Das Jahr 2020 nähert sich dem Ende und wir blicken auf ein bewegtes Jahr zurück. Kürzlich veröffentlichten die ARD ihren dreiviertelstündigen Jahresrückblick. Während zahlreiche Themen beleuchtet wurden, fehlte ein Thema, das entscheidend ist für dieses Jahr 2020, aber auch für die kommenden Jahre: Die Klimakrise.
Dabei wurden wir in diesem Jahr mit den Folgen der Klimakrise konfrontiert, wir haben Waldbrände, Dürre-Wellen und Überschwemmungen erlebt und Temperaturrekorde gemessen. Wir haben auch erlebt, wie eine weltweite Pandemie die globale Klimagerechtigkeitsbewegung vor große Herausforderungen gestellt hat, wie unsere Streiks abgesagt werden mussten – aber auch, wie dennoch Millionen von Menschen kreative Wege fanden, Klimaschutz zu fordern, wie wir weltweit mutig und solidarisch Zeichen setzten und für die Welt einstanden, in der wir leben wollen.
Wir haben einige Höhen und Tiefen in diesem Jahr miterlebt und vieles gelernt. Lasst uns also gemeinsam auf das Jahr 2020 zurückblicken.
Das Jahr 2020 – die Fortsetzung des Kampfs für die Klimagerechtigkeit
„Wir müssen alles menschenmögliche unternehmen, um diese Menschheitsherausforderung zu bewältigen“ – so hieß es vor einem Jahr in der Neujahrsansprache unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel. Kurz zuvor war das bei weitem nicht ausreichende Klimapäckchen der Bundesregierung verabschiedet worden und wir bereiteten uns darauf vor, weiterhin Druck auf den Straßen zu machen, damit die Bundesregierung ihren leeren Worten auch Taten folgen lassen würde. So gingen am 17. Januar bei einer regionalen Großdemo in Mainz 12.000 Menschen unter dem Motto „Die Uhr tickt – für unseren Planeten“ auf die Straße, um auf die Dringlichkeit der Klimakrise hinzuweisen, die schon jetzt für Millionen Menschen Realität ist.
Zahlreiche Demonstrierende fanden sich auch rund um das Weltwirtschaftsforum in Davos ein, das wir zum Weltklimaforum machten. Das Thema war in zahlreichen Debatten präsent und Klimaktivist:innen vor Ort machten unsere Forderungen unüberhörbar. Unter ihnen auch die 24-jährige Klimaaktivistin Vanessa Nakate, die in Uganda trotz großer Widerstände, wie Strafen für protestierende Studierende, die Fridays for Future-Bewegung organisiert. In der Berichterstattung über eine Pressekonferenz, in der fünf Fridays for Future-Repräsentatinnen vertreten waren, von denen vier weiß*waren, wurde Vanessa, die einzige Vertreterin von Fridays for Future auf dem afrikanischen Kontinent war, aus dem Bild herausgeschnitten. Dieses Erlebnis kann sinnbildlich für die Erfahrungen der vielen Menschen mit Rassismuserfahrung und der Menschen aus dem globalen Süden stehen, die häufig nicht nur die Folgen der Klimakrise am stärksten spüren, sondern auch schon seit Jahrzehnten ganz vorne im Kampf gegen Naturzerstörung und Klimawandel stehen, und deren Stimmen immer noch viel zu häufig überhört werden. Es war eines der ersten Ereignisse im Jahr 2020, die uns bewusst machen sollten, dass Klimagerechtigkeit nicht ohne Antirassismus möglich ist.
Siemens schürt Feuer
Dass im Jahr 2020 die Klimakrise nicht mehr nur unsere Zukunft, sondern auch unsere Gegenwart bedroht, wurde mal wieder auch sehr deutlich, als die Bilder von den Buschbränden in Australien um die Welt gingen. Bilder von Bränden, die schlimmer waren, als die im gesamten Jahrzehnt zuvor. Während große Teile des Landes durch die Klimakrise angeheizt in Flammen standen und von Rauchschwaden überzogen wurden, hielt Siemens weiter daran fest, eines der zerstörerischsten Projekte weltweit zu unterstützen: die Adani-Kohlemine in Australien. Siemens hatte einen Vertrag geschlossen, Signaltechnik für die größte Mine der Welt zu liefern, die nicht nur die Klimakrise weiter anheizen wird, sondern auch auf heiligem Land der indigenen Bevölkerung entstehen sollte und jährlich Milliarden Liter Wasser verbrauchen würde. Daher forderten wir von Siemens, die eigentlich versprochen haben, bis 2030 klimaneutral zu werden, die Beteiligung an diesem zerstörerischen und nicht zukunftsfähigen Projekt zu stoppen, mit dutzenden Aktionen überall in Deutschland und einer Petition, die innerhalb nur weniger Tage mehr als 70.000 Unterschriften hatte.
