Der Danni – Kampf um eine gelebte Utopie | #DanniBleibt

In Zeiten von drastischer globaler Erwärmung und dramatischen Folgen für Menschen auf der ganzen Welt, soll trotzdem ein Wald für eine Autobahn gerodetet werden. Inwiefern das eine fatale Entscheidung ist und wieso wir umbedingt für den Dannenroder Forst kämpfen müssen, erzählt euch Sara aus Hann Münden in ihrem persönlichen Erfahrungsbericht über ihren Kampf für den Danni!

Der Dannenröder Forst, ein Wald im Vogelbergkreis, gilt als Symbolbild der scheiternden Verkehrswende in Deutschland. Seit Jahrzehnten ist er einer der Streitpunkte um den Bau der A49 als Lückenschluss zwischen Neuental im Schwalm-Eder-Kreis und Gemünden, Felda. 85 Hektar des gesunden Mischwaldes sollen gerodet werden, um dem Lückenschluss der Autobahn Platz zu machen. 

Dabei bieten Wälder nicht nur die Lebensgrundlage für unzählige Tier- und Pflanzenarten, sondern spielen auch eine Schlüsselrolle im Umwelt- und Klimaschutz. Denn Wälder beeinflussen das Klima sowohl kleinräumig als auch großräumig durch die Reflexion von Sonnenenergie, die Regulation des Wasserkreislaufs und ihre Funktion als Kohlenstoffspeicher. Gerade alte Wälder speichern große Mengen von Kohlenstoff und sollten somit eine zentrale Rolle in der Klimapolitik einnehmen. 

Der Bau der Autobahn bietet vor allem Vorteile für zwei ansässige Konzerne, einen Süßwarenproduzenten und eine Zulieferungsfirma von VW. Diese verfügen zwar beide bereits über einen Anschluss an den Güterverkehr auf Schienen, unterstützen jedoch den Ausbau der A49 und die Rodung des Dannenröder Forstes, um Waren günstiger transportieren zu können. Seit dem vergangenen Jahr wird der „Danni“ von Aktivist*innen besetzt und jeder Zentimeter Lebensraum umkämpft. Was ist seitdem passiert und wieso ist der Danni mehr als nur ein Symbolbild von gescheiterten Plänen, vielmehr Hoffnung auf eine vielversprechende Zukunft und gelebte Utopie? 

23. Juni 2020, 7 Uhr

Vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig sammeln sich erste Aktivist*innen und Schaulustige. Die Vorbereitungen auf die mündliche Verhandlung, dem möglicherweise rettenden Schritt im Kampf um den Wald, laufen. Auf der Anklagebank: Das Land Hessen, angeklagt vom BUND und einigen Privatpersonen wegen des Verstoßens gegen das EU-Wasserrecht. Denn der Dannenröder Forst ist ein Wasserschutzgebiet und versorgt 500.000 Menschen mit Trinkwasser, viele davon im Rhein-Main-Gebiet. Die Stimmung ist angespannt, erste Interviews werden schon während des Aufbaus der Bühne gegeben. Man hofft auf eine große Medienpräsenz und ein rettendes Urteil. Der lange Verhandlungstag wird mit Aktionen von Besetzer*innen und sympathisierenden Bewegungen wie Extinction Rebellion und Fridays for Future der Ortsgruppen Leipzig gefüllt. Aktivist*innen inszenieren Stücke, in denen sie den Tag der Räumung darstellen und wanken als Bäume in Angst vor den kommenden Kettensägen. Extinction Rebellion bereitete eine Ausstellung zur Verkehrswende vor, in der anhand eines Kreisverkehrs veranschaulicht wird, wo die Menschheit aufgrund der Klimakrise landen wird, wenn wir nicht zeitnah anfangen, verkehrspolitisch zu handeln: In einer Sackgasse, und zwar mit einem Knall vor die Wand.

