Nach langwierigen Verhandlungen zur Tagesordnung kann es endlich so richtig mit der COP losgehen – und prompt gibt es Hinterzimmerdeals, abwesende Staats- und Regierungschef:innen und (Spoiler!) erste führungslose Worte beim “Leader Summit”. Aber der heutige Tag hatte auch etwas Gutes: Keir Starmer, der britische Premier, hat ambitionierte Klimaziele angekündigt. Alle Infos im Text:
starke worte
“The world must pay up, or humanity will pay the price,” – Antonio Guterres, UN-Generalsekretär.
Streit um die Tagesordnung
Auch diese COP begann bereits mit einigen Problemen, da es von Anfang an lange Diskussionen um die Agenda gab. Schon in den Vorverhandlungen, die gestern bis tief in die Nacht dauerten, konnte keine Einigung erzielt werden. Auch am ersten Konferenztag wurde das Plenum mehrfach vertagt, bis man sich endlich gegen 20:00 Uhr auf eine gemeinsame Agenda einigte.
Der Streit um die Agenda ist ein Dauerbrenner, der sich durch alle jährlichen Weltklimakonferenzen zieht. Denn nur die Themen, die in ihr aufgenommen werden, dürfen dann auch besprochen werden. Alles, was nicht gelistet ist, muss außen vor bleiben – ein Grund, warum sich hier oft erste Differenzen abzeichnen.
Der große Knackpunkt war der Vorschlag der BASIC-Gruppe – Brasilien, Südafrika, Indien und China – für einen Punkt zu „einseitigen klimaschutzbedingten Handelsmaßnahmen“. Die Gruppe kritisierte, dass einige Industrieländer ihrer Meinung nach Protektionismus (also das Beschützen der eigenen Wirtschaft gegen andere Staaten) unter dem Deckmantel des Klimaschutzes betreiben. Solche Maßnahmen würden die Kosten des globalen Klimaschutzes in die Höhe treiben und Entwicklungsländer daran hindern, ihre Klimaziele zu erreichen. Die BASIC-Gruppe sieht darin einen Bruch mit den Prinzipien der UN-Klimavereinbarungen und der internationalen Zusammenarbeit.
Besonders im Fokus stand die CO2-Grenzausgleichsabgabe (CBAM) der EU, eine Art CO2-Steuer auf Importe aus Ländern ohne eigenen CO2-Preis. Die EU argumentiert, dass diese Abgabe nötig ist, um zu verhindern, dass Unternehmen ihre Produktion in Länder mit schwächeren Umweltauflagen verlagern und so internationale “CO2-Lecks” entstehen. Die BASIC-Staaten kritisieren das jedoch als einseitig und unfair. Auch der US-amerikanische Inflation Reduction Act (IRA) sorgte für Unmut, da er ähnliche Handelsvorgaben enthält. Am Ende hat es das Anliegen der BASIC-Gruppe übrigens nicht auf die Agenda geschafft – ein Sieg für den Klimaschutz!
Einigung beim Emissionshandel
Noch spät am ersten Tag der Klimakonferenz einigten sich 200 Staaten auf Konzepte für den Emissionshandel, die seit der COP20 in Paris in Arbeit waren. Diese Praktik existiert bereits im “freiwilligen Kompensationsmarkt”. Das Prinzip ist simpel: Unternehmen können untereinander sogenannte “CO2-Zertifikate” kaufen und verkaufen. Diese Zertifikate berechtigen, CO2 auszustoßen. Der Handel und die Bepreisung von Emissionen soll einen Anreiz schaffen, Emissionen zu sparen und die Industrie umzustellen.
Emittiert ein Land oder ein Unternehmen mehr Treibhausgase, als es die Klimaziele zulassen, lässt sich das durch den Kauf von Zertifikaten (pro Tonne CO₂) ausgleichen. Der Beschluss der Klimakonferenz soll zu hoher Transparenz und Vertrauenswürdigkeit im Marktsystem beitragen und bezieht sich auf Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens. Dieser besagt, dass Länder (und damit auch Unternehmen) auch miteinander kooperieren können, um ihre Klimaziele zu erreichen.