Anfang Februar protestierten wir vor und in der Versammlung der Aktionär:innen von Siemens. Während wir draußen demonstrierten, mahnte Helena als Sprecherin für Fridays for Future in ihrer Rede vor der Hauptversammlung von Siemens die Aktionär:innen deutlich, ihre Verantwortung für die jetzigen und kommenden Generationen nicht zu verletzten.
Doch nicht nur gegen Kohleminen in Australien, sondern auch gegen Kohlekraftwerke in Deutschland legten wir lauten Protest ein. Schon im Januar hatten wir in einem offenen Brief kritisiert, dass mit Datteln IV inmitten der Klimakrise ein neues Kohlekraftwerk in Betrieb genommen werden sollte. Als die finnische Ministerpräsidentin in Deutschland zu Besuch war, machten Klimaktivist:innen in Berlin nochmal deutlich, dass Datteln IV nicht ans Netz gehen darf, denn der finische Staatskonzern Fortum ist Hauptanteilseigner des Konzerns Uniper, der Datteln IV entgegen der Empfehlungen der Kohlekomission ans Netz gehen lassen wollte.
Während die großen Konzerne also weiterhin darauf setzten, unsere Zukunft zu verheizen, stiegen die Temperaturen in der Antarktis mit über 18°C auf die höchsten Werte seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Wieder einmal ein höchst alarmierendes Zeichen dafür, dass jetzt schnell gehandelt werden muss.
Hamburg wählt Klima!
Dieser Meinung waren auch über 60.000 Menschen, die im Februar 2020 in Hamburg kurz vor der Kommunalwahl auf die Straßen gingen. Bei den Wahlen – das zeigten repräsentative Umfragen – war Klima und Umwelt das wahlentscheidende Thema.
Am 19.02.2020 fand der feige und menschenverachtende Anschlag von Hanau statt. Der Täter erschoss aus rassistischen Motiven neun Personen, sowie seine Mutter und sich selbst. Wenn wir diesen Jahresrückblick schreiben, sind unsere Gedanken bei allen Betroffenen und den Angehörigen, deren Leben sich an diesem Tag auf so grausame Art und Weise veränderte. Wir als Fridays for Future solidarisierten uns im Februar etwas verspätet erst am nächsten Tag mit den Betroffenen. Viele Aktivist:innen forderten eine antirassistische Praxis in unserer Bewegung ein, weil Klimagerechtigkeit nicht ohne die Aufarbeitung und Überwindung von Rassismus, Faschismus und Ausbeutung geschehen kann. Die Auseinandersetzung mit diesem Thema begleitete uns das ganz Jahr und wird es auch weiterhin.
Im Zuge des Anschlags in Hanau gründeten sich Migrantifa-Gruppen und auch in Fridays for Future gründete sich die Migrantifa for Future, in der sich BIPOC’s, migrantische Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund sammelten, die in FFF aktiv sind.
Fight every Crisis
Ein ganz anderes Thema, das uns aber auch über das ganze folgende Jahr begleiten sollte, war die Corona-Pandemie. Ende Februar/Anfang März stiegen auch hierzulande die Infektionszahlen zunehmend. Schweren Herzens, aber getreu unseres Mottos „Listen to the Science“ zogen wir im März die Konsequenzen und sagten die geplanten Großstreiks in Bayern ab.
Stattdessen verlegten wir die Demonstrationen unter dem Hashtag #ClimateStrikeOnline ins Netz und organisierten mit dem Programm #WirBildenZukunft innerhalb kürzester Zeit zahlreiche Online-Webseminare für Klimabildung, die auf Youtube zahlreiche Klicks erhielten, in und über Deutschland hinaus. Auch die Public Climate School der StudentsForFuture vervollständigte die Wissensangebote im Netz.
