COP Daily Tag 2 | Wo sich unsere Zukunft entscheidet

der richtige Ort für eine starke COP?

Dieses Jahr findet die COP30 zum ersten Mal seit vier Jahren wieder in einem demokratischen Staat statt, der zudem keine Öl-Nation ist. Doch ist mit dem Austragungsort Belém wirklich der Grundstein für eine erfolgreiche Klimakonferenz gelegt? 

Wir schauen auf Kritik, Chancen und die widersprüchliche Rolle Brasiliens. 

Auf den ersten Blick scheint Belém wie der ideale Ort für eine Klimakonferenz: Mitten im Bundesstaat Pará gelegen, einer der grünsten Regionen der Erde, umgeben vom endlosen Amazonasregenwald. Beste Voraussetzungen also, um die Staats- und Regierungschefs unter dem Blätterdach des Regenwaldes an die Bedeutung dieses einzigartigen Ökosystems zu erinnern – und sie zu ambitionierter Klimapolitik zu bewegen.

Doch beim genaueren Hinsehen zeigt sich: Brasilien ist längst nicht der Klimavorreiter ist, als der es sich gerne präsentiert. Der Gastgeber der Konferenz steht vielmehr exemplarisch für den Widerspruch zwischen grüner Rhetorik und umstrittener Realität.

Das Portal Climate Action Tracker bewertet die Klimaziele des Landes als „insgesamt unzureichend“ (wie die Deutschlands im Übrigen auch). Dabei hat Präsident Luiz Inácio Lula da Silva nach den Jahren unter autoritärer Herrschaft die alten Klimaziele wiederbelebt und sich stärker dem Schutz des Regenwaldes verschrieben. 

Und tatsächlich: 2023 konnte die Entwaldung um 36 % reduziert werden – ein wichtiger Schritt. Zwar ist der Regenwald weiterhin durch Landwirtschaft und den steigenden Abbau von Rohstoffen wie Gold gefährdet, doch so niedrig wie heute war die Entwaldungsrate zuletzt vor 11 Jahren. Der Schutz des Regenwalds ist daher auch das Prestige-Projekt von Lula. Er hat den Schutz des Regenwalds ganz oben auf der Tagesordnung der COP platziert und möchte mit dem TFFF einen Fonds schaffen, der Nationen mit viel Regenwald finanziell unterstützt. Davon dürfte nicht zuletzt auch Brasilien profitieren. 

All diese Fortschritte zum Trotz, hält Brasilien auch weiter an fossilen Energien fest. Internationale Konzerne wie BP investieren mit Unterstützung der brasilianischen Regierung massiv in neue Öl- und Gasprojekte und einen klaren Ausstiegspfad aus fossilen Energien gibt es bisher nicht. Das steht in klarem Widerspruch zu Brasiliens Klimaschutzversprechen.

Kritik am Austragungsort Belém:
Auch die Wahl des Ortes selbst ist nicht unumstritten. Belém gilt als infrastrukturell überfordert mit dem erwarteten Ansturm von Delegationen, Aktivist*innen und Medienvertreter*innen.

  • Unterkünfte: Viele Hotels sind bereits ausgebucht, die Stadt plant den Bau von neuen Anlagen, teils auf Kosten von Anwohner*innen und lokaler Umwelt. Besonders Menschen aus ärmeren Ländern werden so abgehalten, an der COP teilzunehmen.
  • Neue Autobahnprojekte: Um die Anbindung an den Flughafen zu verbessern, wird eine neue Schnellstraße gebaut – ein Projekt, das von lokalen Umweltgruppen stark kritisiert wird.
  • Fossile Präsenz auf der COP: Zudem mehren sich Stimmen, die warnen, dass die Konferenz auch in Belém wieder zu einer „Industriemesse der fossilen Konzerne“ werden könnte – mit großzügiger Beteiligung ebendieser Unternehmen an Ständen und Panels.

Fazit:
Belém steht symbolisch für die Widersprüche der globalen Klimapolitik: ein Ort von unermesslicher ökologischer Bedeutung und zugleich einer, in dem die Konflikte zwischen Umwelt- und Wirtschaftsinteressen besonders sichtbar werden. Trotz allem können wir uns doch glücklich schätzen, dass die COP nicht das dritte/vierte Jahr in Folge von einem diktatorischen Ölstaat ausgerichtet wird. Zwar ist Brasilien kein lupenreiner Klimaschützer, doch  von der COP-Präsidentschaft Brasiliens darf zu Recht erwartet werden, dass sie globalen Klimaschutz engagierter verfolgt als die Vorgänger aus Dubai und Aserbaidschan.