Sounds good on paper – viel zu oft führt der Emissionshandel aber nicht zu tatsächlichem, lang anhaltendem Wandel. Durch den Handel können Unternehmen zwar Emissionszertifikate kaufen, ihre eigenen Emissionen reduzieren sie damit aber noch nicht. Dadurch wird nur bilanziell CO₂ eingespart, während reale Emissionen bestehen bleiben oder nur in andere Regionen verlagert werden. Fehlende Kontrollen und geringe Standards führen außerdem dazu, dass zertifizierte Projekte viel zu oft nicht nachhaltig waren, teilweise sogar in Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen, Verletzungen der Rechte indigener Völker und Schäden an lokalen Ökosystemen standen.
All in all: Emissionshandel führt nicht nur zu inkonsequentem Klimaschutz, es birgt außerdem die Gefahr, ein neokoloniales Projekt zu werden: Die Regelungen müssen garantieren, dass Länder des Globalen Nordens nicht einfach weiter business as usual betreiben können, während Länder des Globalen Südens immer stärker unter den Auswirkungen der Klimakrise leiden. Um das zu bewerkstelligen, könnten beispielsweise Just Transition Fonds eingerichtet werden, also gezielte Unterstützung, damit der Übergang zu einer emissionsarmen Wirtschaft nicht auf Kosten wirtschaftlich schwächerer Länder oder Gemeinschaften erfolgt. Auch eine Begrenzung des Handels könnte der Gefahr entgegenwirken, indem Unternehmen nur einen gewissen Prozentsatz ihrer Zertifikate über den Handel abdecken dürfen und ansonsten lokale Emissionen reduzieren müssen.
Ob diese und weitere Vorschläge Teil der Einigung auf der COP29 sind, das wissen wir noch nicht. Klar wurde jedoch, die Verhandlungen wurden undemokratisch geführt und viele Beobachter*innen kritisieren, der Beschluss wurde im Hinterzimmer verhandelt. Das ist extrem fragwürdig, denn es stellt die Glaubwürdigkeit der weiteren Verhandlungen auf der COP infrage. Aber keine Sorge, wir werden das für Euch weiter beobachten!
ambitionierte ziele von uk
Es gibt sie noch, die guten Nachrichten: Keir Starmer, der sozialdemokratische Premierminister Großbritanniens, gab auf der COP ein neues “NDC”, also ein nationales Klimaziel, bekannt: bis 2035 möchte er die Emissionen um 81% im Vergleich zu 1990 senken. Damit ist er einer der ersten Staats- und Regierungschef:innen, der wie vereinbart ein Ziel für 2035 vorlegt. Deutschland und die EU zum Beispiel haben das bisher noch nicht getan – und dafür nur noch bis Februar Zeit. Er appelliert an die anderen Teilnehmenden, jetzt ebenfalls “ehrgeizige Ziele vorzulegen”.
Dieses Ziel möchte Starmer durch eine Umstellung des Energiesektors bis 2030 erreichen. Sein 4-Punkte-Plan enthält:
- die Dekarbonisierung des Stromsektors (also weg von den fossilen Energien zu kommen)
- einen massiven Ausbau der Offshore-Windenergie (also Windräder auf dem Wasser, statt auf dem Land zu bauen)
- Investitionen in die “Kohlenstoffabscheidung und -speicherung” (das ausgestoßene CO2 also im Boden zu speichern)
- Investitionen in die Kernenergie (also Atomkraftwerke zu betreiben)
Leider sind Punkt 3 und 4 nicht ganz unkritisch – während Atomkraftwerke Hochrisikotechnologien sind, für deren giftigen Abfall wir immer noch keine Endlager gefunden haben, ist CCS = Carbon Capture and Storage (3.) eine bisher unterentwickelte, teure und ineffiziente Technologie – günstiger, klimafreundlicher und einfacher wär es also, direkt auf die Erneuerbaren zu setzen. Unverändert bleibt außerdem das unterambitionierte “Netto-Null” Ziel 2050 – ab diesem Jahr möchte Großbritannien keine Treibhausgase mehr ausstoßen. Zum Vergleich: Deutschland hat sich dieses Ziel für 2045 gesetzt.