Immer wieder wurde während des ersten Lockdowns in den Medien die Frage diskutiert, ob Fridays for Future als Bewegung diese Zeit überstehen würde, anstatt zu fragen, wie es Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wohl gelingen würde, die beiden Krisen, Corona-Krise und Klimakrise gemeinsam zu bewältigen. Fast ein Jahr und zahlreiche kreative Aktionen und coronakonforme Proteste später können wir sagen: Wir mussten uns von Anfang an nicht um das Bestehen von Fridays for Future, sondern um die Klimapolitik der Großen Koalition Sorgen machen.
Der größte Onlinestreik aller Zeiten!
Das wir uns auch von der Corona-Pandemie nicht stoppen lassen würden, zeigten wir schon am 24.April, als wir das erste Mal seit Beginn der Corona-Krise öffentlichen coronakonformen Protest organisierten: Auf unserer Streikkarten trugen sich mehr als 87.000 ein, um zu zeigen, dass sie bei sich vor Ort ein Zeichen für Klimagerechtigkeit setzten und im bisher größten Digitalstreik Deutschlands nahmen rund 214.000 Menschen an dem Youtube-Livestream teil. Gleichzeitig fanden unter Berücksichtigung der Corona-Schutzmaßnahmen zahlreiche kreative Aktionen überall in Deutschland statt und wir sammelten über 15.000 Protestschilder und legten sie vor das Reichtagsgebäude, stellvertretend für all diejenigen, die normalerweise auf der Straße gewesen wären.
Vier Datteln statt Datteln IV
Wie dringend nötig unsere Proteste auch während der Corona-Pandemie sind, um ein Umdenken zu bewegen, zeigte Datteln IV. Denn das höchst umstrittene Kohlekraftwerk, das eigentlich nach den Plänen der Kohlekomission gar nicht mehr ans Netz gehen sollte und gegen das es mehrere Klagen gab, wurde Ende Mai trotz massiver Proteste der Zivilgesellschaft in Betrieb genommen. Das Kohlekraftwerk wird mit Kohle befeuert, die unter anderem aus Kolumbien und Russland kommt und dort unter menschenrechtlich bestenfalls fragwürdigen Bedingungen abgebaut wird und ist klimapolitisch eine Katastrophe. Während zahlreiche europäische Länder den Kohleausstieg schon umgesetzt haben oder in nächster Zukunft erreichen, nahm Deutschland, das mit seinen Plänen für einen Kohleausstieg 2038 sowieso schon nicht mit dem 1,5°C-Ziel konform ist, im Jahr 2020 noch ein neues Kohlekraftwerk in Betrieb…
Klimagerechtigkeit heißt Antirassismus
Doch nicht nur die Proteste für die Einhaltung des 1,5°C-Ziels, sondern auch der Kampf gegen Rassismus brachte weltweit Menschen auf die Straßen und löste Wellen der Solidarität aus. Anlass für die weltweite Aufmerksamkeit für die schon seit 2013 bestehende Black Lives Matter-Bewegung war allerdings ein sehr trauriger, nämlich der brutale Tod des Familienvater Georg Flyod, der durch einen weißen Polizisten ermordert wurde. Flyod war nicht das erste und blieb leider auch nicht das letzte Opfer willkürlicher und rassistischer Polizeigewalt. Black, Indigenous und People of Colour erfahren weltweit tagtäglich rassistische Gewalt und Diskriminierung. Deshalb kann die Auseinandersetzung mit Rassismus und die Solidarität, die durch die Stärke der weltweiten Black Lives Matter-Bewegung ausgelöst wurden, auch nur ein Anfang gewesen sein und muss auch dann weitergehen, wenn die Protestierenden nicht mehr ständig auf den Straßen ihre Rechte einfordern. Dass wir als Fridays for Future uns erst im Juni, also mehr als eine Woche nach dem Mord an Georg Flyod mit all denjenigen, die gegen Rassismus kämpfen solidarisierten, löste innerhalb unserer Bewegung viele Diskussionen aus und zeigt, dass auch wir noch einiges lernen müssen, um unserer Verantwortung als Teil der Klimagerechtigkeitsbewegung gerecht zu werden. Es gab nur wenige öffentliche Statements. Aber viele Ortsgruppen beteiligten sich an den Black Lives Matters-Protesten, die auch in Deutschland in zahlreichen Städten zehntausende Menschen auf die Straßen brachten. Am 14.06. waren wir Teil des Bündnis #unteilbar, das viele zivilgesellschaftliche Initiativen und Bewegungen vereinte und unter anderem unter Einhaltung der Sicherheitsabstände mit Menschenketten ein Zeichen für eine solidarische Gesellschaft setzte.