Das Ergebnis wird am Abend verkündet und ist, wie befürchtet, frustrierend: Zwar gibt das Bundesverwaltungsgericht den Klagen inhaltlich recht, denn die Planfeststellung prüfte die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) nicht, jedoch weist das Gericht die Klage unter Abwägung formaler Gründe ab. Die Reaktion der Demonstrant*innen sind Frust und Enttäuschung, wie auch in einem Statement der Besetzung auf deren Homepage deutlich wird: „Die Gesetze dürfen nicht wanken. Diesem Grundsatz ist das Bundesverwaltungsgericht nicht gefolgt!“ Diese Aussage entspricht der Meinung des EU-Umweltkommissars Virginijus Sinkevicius, der sich an eben diesem Tag zu dem Thema WRRL äußert und betont, die WRRL sei eine der ehrgeizigsten und ganzheitlichsten Umweltvorschriften der EU und dürfe auch dem großen Druck der Lobbyisten der Industrie nicht nachgeben. Wo bleibt das Rückgrat des Bundesverwaltungsgerichts?

17. August 2020

Mein erster Tag in der Besetzung steht an. Von der Mahnwache am Waldrand in Dannenrod sind es zehn Minuten zu Fuß in die Besetzung. Schon auf den ersten Metern fällt die gute Erhaltung des Waldes auf, alte Bäume säumen des Wegesrand, Kröten kreuzen den Weg. In der Besetzung herrscht geschäftiges Treiben, denn der Tag der Räumung rückt näher. Schon jetzt herrscht Anspannung, denn seit einigen Tagen verkehrt eine Sicherheitsfirma, die auch an der Räumung des Hambis beteiligt war, seitdem fahren mehrmals täglich große Autos durch die Besetzung, um einen Überblick über die Strukturen zu bekommen. Auch containerte Lebensmittel wurden vom kurzfristigen Lagerplatz entwendet. Es scheint ernst zu werden und eine baldige Barrikadenräumung wird gefürchtet. Die spätere Schneise im Wald, die für die Autobahn entstehen soll, wird durch eine Markierung der Bäume deutlich, die weiße Sprühfarbe setzt sich deutlich von der Rinde ab und wirkt makaber, ein klares Todesurteil mitten im belebten Dickicht. 

Täglich kommen Besucher*innen, um sich ein Bild von der Situation zu verschaffen, den Wald zu erleben, und Träume und gemeinsame Utopien auszutauschen. Als genau das erscheint mir der Wald bei meinem Aufenthalt: Ein Raum für ein freies und offenes Miteinander, eine gelebte Utopie, und die Tatsache, dass ich immer wieder den Satz höre, „am liebsten möchte ich hier gar nicht mehr weg“, bestärkt diesen Eindruck. Und wenn dieser Satz nicht nur den Bäumen, sondern auch den Menschen aus der Seele spricht, läuft dann nicht etwas im Wald verdammt richtig? 

Warum werden wir nicht mutiger? Ist es nicht längst an der Zeit, Utopien zu leben, den Schritt ins Ungewisse zu wagen, sowohl in privaten als auch in gesellschaftlichen Dimensionen? Lasst uns gemeinsam für unsere Zukunft kämpfen, ob es im Namen des Waldes, im Namen des Gesetzes oder im Namen der gelebten Utopien sei. Lasst uns die Verkehrswende nicht aufgeben, bevor sie begonnen hat. Lasst uns gemeinsam hinter der Besetzung stehen, ob auf den Barrikaden oder als Sympathisant*innen – lasst uns laut werden gegen die Ungerechtigkeiten, die im Namen des Lobbyismus Mensch und Natur widerfahren! 

In der zweiten Septemberwoche gab es eine Aktionswoche des WaldStattAsphalt-Bündnisses rund um die Besetzung, am Freitag, dem 11.09 hat sich Fridays for Future in Wiesbaden an den Protesten beteiligt.Die Fällungen sind für die Periode Oktober 2020 bis Februar 2021 angesetzt. Seit Ende September gibt es ein Aktionscamp in der Nähe des Dannenröder Forstes, um die Besetzung zu unterstützen und die Rodung zu verhindern. Infos dazu und rund um die Besetzung sind auf der Homepage der Besetzung (https://waldstattasphalt.blackblogs.org/) und auf Instagram (keine_a49, fff.dannibleibt) zu finden.

