eine “enorme Chance”, so Schneider. 

Wir fragen uns: Hat Friedrich Merz verstanden, dass seine Politik mit einem fossilen Ausstieg unvereinbar ist? Oder hofft der Kanzler insgeheim darauf, dass der eigene Umweltminister mit dem TAFF-Vorstoß scheitern könnte? Der Krach in der Koalition könnte – wie bei so vielen anderen Themen – am Ende groß werden.

Quellen:
https://www.theguardian.com/environment/2025/nov/18/more-than-80-countries-join-call-at-cop30-for-roadmap-to-phasing-out-fossil-fuels
https://www.focus.de/earth/weltklimakonferenz/jetzt-schmiedet-deutschland-mit-79-weiteren-staaten-einen-revolutionaeren-taff-plan_a336d04d-bf74-42e7-b96f-8b65a5646c41.html
https://www.deutschlandfunk.de/cop30-breites-buendnis-fordert-fahrplan-fuer-ausstieg-aus-fossilen-energien-100.html
https://fossilfueltreaty.org/cop30

Merz und Brasilien?

Während der deutsche Bundeskanzler auf der COP mit vagen Versprechungen nur für müden Applaus sorgen konnte, ist er jetzt plötzlich in den Fokus weltweiter Schlagzeilen geraten: Aber nicht etwa mit Bekenntnissen zum Klimaschutz – sondern mit abfälligen Kommentaren über das Gastgeberland. 

Kaum zurück aus Brasilien, sagte Merz in seiner Rede beim Handelskongress in Berlin: “Meine Damen und Herren, wir leben in einem der schönsten Länder der Welt. Ich habe einige Journalisten, die mit mir in Brasilien waren, letzte Woche gefragt: Wer von euch würde denn gerne hierbleiben? Da hat keiner die Hand gehoben. Die waren alle froh, dass wir vor allen Dingen von diesem Ort, an dem wir da waren, in der Nacht von Freitag auf Samstag wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind.” 

Besonders in Brasilien ist die Empörung gigantisch. Dass der Kanzler sich so angewidert über das Gastgeberland äußert, hat einen heftigen Shitstorm auf seinen Social-Media-Profilen provoziert. Die brasilianische Politik tobt, lokale Medien berichten brüskiert über Merz Äußerungen. Der Bürgermeister von Belém nannte Merz “arrogant und voreingenommen.” 

Regierungsangehörige in Berlin versuchen währenddessen mit allen Mitteln, den Skandal herunterzuspielen. Merz ist sich keiner Schuld bewusst und sieht die Beziehungen mit Brasiliens Präsident Lula als “völlig unbelastet”. Regierungssprecher Kornelius behauptete heute, es sei keine Entschuldigung nötig. 

Am Ende bleibt, wie so oft, der Eindruck eines Kanzlers, der das Wort “Taktgefühl” höchstens mit Musik verbindet. Als Kanzler, der Brücken baut, Beziehungen stärkt und den Klimaschutz in Belém vorantreibt, kann sich Merz nicht beweisen. 

Merz rhetorischer Ausfall bringt die deutsche Außenpolitik in Erklärungsnot. Er zeigt vor allem unverblümt, wie wenig Bedeutung Merz internationaler Solidarität und echter globaler Klimagerechtigkeit beimisst. Umweltminister Schneider muss heute die Scherben einsammeln, die sein Kanzler hinterlassen hat. Der diplomatische Schaden ist groß, dass Deutschland wahrscheinlich mehr Zugeständnisse machen werden muss als bisher versprochen. Deutschland könnte auf bislang ungeplante Verhandlungsgeschenke angewiesen sein. 

Und so wäre vielleicht ein Bekenntnis des Kanzlers zum fossilen Ausstieg, zum Regenwaldschutz und zu internationalen Klimazielen am Ende weit mehr wert als jede weitere, beschwichtigende Entschuldigung. 

Quellen:
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/merz-aussagen-belem-kritik-100.html
https://www.ndr.de/nachrichten/info/froh-ueber-abreise-wie-merz-cop-gastgeber-brasilien-brueskiert,audio-333152.html
https://www.euronews.com/2025/11/19/should-have-gone-to-a-pub-merz-blasts-belem-rattling-brazilians
https://www.msn.com/en-ie/news/world/germany-s-merz-under-fire-in-brazil-for-his-comments-on-amazon-host-city-of-cop30/ar-AA1QHaO0

Mutirao

Brasilien ruft zum globalen „Mutirão“ für Klimahandeln auf!

„Eine COP darf kein isoliertes Treffen bleiben – sie muss ein gesellschaftlicher Wendepunkt sein.“
– brasilianische COP30-Präsidentschaft

Mit diesem Anspruch hat die brasilianische Präsidentschaft der COP30 ihren Aufruf zur weltweiten Beteiligung an einem „Mutirão“ erneuert: einem breit angelegten, gemeinsamen Kraftakt für Klimaschutz, der weit über das zweiwöchige Gipfeltreffen hinausreichen soll.