#KlimazielStattLobbyDeal
Der Juni war vom ersten Tag an ein ereignisreicher Monat für uns. Am 02. Juni 2020 entschied die Bundesregierung über die Corona-Hilfspakete, die die wirtschaftlichen Folgen der Krise abfedern sollten. Wir forderten daher mit coronakonformen Protesten die sozial-ökologische Gestaltung der Milliardenpakete und gingen am 01. Juni in mehr als 50 Städten Deutschlands unter dem Motto #KlimazielStattLobbydeal für ein 1,5°C-konformes Rettungspaket auf die Straßen. Wir vereinten unsere Kräfte mit der Gewerkschaft ver.di und dem Paritätischen Gesamtverband und forderten gemeinsam in der Bundespressekonferenz ein sozial und ökologisch gerechtes Konjunkturpaket. Es waren mit Sicherheit auch unsere Proteste und die zahlreichen, lauten Stimmen aus der Zivilgesellschaft die schließlich verhinderten, dass als Teil des Konjunkturpakets eine Abwrackprämie für Autos mit Verbrenner-Motoren verabschiedet wurde, wie es von Teilen der Politik und der Autolobby zunächst gefordert wurde.
Während wir es schafften diese klimaschädliche Maßnahme zu stoppen, ignorierte die Politik in anderen umstrittenen Fragen die Bedenken der Zivilgesellschaft und zahlte der Lufthansa beispiellose 9 Milliarden Euro, ohne daran irgendwelche ökologischen Bedingungen zu knüpfen.
Die ersten Tage des Junis waren also sehr ereignisreich und wir blieben laut für Klimagerechtigkeit. Am 04. Juni versammelten sich Aktivist:innen vor dem Hauptgebäude des Unternehmen HeidelbergCement, welches nach dem Kohlekonzern RWE das klimaschädlichste Unternehmen im DAX ist. Sie protestierten während der virtuellen Hauptversammlung der Aktionär:innen corona-konform gegen die Untergrabung von Menschenrechten durch das Unternehmen und die mangelhafte Klimabilanz, die – wenn alle Unternehmen eine ähnliche Bilanz vorweisen würden – zu mehr als 10°C Erderwärmung führen würde.
Zum Ende des Junis gingen wir dann in einem Aktionswochenende auf die Straße, um gegen die Rodungen des Danni, eines jahrhunderte alten Waldes in einem Trinkwasserschutzgebiet in Hessen der für eine Autobahn abgeholzt werden soll, zu protestieren. Dies war nur der Auftakt zu vielen weiteren Protesten gegen die Rodungen, die schnell zum Symbol rückwärtsgewandter Mobilitätswende wurden.
Protestreich ging es auch im Juli weiter. Denn die Bundesregierung legte ein absolut unzureichendes Kohleausstiegsgesetz vor, das den Kohleausstieg herauszögert und zudem teuer und ineffektiv ist. Mehr als 27.000 Wissenschaftler:innen legten in einem Statement gravierende Mängel an dem Gesetz dar und zeigten auf, dass der Kohleausstieg 2030 möglich und dringend nötig ist. In zahlreichen Städten gingen wir deshalb auf die Straßen, um gegen das Kohleausstiegsgesetz, das eher einem Kohleeinstiegsgesetz ähnelte, zu protestieren.
