COP-Kontext – was, wann, wie, warum?

Am 7. November beginnt wieder die COP, die 27. Weltklimakonferenz. Fridays for Future Berlin startet dazu ein Projekt: Hier, aber auch auf Twitter und Instagram wollen sie euch inhaltlich mitnehmen, Ergebnisse zusammenfassen, einschätzen und Perspektiven bieten. Dafür sind sie im Kontakt mit verschiedenen zivilgesellschaftlichen Bündnissen und COP-Delegationen. Alle wichtigen Informationen zur Klimakonferenz werdet ihr also immer hier oder bei Fridays for Future Berlin finden. Markiert Euch den Zeitraum vom 07. zum 17. November also schon mal in Euren Kalendern!

Vorher wollen wir euch aber erstmal einen kurzen Überblick darüber geben, was die COP eigentlich ist, warum sie so wichtig ist, vor welchen Herausforderungen sie dieses Mal steht und was unsere wichtigsten Forderungen sind. Das ist ein bisschen was zu lesen, aber dafür habt ihr ja auch eine Woche Zeit! Viel Spaß! 

Was ist die COP eigentlich? Warum ist sie so wichtig? 

Die COP (Conference of Parties) ist der Weltklimagipfel, in dem die 193 UN-Länder zusammenkommen um über die Klimakrise und Wege, sie abzuwenden, zu sprechen. In Kreisen der internationalen Klimapolitik ist die COP das Event des Jahres und Taktgeber für weitere klimapolitische Entwicklungen. Sie ist also wahnsinnig wichtig – und wahnsinnig komplex. Es fliegen mehr Abkürzungen durch den Raum, als man in seinem gesamten Leben verwendet hat. Deswegen wollen wir euch mit diesem Text und den folgenden Updates ein bisschen Klarheit und Verständnis bieten. 

Eine der wesentlichsten Entscheidungen, die bei den COPs getroffen wurde, war das Pariser Klimaabkommen 2015, mit dem sich alle Unterzeichnerstaaten verpflichtet haben, das 1,5°C Ziel anzuerkennen und für die Einhaltung dessen zu arbeiten. Aktuell haben 169 Staaten – einschließlich Deutschland – das Abkommen unterzeichnet. Das Pariser Klimaabkommen ist seitdem der kleinste gemeinsame Nenner jedes Klimaaktivismus und ein Faktum, auf das sich jede:r in allen Diskussionen berufen kann. Ihr seht also – die COPs sind echt wichtig. Deswegen ist es auch so essenziell notwendig, dass jeder einzelne Teilnehmerstaat ernst genommen wird; denn nur international und gemeinsam können wir die Klimakrise richtig angehen.

Die Konferenz findet dieses Jahr zum 27. Mal statt und wird deswegen COP 27 genannt. Der Ort, an dem all diese wichtigen Entscheidungen getroffen werden, ändert sich von Konferenz zu Konferenz und daher scheint es erstmal willkürlich, dass dieses Mal Ägypten und explizit die Stadt Scharm el-Scheich gewähltwurde. Dazu aber später mehr.

Wie ist die COP aufgebaut? 

Die COP arbeitet auf Grundlage der Ergebnisse des Weltklimarates, des so genannten IPCC (intergovernmental Panel in Climate Change). Der wertet jedes Jahr zahlreiche Erkenntnisse zur Klimakrise aus und sortiert die Beobachtungen. Damit gibt er die faktische Grundlage für die Diskussionen um die Klimakrise. 

Die andere Grundlage bietet das UN-Klimasekretariat, welches für die Organisation und die Tagesordnungen zuständig ist. Außerdem sammelt es Daten zu der Klimabilanz der einzelnen Teilnehmerstaaten. 