In den vergangenen Tagen wurde deutlich: Der “Mutirão“-Ansatz entwickelt sich zu einem der zentralen politischen und gesellschaftlichen Themen der COP. Brasilien fordert eine neue Form der globalen Klimagovernance – inklusiver, gerechter und verbindender als bisher. Dafür sollen Regierungen, Jugendbewegungen, indigene Völker, städtische Initiativen, Unternehmen und Wissenschaft gleichermaßen an einem Strang ziehen.

Während in vielen Verhandlungsräumen um Formulierungen gerungen wird, wirbt die brasilianische Präsidentschaft für einen Prozess, der schon jetzt begonnen hat – und erst lange nach der COP30 enden soll. Ein Prozess des aktiven Zuhörens, der Stärkung lokaler Perspektiven und der Anerkennung vielfältiger Wissensformen.

Doch klar ist auch: Der Anspruch ist groß, und nicht alle Staaten zeigen sich überzeugt. Einige Delegationen äußern Bedenken, ob ein derart offener, dauerhafter Beteiligungsprozess diplomatische Verhandlungen nicht verlangsamen oder verwässern könnte. Andere fürchten, dass zusätzliche Beteiligungsformate neue Erwartungen wecken, ohne die notwendige Finanzierung zu sichern.

Der „Mutirão“ im Netz: Mobilisierung ohne Grenzen

Besonders viel Aufmerksamkeit erhielt die Frage, wie der „Mutirão“ online funktionieren soll. Die Antwort Brasiliens: mindestens genauso wirkungsvoll wie vor Ort.

Durch Social-Media-Kampagnen, gemeinsame Informationsaktionen und digitale Austauschformate könne eine globale Öffentlichkeit erreicht werden, die über die COP-Blase hinausreicht. 

Dabei geht es nicht nur um Posts und Hashtags. Webinare, digitale Workshops und Online-Trainings sollen strukturiert vorbereitet werden, also mit klaren Rollen, Timelines und Zielen. Dokumentationstools wie Screenshots, Mitschriften oder Aufzeichnungen sollen Transparenz schaffen. Die Ergebnisse sollen breit geteilt werden, um weitere Gruppen zur Teilnahme zu motivieren.

Das Ziel: Ein globales Geflecht an Initiativen.

Die brasilianische Präsidentschaft betont: Ein „Mutirão“ ist niemals ein einmaliges Ereignis. Die Kontakte, die an einem Tag entstehen, sollen weitergeführt, Kommunikationsgruppen gegründet und neue Projekte entwickelt werden. So könne ein Netzwerk entstehen, das über Monate und Jahre aktiv bleibt – ein systemischer Wandel von unten.

Um zu zeigen, dass der Prozess nicht abstrakt bleibt, veröffentlichte Brasilien zudem Beispiele für konkrete „Mutirão“-Initiativen, die überall auf der Welt organisiert werden können:

  • Aufforstungsaktionen in Städten und ländlichen Regionen
  • Reinigungsinitiativen an Flüssen, Stränden und öffentlichen Plätzen
  • Kompostierungs- und Urban-Gardening-Projekte
  • Umweltbildungsprogramme in Schulen und Nachbarschaften
  • Mobilitätsinitiativen wie Fahrradkampagnen oder Carpooling
  • Zero-Waste-Aktionen, Recycling-Tauschpunkte und Upcycling-Workshops
  • Energie-Sparinitiativen von LED-Austausch bis Verbrauchstrainings
  • Wasserschutzmaßnahmen wie Leckagen-Checks oder Regenwasserspeicherung

All diese Initiativen sollen zeigen: Klimaschutz entsteht nicht nur in Verhandlungsräumen, sondern in alltäglichen Kooperationen, Straße für Straße, Gruppe für Gruppe.

Ein ambitionierter Anspruch – aber kein Selbstläufer

Trotz der euphorischen Worte ist offen, wie stark der „Mutirão“ im endgültigen COP30-Rahmen verankert wird. Einige Staaten signalisieren, dass konkrete Verpflichtungen zur Bürgerbeteiligung schwer umzusetzen seien. Andere warnen vor „überhöhter Symbolpolitik“. Doch Brasilien hält an der Vision fest, dass gemeinschaftliche, transnationale Mobilisierung ein entscheidender Hebel für die Bekämpfung der Klimakrise sein könnte. 

Die kommenden Monate werden zeigen, ob dieser Ansatz die internationale Klimapolitik tatsächlich prägt oder ob er im diplomatischen Ringen verwässert wird. Fest steht: Ein „Mutirão“ beginnt nicht erst bei der COP – und endet nicht, wenn die Delegierten abreisen.

Quelle:
https://cop30.br/en/brazilian-presidency/mutirao-cop30

Foto: Antonio Scorza/COP30

Nichts mehr verpassen? – Infostream abonnieren!