Protestcamps fürs Klima
Klimagerechtigkeits-Aktivist:innen in Augsburg nahmen das Versagen der Politik, den Kohleausstieg ökologisch und sozial gerecht zu gestalten, zum Anlass ein Klimacamp zu gründen. Tag und Nacht protestierten sie neben dem Rathaus und wehrten sich auch juristisch erfolgreich gegen eine Klage der Stadt Augsburg. Weitere Städte folgten ihrem Beispiel und so entstanden überall in Deutschland, zum Beispiel in München, Halle und Hamburg Klimacamps, die zum Anlaufpunkt für alle Menschen wurden, die sich für eine klimagerechtere Welt einsetzen wollen, wurden. Das Klimacamp in Augsburg besteht auch zum Zeitpunkt dieses Berichtes, ein halbes Jahr später weiterhin und Aktivist:innen halfen ein Klimacamp in Ravensburg zu errichten, welches allerdings am 29.12 geräumt wurde. Ihr Engagement sorgte auch dafür, dass Augusburg nun einen 1,5°C-Plan bekommt. Aktiv ist im Dezember 2020 auch das Klimacamp in Nürnberg.
Face The Climate Emergency
Doch nicht nur deutschlandweit, sondern auch auf EU-Ebene machten wir den politischen Entscheidungsträger:innen deutlich, dass die Klimakrise nicht mehr warten kann. In einem offenen Brief, den weit über 120.000 Menschen aus 50 Ländern (https://climateemergencyeu.org/) unterschrieben, forderten wir unter anderem den Stopp der Subventionierung fossiler Brennstoffe, den Einsatz der EU für Anerkennung von Ökozid als Verbrechen vor dem internationalen Strafgerichtshof, jährliche und verbindliche CO2-Budgets und Klima-Strategien, die die am stärksten betroffenen Menschen schützen und Ungerechtigkeit überwinden.
Den Brief übergaben Fridays for Future-Aktivist:innen bei einem persönlichen Treffen mit EU-Komissionschefin Ursula von der Leyen. Wir werden auch weiterhin sehr genau hinschauen, inwiefern die EU unsere Forderungen umsetzt.
Nicht nur in der EU, sondern auch global war der Juli ein wichtiger Monat für Klimagerechtigkeit. Angesichts des anstehenden Treffen der G20-Finanzminister:innen schrieben 20 Fridays for Future-Aktivist:innen aus dem globalen Süden einen deutlichen offenen Brief, in dem sie einen gerechten und nachhaltigen Neustart für die Weltwirtschaft forderten. Durch eine erfolgreiche internationale Zusammenarbeit der Fridays for Future-Gruppen kam ein Online-Treffen mit Finanzminister Scholz zustande, bei dem die Aktivist:innen, darunter Mitzi Jonelle Tan aus den Philippinen und Hilda Nakabye aus Uganda, ihre Forderungen nach konkreter und ehrgeiziger Klimapolitik nochmals deutlich machten.
Im August starten wir ein Projekt in Kooperation mit Aktivist:innen, die zu den meist betroffenen Menschen durch die Klimakrise gehören, das auch im kommenden Jahr eine große Rolle spielen wird. Gemeinsam werden wir 2021 zum Jahr für Klimagerechtigkeit machen!
Eine sozialökologische Verkehrswende?
Wie Klimagerechtigkeit hier bei uns aussehen kann, zeigten wir Ende Juli gemeinsam mit der Gewerkschaft ver.di, indem wir eine sozialökologische Verkehrswende forderten. Im Verkehrssektor sind die Emissionen in den letzten Jahren gestiegen statt gesunken – um das 1,5°C-Ziel einzuhalten müssen wir daher den öffentlichen Nahverkehr stärken und ausbauen und bessere Arbeitsbedingungen schaffen. Dies machten wir in einer gemeinsamen Pressekonferenz und Kampagne deutlich. Gemeinsam gingen wir für die Verkehrswende mit vielen verschiendenen Aktionen bis in den August hinein auf die Straßen.
Doch nicht nur die Verkehrs- sondern auch die Energiewende bewegte uns im Sommer 2020. Am 14.08 protestierten wir gemeinsam mit Aktivist:innen aus 13 Ländern vor dem neuen Kohlekraftwerk Datteln IV dafür.