Wenn es dann losgeht, ist es erst einmal sehr technisch. In der ersten Sitzungswoche bereiten die Fachbeamt:innen der verschiedenen Länder in zwei Unterorganen („subsidiary bodies“) der COP die möglichen Entscheidungen der Länder vor. Die zwei Unterorgane sind

  1. Das SPI (Science Policy Interface), das wissenschaftliche Erkenntnisse in Vorschläge umwandeln soll, die für politische Entscheidungsträger:innen relevant sind und 
  2. Der SBSTA (Subsidiary Body for Scientific and Technological Advice), der Informationen und Rat zu verschiedenen wissenschaftlichen und technologischen Themen liefern soll. 

Nach der ersten Sitzungswoche, wenn SPI und SBSTA haben ihre Arbeit abgeschlossen haben, gibt es eine Art „Zwischenbilanz“. Dort stellen beide Unterorgane ihre Ergebnisse in einer komprimierten Fassung im Plenum vor.

Jetzt beginnt die eigentlich politische Phase. Staatschef:innen, Minister:innen und mit ihnen die meisten Medien treffen ein. Die wichtigsten Staatengruppen und Staaten – in der Regel die USA, EU, China, Indien, Brasilien, Südafrika, Indonesien und Saudi-Arabien – geben im Plenum ihre Erklärungen ab, während in Hinterzimmern Deals ausgehandelt werden. Hierfür haben SPI und SBSTA die wichtigsten Probleme auf einige wenige Kernfragen reduziert. 

Ab Donnerstag der zweiten Woche ist dann „crunch time“ – die vielen verschiedenen Formulierungen und Möglichkeiten müssen in einen Abschlusstext zusammengeführt werden; die Verhandlungen gehen in die heiße Phase. Die wesentlichen Durchbrüche der COPs passieren tendenziell in den letzten 2 Tagen, weil irgendjemand dann doch nochmal einen Kompromiss eingeht, eine Partnerschaft schließt oder Geld locker macht, wo es vorher für unmöglich erklärt wurde. 

Und dann ist die COP auch schon vorbei, die Delegationen gehen mit den (hoffentlich) neuen Anforderungen und Verpflichtungen wieder zurück in ihre Länder. 

Vor welchen Herausforderungen steht die diesjährige COP?

Allgemeine Kritik am Klimagipfel wird vor allem wegen des immensen Aufwands getätigt, der oft in keinem Verhältnis zu den vergleichsweise geringen Ergebnissen steht. Das liegt auch daran, dass alle Beschlüsse einstimmig gefällt werden müssen, also für einen Beschluss alle Unterzeichnerstaaten der Klimarahmenkonvention zustimmen müssen. So kam es in der Vergangenheit, zum Beispiel 2009 in Kopenhagen, dazu, dass keine verbindlichen Beschlüsse getroffen werden konnten. Gleichzeitig ist die COP die einzige Institution, in der richtige internationale Handlungsanweisungen gegen die Klimakrise beschlossen werden können. Bei aller Kritik bleibt also die Aussage bestehen: Die COP ist wichtig und sollte im Zentrum unserer Aufmerksamkeit stehen, wenn es um internationale Klimapolitik geht. 

Die diesjährige UN-Klimakonferenz findet vor dem Hintergrund sich verschärfender globaler Krisen statt. Die russische Invasion in der Ukraine hat zu einem sprunghaften Anstieg der Energie-, Rohstoff- und Lebensmittelpreise geführt. Außerdem behindern die damit verbundenen geopolitischen Spannungen zwischen wichtigen Ländern die multilateralen Ambitionen und die Zusammenarbeit. 2022 war erneut ein Jahr mit katastrophalen extremen Wetterereignissen, wie den Überschwemmungen in Pakistan, Überschwemmungen und Stürmen im Süden Afrikas und historischen Dürren am Horn von Afrika, in China und Europa. Der neue Sachstandsbericht des zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC), der in diesem Jahr veröffentlicht wurde, unterstreicht einmal mehr, dass solche Auswirkungen mit zunehmender globaler Erwärmung weiter eskalieren werden. Die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs werden auch die Weltklimakonferenz dominieren.