1.Oktober 2020

Die Rodung beginnt im, an den Dannenröder Wald angrenzenden, Herrenwald (einem FFH-Schutzgebiet). Die Polizei unterstützt die Rodungsarbeiten der STRABAG und räumt die ersten Baumhäuser.In den darauffolgenden Tagen finden in verschiedenen Städten spontane Demonstrationen und Solidaritätsbekundungen statt. Am 03.10. startet eine Fahrraddemo von Kassel nach Dannenrod, mit verschiedenen Zwischenstationen, am 04.10. ist dasselbe als Anfahrt geplant, um 12 Uhr soll es dann eine große Standdemo mit Programm bis etwa 14 Uhr geben zu der FFF bundesweit mobilisiert.Wieterhin finden jeden Sonntag Waldspaziergänge statt, bei denen in den letzten Wochen mehrere Tausend Menschen teilgenommen haben. Inzwischen gibt es mehrere Camps in Waldnähe, die, vom Infopoint an der Mahnwache in Dannenrod aus, eine gute Verteilung der Aktivisti und verschiedene Aktionslevel ermöglichen.Wir fordern die Landesregierung auf, die Räumung des Dannenröder Forstes abzubrechen, vom Autobahnbau abzulassen und in eine zukunftsfähige und nachhaltige Verkehrspolitik zu investieren.

Kommt also morgen alle um 12 Uhr in den Danni und streikt mit uns für eine ökologische und zukunftsgerecht Verkehrswende – mehr Infos zur Demo und zum Danni findet ihr hier!

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4 Gedanken zu “Der Danni – Kampf um eine gelebte Utopie | #DanniBleibt

  1. Diese verdammte(n) Regierung(en) tötet/n das Leben auf diesem Planeten. Gerade jetzt bräuchten wir eine richtige Regierung. Die trauen sich noch auf die Strasse! Pfui. Mörder! Massenmörder! Den 3.10. feiern und sich auf die Schulter klopfen. Ekelhafte Klimawandelignoranten!

  2. Herzlichen Dank und meinen tiefsten Respekt an alle Aktivisten. Mich macht es unglaublich traurig diese wunderbare Natur zu verlieren und ich habe jeglichen Glauben in die Politik verloren. Wann endlich lernen wir, dass wir endlich einen anderen Weg einschlagen müßen?

  3. Für die Beschützer des Waldes:
    Richard Powers: „Die Wurzeln des Lebens“, Zitat:

    Wir fanden heraus, dass Bäume miteinander kommunizieren, durch die Luft und über ihre Wurzeln. Wir stellten fest, dass Bäume füreinander sorgen. Samenkörner speichern die Erinnerung an die Jahreszeiten ihrer Kindheit und treiben entsprechend ihre Knospen. Bäume spüren die Anwesenheit anderen Lebens in ihrer Nähe. Bäume lernen, sparsam mit Wasser umzugehen. Bäume füttern ihren Nachwuchs, synchronisieren ihre Mastzeiten, nutzen Ressourcen gemeinsam, warnen Artgenossen, senden Hilferuf an Wespen, damit sie kommen und sie vor Angreifern schützen.
    Ein Wald weiß Dinge. Die Bäume stehen über ihr unterirdisches Netzwerk in Verbindung. Es gibt dort unten Gehirne in einer Gestalt, die wir mit unserem Menschenhirn gar nicht erfassen können. Wurzelwindungen, die Probleme lösen und Entscheidungen fällen. Pilz-Synapsen. Wie wollen Sie es sonst nennen? Verbinden Sie genug Bäume und ein Wald entwickelt Bewußtsein.“

    Haltet durch. Rainer Sagawe, Hameln

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