Treffen mit Merkel
Aus dem Protest einer einzelnen Jugendlichen vor dem schwedischen Parlament wurde eine internationale, unüberhörbare Bewegung für Klimagerechtigkeit. Genau zwei Jahre nachdem Greta Thunberg ihren Schulstreik fürs Klima begonnen hatte, traf sich nun Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Fridays for Future-Aktivistinnen Greta Thunberg, Anuna de Wever, Adélaïde Charlier und Luisa Neubauer.
Aus dem Gespräch entspann sich eine Debatte um das Handelsabkommen Mercursor mit Brasilien, wo aktueller Regenwald massivst gerodet wird. Nicht zu vergessen ist die indigene Bevölkerung, deren Rechte unter Bolsonaro immens eingeschränkt werden und indigene Aktivistis umgebracht werden. Dennoch ist die indigene Bevölkerung stark an der vordersten Front vertreten. Das Abkommen enthielt keine ausreichenden Klima- und Umweltschutz Verpflichtungen.
Im Oktober kippte schließlich das EU-Parlament unter anderem aus diesem Grund vorerst das Abkommen. Auf die Brände im Amazonas machten wir mit Aktionstagen Ende August nochmal klar und deutlich aufmerksam und forderten ein Gegenmodell zu Handelsverträgen, die die Zerstörung eines des größten CO2-Speichers der Erde und des Zuhause für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten ebenso wie Landraub an indigener Bevölkerung achselzuckend hinnehmen: Ein Lieferkettengesetz zum Schutz globaler Wälder! Gemeinsam mit der Kampagne #TogetherForForests sammelten wir über eine Millionen Unterschriften für ein europäisches Gesetz, das Unternehmen dazu verpflichtet, Waldzerstörung in ihren Lieferketten zu verhindern.
The world on fire!
Nicht nur der Amazonas-Regenwald, sondern auch viele weitere Wälder weltweit standen diesen Sommer in Flammen. Die Bilder von den Waldbränden in den USA, die den Himmel orangerot färbten gingen um die Welt. Dies waren jedoch nur einige besonders anschauliche Bespiele, wie die Klimakrise schon jetzt für Zerstörung und Leid sorgt und unsere Zukunft kaputt macht. Deshalb reichten im September junge Menschen in Deutschland und 32 weiteren Ländern Klimaklagen ein, weil die Klimakrise unsere Rechte verletzt. Und nicht nur das: Im September protestierten wir beim globalen Klimastreik am 25.09 weltweit mit 3.211 Aktionen, um eine gerechte, sicherere Gegenwart und eine nachhaltige Zukunft zu fordern. Allein in Deutschland gingen über 200.000 Menschen mit Abstand und Maske auf die Straße und forderten eine ambitioniertere Klimapolitik.
Im Vorfeld des globalen Klimastreiks gestalteten Fridays for Future Aktivist:innen die Zeitunsgausgaben der taz, des Sterns und der Hamburger Morgenpost und zeigten so, wie angemessene Berichterstattung über die Klimakrise und Lösungsansätze aussehen kann. Am sich dem Klimastreik direkt anschließenden Aktionswochenende streikten mehr als zehntausend Menschen gemeinsam mit Anwohner:innen von „Alle Dörfer bleiben“ in den Kohleabbaugebieten für die Energiewende und gegen die weitere Zerstörung von Dörfern und Wäldern für den Klimakiller Kohle.
In einer Recherche mit dem investigativen Journalismus-Netzwerk Correctiv deckten wir auf, dass jede fünfte Kommune in NRW noch immer direkt oder indirekt am Kohlekonzern RWE beteiligt ist, der Deutschlands klimaschädlichstes Unternehmen ist und zu den 100 Unternehmen gehört, die weltweit für 71% der industriellen Treibhausgase verantwortlich sind. Dass das den Menschen in Deutschlands größtem Bundesland mit vielen Kohleabbaugebieten nicht recht ist, zeigten auch die Kommunalwahlen in denen die Klimapolitik das wahlentscheidenste Thema war.
Klima ist wahlentscheidend – und dennoch schaffen es politische Entscheidungsträger:innen größtenteils immer noch nicht eine Politik zu machen, die mit dem 1,5°C Ziel im Einklang steht. Dies ist auch auf EU-Ebene der Fall, der groß angekündigte Green Deal der EU-Komission und ihre Reduktionsziele erfüllen nicht, was in der aktuellen Klimakrise geboten wäre.