Eine Dynamik, die sich gerade breit macht, ist die der Priorisierung von Krisen. Vielen Mitgliedsstaaten – einschließlich Deutschland – scheint die Energiekrise wichtiger zu sein als die Klimakrise. Auf der Suche nach Wegen in die Versorgungssicherheit rennen die Regierungen dieser Welt wieder zurück in die offenen Arme der fossilen Lobby und machen so den ökologischen Fortschritt rückgängig, der über Jahrzehnte durch politische Schweiß- und Handarbeit erkämpft wurde. Durch neue Öl- & Gasfelder und langfristige Verträge mit fossilen Exportstaaten drohen sogenannte „fossile Lock-Ins“, also, dass sich Länder wieder langfristig auf Kohle, Öl und Gas festsetzen, ohne erneuerbare Energien richtig zu fördern. 

Es sollte allen teilnehmenden Entscheidungsträger:innen der COP bewusst sein, dass die Klimakrise keine Rücksicht auf die geopolitische Lage nimmt – im Gegenteil; sie verschärft sie. Es ist im Interesse aller, jetzt eine ökologische Transformation anzustoßen und Brückentechnologien wie LNG-Gas so kurz wie möglich einzusetzen. Denn – und das ist so ziemlich der einzige Punkt, in dem wir Christian Lindner zustimmen – erneuerbare Energien sind Freiheitsenergien.  

Was bisher von keinem der Teilnehmerstaaten offiziell als Problem anerkannt wurde, aber eine große Rolle in der Debatte um die COP spielt, ist die Menschenrechtslage in Ägypten. Bisher wurde der Standort als besonders geeignet gelobt und vor allem deshalb besonders betont, da er als Schauplatz für die Energiewende aufgrund des hohen Sonnen- und Windaufkommens diene. Völlig außer Acht gelassen wurde dabei die verheerende Lage um die Menschenrechte. Angeführt von General Abdel Fattah el-Sisi, der 2013 durch einen Militärputsch an die Macht kam und sich seitdem durch Scheinwahlen an der Macht hält, ist das ägyptische Regime laut Menschenrechtsorganisationen eines der brutalsten und repressivsten der Welt. Das bedeutet auch, dass Dinge wie die Versammlungs- und Pressefreiheit längst zu kühnen Träumen geworden sind. Regimekritiker:innen werden gefangen genommen, gefoltert und getötet – schätzungsweise 60.000 Menschen leiden unter Repressalien. Dazu kommt, dass Wissenschaftler:innen ihre Forschungsergebnisse nur dann veröffentlichen dürfen, wenn die ägyptische Regierung ihr OK gibt. 

Es ist schade, dass man aus der internationalen politischen Landschaft wenig zu diesem Thema hört. Umso wichtiger ist es, dass wir in Gesprächen über die COP immer auch die katastrophalen Zustände im Gastgeberland mitdenken. 

Worum geht es dieses Jahr? Was kann man erwarten? 

Im Zentrum der Verhandlungen soll die praktische Umsetzung des Kohle-, Gas- und Ölausstiegs stehen, der im Klimapakt von Glasgow bei der letzten Klimakonferenz 2021 beschlossen wurde. Der beschlossene Klimapakt enthält neben dem Aufruf zum Kohleausstieg auch die Forderung, „ineffiziente“ Subventionen für Öl, Gas und Kohle zu streichen. Die Länder bekannten sich in der Abschlusserklärung gemeinsam zu dem Ziel, die Erderwärmung bei 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu stoppen. 

Außerdem stehen Forderungen der Loss & Damage Finanzierung im Raum, die Länder des globalen Südens mit Nachdruck auf die politische Tagesordnung setzen. Dabei geht es darum, dass Industrieländer des globalen Nordens für die entstandenen Kosten durch Anpassung an Klimakatastrophen im globalen Süden aufkommen und damit ihrer historischen Verantwortung gerecht werden.