Quellen:
No room at the inn: COP30 logistics chaos overshadows climate talks – POLITICO
COP30: The Amazonians who don’t care who Trump is – and their fight to protect home | Science, Climate & Tech News | Sky News
„Klimakonferenzen dürfen keine Industriemessen bleiben“
UN-Klimakonferenz: Welche Länder treiben den Klimaschutz voran?
Klimakonferenz in Brasilien: Fünf Gründe, warum diese COP ein Erfolg werden könnte – DER SPIEGEL
Brazil | Climate Action Tracker

level up ndcs

Der frisch veröffentlichte Emissions Gap Report zeigt: Selbst wenn alle Länder ihre derzeitigen nationalen Klimaziele (NDCs) einhalten, steuern wir auf 2,3 bis 2,5 °C Erhitzung zu. Eine gewaltige Lücke, die es auf dieser COP zu schließen gilt.

Wir haben haben deshalb heute in Belém eine Protestaktion organisiert, um auf die völlig unzureichenden nationalen Klimaziele aufmerksam zu machen. Gemeinsam mit Aktivist*innen aus den AOSIS-Staaten (der Allianz der kleinen Inselstaaten) fordern wir: Nehmt den Bericht über die Klimaziele endlich ernst!

Die Staaten müssen jetzt konkrete Maßnahmen beschließen, um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten.
Die EU trägt eine besondere Verantwortung: Sie hat historisch massiv zur Klimakrise beigetragen und muss deshalb jetzt beim Klimaschutz vorangehen. Das heißt: ein klares Bekenntnis zum 1,5-Grad-Ziel und zum Pariser Abkommen, Unterstützung für die am stärksten betroffenen Länder und ein konsequentes Ende aller fossilen Energien und Subventionen.

COP31 in Deutschland?

Die COP30 hat gerade erst angefangen, da geht es schon um die nächste COP.
Die Diskussion ist jedoch nicht inhaltlicher Natur – es geht allein um den Austragungsort.

Der Austragungsort der COP muss von allen UN-Staaten einstimmig beschlossen werden. Doch für das kommende Jahr gibt es bereits zwei Bewerber, die beide die COP31 ausrichten wollen – Australien und die Türkei. Beide beharren auf der Präsidentschaft der COP31 und sind nicht bereit, ihre Bewerbung zurückzuziehen.
Um der Lösung näher zu kommen, steht jetzt sogar die Option einer Partnerpräsidentschaft der beiden Länder im Raum.
Klimavorreiter ist dabei weder die Türkei noch Australien. Die Klimaziele der Türkei sind laut Climate Action Tracker „kritisch unzureichend“, und Australien ist seinerseits der größte Exporteur von Kohle weltweit.In diesem Streit könnte jetzt Deutschland der unglückliche Dritte werden. Denn in Bonn befindet sich der Sitz des Klimakonferenz-Sekretariats. Das ist, gemeinsam mit der jeweiligen COP-Präsidentschaft, für die Organisation der Klimagipfel zuständig. Daher fällt der Austragungsort automatisch auf Bonn, wenn sich international nicht auf einen Austragungsort geeinigt werden kann.
Darauf hätte besonders in Deutschland niemand Lust.

„Das sind keine einfachen Dinge. Deutschland braucht mehr Zeit für eine Konferenz. Deshalb lauten all die Signale, die wir aussenden: Um Himmels willen, bringt Australien und die Türkei dazu, sich zu einigen […]“
– Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Umweltministerium

Spontan so eine riesige Konferenz wie die COP in einer kleinen Stadt wie Bonn auszurichten, wäre eine massive Überforderung. Deshalb wird insbesondere von deutscher Seite auf eine Einigung gedrängt.

Das wäre jetzt auch für die Verhandlungen auf der COP wichtig. Wer die COP ausrichtet, ist zwar alles andere als unwichtig, dennoch müsste jetzt der Fokus auf die inhaltlichen Verhandlungen gelegt werden.

Quellen:
https://www.politico.eu/article/germany-un-climate-host-cop30-brazil-enviornment/
https://www.focus.de/earth/weil-erdogan-auf-stur-stellt-koennte-die-weltklimakonferenz-nach-deutschland-kommen_855592c2-ae06-4866-9225-5e52adc94cdf.html

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