Daher präsentierten wir im Oktober unsere EU-Forderungen, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren: Die EU muss bis 2030 ihre Emissionen um 80% senken und bis 2035 klimaneutral werden, damit es möglich ist, dass 1,5°C Ziel nicht zu überschreiten. Die EU-Komission sah gerade mal 55% Reduktion vor, welche das Parlament auch durch den enormen Druck aus der Zivilgesellschaft immerhin auf 60% erhöhte. Die EU-Mitgliedstaaten einigten sich schließlich auf das 55%-Ziel.
Wir werden also auch im neuen Jahr weiterhin Druck ausüben müssen, damit die EU wirklich ihre Verantwortung in der Krise wahrnimmt und eine 1,5°C-konforme Klimapolitik umsetzt. Auch bei der Gestaltung der europäischen Agrarpolitik waren wir laut und deutlich mit unseren Forderungen nach einer zukunftfähigen, klimafreundlichen Landwirtschaft dabei. Klimapolitik im Jahr 2020 über unsere Köpfe hinweg zu entscheiden, war nicht mehr möglich!
Wir stellen aber nicht einfach nur Forderungen, sondern zeigen immer wieder auf, welche wissenschaftliche Ergebnisse und Lösungsansätze es gibt. So stellten wir im Oktober unsere Machbarkeitsstudie vor, die das renommierte Wupptertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie gemeinsam mit uns erarbeitet hat. Die Studie zeigt: Es ist möglich in Deutschland eine Politik zu machen, die mit dem 1,5°C Ziel im Einklang ist – wenn der politische und gesellschaftliche Wille da ist. So eine Studie in Auftrag zu geben, wäre eigentlich Sache der Bundesregierung gewesen, spätestens nachdem sie das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet hatte. Doch diese hält sich leider immer noch an rückwärts gewandter Politik in den entscheidenen Bereichen fest, statt die so dringend nötige Transformation anzugehen.
Dies zeigte sich exemplarisch am Danni und der verfehlten Verkehrspolitik, die dahinter steckt, wenn im Jahr 2020 ein Wald für eine Autobahn gefällt wird, während der Ausbau von zum Beispiel Schienenverkehr und weitere klimafreundliche Verkehrsstrategien sträflich vernachlässigt werden. Die Proteste für den Erhalt des Dannis weiteten sich dementsprechend zu einer deutschlandweiten Debatte um die Mobilitätswende aus. Auch wenn der Danni trotz des unermüdlichen Engagement von zahlreichen Aktivist:innen schließlich nicht gerettet werden konnte, haben die vielfältigen Proteste doch sehr deutlich gemacht, dass wir hinschauen und unbequem sind, wo unsere natürlichen Lebensgrundlagen zerstört werden und dass Politiker:innen sich nicht darauf verlassen können, damit durchzukommen.
Das zeigten auch verschiedene unserer Ortsgruppen, wie Köln, Bonn, Ravensburg etc., die in Solidarität ebenfalls Baumbesetzungen organisierten oder im Danni vor Ort protesteierten, genau wie andere Akteure wie Ende Gelände oder „Wald statt Asphalt“. Und auch nach der Rodung sind Aktivist:innen vor Ort und in der Umgebung, denn: der Danni ist nicht verloren. Wir bleiben und wir sind unbequem und laut.
Dies gilt auch für die im kommenden Jahr anstehende Bundestagswahl. Diese Wahl wird über die Klimapolitik der nächsten vier Jahre bestimmen und damit entscheidend dafür sein, ob wir die Klimakrise noch unter Kontrolle bekommen können. Daher werden wir die Bundestagswahl zur Klimawahl machen. Wir messen die Parteien daran, ob sie glaubhafte Vorschläge vorlegen, wie Deutschland eine 1,5°C-konforme und klimagerechte Politik machen kann.
Als erste der aktuellen Parteien im Bundestag beschlossen die Grünen im November auf Druck ihrer Basis und der Zivilgesellschaft das Bekenntnis zum 1,5°C-Ziel. Bei den anderen Parteien warten wir noch auf Vergleichbares, denn das sollte für alle Parteien, die die enorme Verantwortung übernehmen wollen, die nächsten vier Jahre zu gestalten die Mindestanforderung sein.