Wir als Klimagerechtigkeitsbewegung Fridays for Future stellen drei Hauptforderungen an die diesjährige Klimakonferenz, deren Umsetzung wir für essenziell notwendig halten: 

  1. Die Teilnehmerstaaten müssen endlich konkrete, verbindliche Ziele aushandeln, wie die internationale Ländergemeinschaft das 1,5°C Ziel des Pariser Klimaabkommens erreichen kann. Dazu gehören:
    1. Ein möglichst schneller Ausstieg aus allen fossilen Energien und
    2. möglichst schnelle sozial-ökologische Transformationen in Energie, Verkehr und Industrie.
    3. Ein „Mitigation Work Program“, das Sektorziele definiert, Staaten enger in die Mangel nimmt und dafür sorgt, dass sie ihre NDCs (nationalen Klimaziele) wirklich erfüllen.
  2. Ausreichende und verbindliche Loss & Damage Finanzierungen: Besonders von der Klimakrise betroffene Staaten des Globalen Südens müssen von den Industriestaaten des Globalen Nordens bei der rückwirkenden Bewältigung von Klimakatastrophen (finanziell) unterstützt werden.
  3. Ausreichende und verbindliche Klimafinanzierung: Besonders betroffene Staaten des Globalen Südens müssen von den Industriestaaten des Globalen Nordens bei der präventiven Bewältigung der Klimakrise finanziell unterstützt werden. Dazu gehören Gelder für die sozial-ökologische Transformation und Gelder für den Schutz vor Klimakatastrophen und Extremwetterereignissen.
    1. Die 2009 beschlossene Klimafinanzierung ist nicht ausreichend. Die 100 Milliarden, für die sich die Staaten des globalen Nordens gemeinsam bereiterklärt haben, wären selbst dann nicht mehr aktuell, wenn die beschlossenen Gelder tatsächlich fließen würden. Die Klimakrise eskaliert und wir erleben eine dramatische globale Inflation. Es ist also deutlich, dass die Finanzierungsmöglichkeiten drastisch angehoben werden müssen.
    2. Die bisherige Klimafinanzierung war ein sinnvoller Schritt, scheitert allerdings an der Unverbindlichkeit. Es ist nicht konkret definiert, welcher Staat wie viel zahlen muss. Dadurch hat sich ein deutliches Defizit ergeben; die Ziele der Klimafinanzierungen werden konsequent nicht erfüllt. Was wir erwarten ist mindestens, dass die bisherigen Versprechen eingehalten werden. Wir fordern aber auch, dass ambitioniertere Klimafinanzierungen beschlossen werden, die ermöglichen, die Klimakrise als Staatengemeinschaft zusammen mit dem Globalen Süden zu bewältigen.

Alle Texte aus dieser Reihe im Überblick findet ihr immer aktuell hier.

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3 Gedanken zu “COP-Kontext – was, wann, wie, warum?

  1. Was für ein starkes DLF-Interview von Luisa!
    Ja, wirklich aus Istanbul. Auch das – bzw. die Gründe dafür – finde ich gut!

    Den Link habe ich vielfach weiterempfohlen.

    Gedanklich habe ich „1,5-Grad“ ergänzt durch:
    „Unzählige Staaten schließen einen VERTRAG, halten sich
    einfach nicht dran (wegen der Klimafolgen schon völlig
    inakzeptabel) und geben damit ein ganz mieses Vorbild ab!“

    Ungefähr wie der Erwachsene, der Kindern zeigt, wie man bei Rot
    über die Straße läuft. Nur leider unvergleichlich viel schlimmer,
    in einer Welt voller Fake-News und geringer Tendenz, charakterliche
    Werte, Vereinbarungen, Verträge als wichtig und verbindlich anzusehen!

    LG Armin – CU in Lützerath! We can’t be enough, there!

    https://www.deutschlandfunk.de/interview-der-woche-klimschutzaktivistin-luisa-neubauer-100.html

    1. Global gesehen spielt Lützerath überhaupt keine Rolle. Es geht doch nur um das tolle Gefühl, ein bisschen revoluzzt zu haben. Die beiden Mega-Staaten China und Indien sowie der Energieverbrunzer schlechthin, die USA, stellen die Weichen für den künftigen Weg.

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