Erste Runde des Leader Summit
Heute ging es mit der ersten Runde des Leaders Summit los. Hier ist der Ort für große Ankündigungen und Versprechungen. Davon war heute leider nur wenig zu sehen. Generell darf man sich einen Leaders-Summit nicht unglaublich spannend vorstellen. Über viele Stunden werden die Redner*innen nacheinander aufgerufen und halten dann eine dreiminütige Rede. (Eigentlich sollten das die Staats- und Regierungschefs sein, aber wie wir gestern schon berichtet haben, schwänzen viele wichtige Staatsoberhäupter die diesjährige COP. Ein fatales Zeichen!)
Eröffnet hat diese Reihe an Reden der Präsident Aserbaidschans. In seiner, schwer-anzuhörenden Rede, bezeichnete Ilham Aliyev die Öl- und Gasvorkommen als “Gottes Geschenk” und verteidigt damit seine Haltung, dass es keine Vorgaben zur Begrenzung und Abschaffung von fossilen Energieträgern geben sollte.
Eine unerwartete Rede kam vom Staatschef Weißrusslands, Alexander Lukaschenko. Er machte darauf aufmerksam, dass auch weltweite Kriege massiv zum Treibhausgas-Ausstoß beitragen. Dass dieser Beitrag ausgerechnet von Lukaschenko – der einer der engsten Unterstützer Putins in seinem Krieg gegen die Ukraine ist – lässt sich bestenfalls als spannend bezeichnen.
Starke Worte für die aktuelle klimapolitische Lage fand (wie immer, könnte man meinen) der UN-Generalsekretär Antonio Guterres. Er bringt die Dringlichkeit der Lage auf den Punkt und sagt in seiner Rede, die direkt auf Aliyev folgt: “Wir sind im finalen Countdown, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad. […] Und die Zeit ist nicht auf unserer Seite”
Und auch der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez verdeutlicht die Dringlichkeit der Lage. Katastrophen wie das Hochwasser in Spanien müssen verhindert werden und es gelte nun entsprechende Maßnahmen dafür zu treffen.
Wer sich von einem Leaders Summit also führende Ideen und Konzepte verspricht, der wurde heute leider in die falsche Richtung geführt. Wir fordern für morgen klare Zusagen und mehr klimagerechte statt klimazerstörender Inhalte. Wie Ihr hoffen wir also, uns morgen statt mit lahmer Wortwitze mit tatsächlichen Inhalten melden zu können. Natürlich wird auch eine angemessen kritische Einordnung nicht fehlen, denn wir lassen uns nicht blenden. Bis morgen!
Ihr könnt nicht genug Infos bekommen?! Kein Problem, schaut doch mal bei folgenden Seiten vorbei. Da haben wir u.a. unsere Infos her und dort wird noch ausführlicher zu den einzelnen Themen berichtet.
Weltklimakonferenz – Großbritannien kündigt neues nationales Klimaziel an
Uno-Klimakonferenz in Baku: Großbritannien setzt sich ehrgeiziges neues Klimaziel – DER SPIEGEL
PM remarks at COP29: 12 November 2024 – GOV.UK
https://www.geo.de/amp/natur/news-zur-klimakonferenz–warnungen-vor-betrug-beim-emissionshandel-35207128.html
https://climatemarketnow.com/2024/11/01/uk-cbam-update-what-to-expect-at-cop29/
China sets up COP29 agenda fight with EU on trade measures
COP29: Row over EU’s CBAM stalls day-one progress in Baku | S&P Global Commodity Insights
https://www.focus.de/earth/weltklimakonferenz/weltklimakonferenz-im-news-ticker-auftakt-der-cop-wenigstens-kommen-die-taliban_id_260470733.html