Apropos Wahlen: Gute Nachrichten gab es im November aus den USA. Mit dem Wahlsieg von Joe Biden ist nun wieder ein Präsident an der Macht, der wissenschaftliche Fakten anerkennt und dementsprechend auch ankündigte, dem Pariser Klimaabkommen, aus dem die USA unter Trumps Führung ausgetreten waren, wieder beizutreten. Dies war ein deutlicher Lichtblick für die internationale Klimapolitik, die ansonsten 2020 überschattet war von der Corona-Pandemie.
Die eigentlich für November geplante UN-Klimakonferenz in Glasgow wurde wegen des Virus abgesagt. Viele Staaten drückten sich dementsprechend darum, wie im Pariser Klimaabkommen vertraglich festgehalten, ihre Klimaziele fünf Jahre nach ihrer Verabschiedung 2015 zu überprüfen und nachzubessern. Deutschland und die EU legten zwar neue Ziele vor, diese sind aber bei weitem nicht ausreichend. Die Corona-Krise kann keine Ausrede sein, die noch viel größere Klima-Krise zu ignorieren. Wir werden deshalb im kommenden Jahr ganz klar machen, was wir erwarten, wenn sich die Staats- und Regierungschef:innen bei der nächsten Klimakonferenz treffen. Nämlich dass sie für das 1,5°C Ziel kämpfen müssen!
So setzen wir am fünften Geburtstag des Pariser Klimaabkommen weltweit dann auch unter dem Motto #FightForOnePointFive in insgesamt 1934 Städten in 147 Ländern ein Zeichen für die Welt in der wir leben wollen. Unser globales Versprechen für das Pariser Klimaabkommen unterzeichneten bisher fast 10.000 Inidividuen, 330 Gruppen und 91 Unternehmen.
Und passend zu unserem zweiten Bewegungs-Geburtstag leisteten sich die Regierung und Wirtschaftsminister Peter Altmaier einen Skandal sonder gleichen. Der SPIEGEL machte öffentlich, wie die Regierung Monate lang eine Studie verheimlichte, die deutliche Worte über die falschen Entscheidungen im Kohleausstiegsgesetz sprach. Klammheimlich lies Altmaier so zum Beispiel unter den Tisch fallen, dass die Zerstörung der Dörfer im rheinischen Braunkohlerevier völlig unnötig ist. Die Empörung darüber war groß, nicht nur in der Klimagerechtigkeitsbewegung.
Fünf Jahre Paris-Abkommen, die Wahlen in den USA, die globale Corona-Pandemie: 2020 wird sicherlich in die Geschichtsbücher eingehen. Es war in vielerlei Hinsicht ein hartes Jahr für jede:n einzelne:n von uns, aber auch für uns als Bewegung. Wir konnten uns nicht mehr in Präsenz sehen, mussten neue Wege finden, sowohl um unsere Lieben zu sehen, ohne sie zu gefährden, als auch, um unseren Protest sichtbar zu machen. Wir sind durch einige Höhen und Tiefen gegangen in diesem Jahr. Wir haben die Folgen der Klimakrise deutlich gesehen und gespürt, aber auch immer wieder die Hoffnung und Solidarität der vielen Menschen, die sich gemeinsam auf vielfältige Art und Weise für eine bessere, gerechtere Zukunft einsetzen. Wir haben viel gelernt und einige Gedankenanstöße mitgenommen, die uns in das neue Jahr begleiten werden.
Und wenn wir auf dieses Jahr 2020 zurückschauen, können wir auch sagen: Wir haben unglaublich viel erreicht.
Danke an jede einzelne Person, die Teil davon war und Fridays for Future zu der lebendigen Bewegung macht, die wir sind.
2020 wird sicherlich in die Geschichtsbücher eingehen, als ein Jahr, das von Krisen geprägt war. Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass auch 2021 ein historisches Jahr wird. Ein Jahr, das in die Geschichtsbücher eingeht, weil wir unsere Gesellschaften nachhaltig, solidarisch und resilient wieder aufbauen, weil wir effektiven Klimaschutz umsetzten und energisch an einer gerechteren Gegenwart für alle arbeiten.
Frohes Neues Jahr 2021 uns allen!