Die Wissenschaft unterstützt unsere Schulstreiks: „Jetzt muss gehandelt werden“
Am 20. August 2018 stellte sich Greta Thunberg zum ersten Mal mit einem Schild ganz allein vor das schwedische Parlamentsgebäude: „Schulstreik für das Klima“. Zehntausende Schüler*innen schlossen sich ihr weltweit an und demonstrieren seitdem freitags unter dem Motto „Fridays for Future“ – und jetzt hat sich die Wissenschaft eindeutig hinter uns gestellt! Und das unter dem Motto: „Scientists for Future“.
In einer gemeinsamen Stellungnahme unterstützen über 16.000 namhafte deutsche, österreichische und Schweizer Wissenschaftler*innen unsere Proteste für mehr Klimaschutz. Nachzulesen ist diese beispielsweise hier.
Darin steht unter anderem: „Nur wenn wir rasch und konsequent handeln, können wir die Erderwärmung begrenzen, das Massenaussterben von Tier- und Pflanzenarten aufhalten, die natürlichen Lebensgrundlagen bewahren und eine lebenswerte Zukunft für derzeit lebende und kommende Generationen gewinnen. Genau das möchten die jungen Menschen von „Fridays for Future/Klimastreik“ erreichen. Ihnen gebührt unsere Achtung und unsere volle Unterstützung.”
Unter den Erstunterzeichner*innen sind zum Beispiel die Fernsehmoderatoren Ranga Yogeshwar und Eckart von Hirschhausen, sowie viele weitere bekannte Namen, etwa: Hans-Joachim Schellnhuber, Claudia Kemfert, Ernst Ulrich von Weizsäcker, Barbara Praetorius, Dirk Uwe Sauer und Sven Plöger
Am Dienstag, dem 12. März, haben die „Scientists for Future“ die Stellungnahme in der Bundespressekonferenz vorgestellt. Auch „Fridays for Future“-Vertreter*innen waren anwesend. Am Freitag, den 15. März, werden uns die Unterschriften dann bei unserer Großdemo in Berlin übergeben.
Die Fakten, auf die sich die Wissenschaftler*innen in ihrer Stellungnahme beziehen, sind auf ihrer Webseite einsehbar (und liegen natürlich seit Jahren auf dem Tisch). Hier eine kleine Auswahl. Als Begründung für unsere Streiks brauchen wir nicht mehr als diese Fakten. Das sagen die „Scientists for Future“ in ihrem Schreiben:
- Es wird immer heißer: Die weltweite Durchschnittstemperatur stieg bisher um 1 °C (relativ zu 1850 – 1900) (Quelle: IPCC 2018, S.6 A1). Die Hälfte des Anstiegs erfolgte in den letzten 30 Jahren (Quelle: NASA 2018; IPCC AR5 Synthesis Report SPM).
- Und das liegt fast ausschließlich an den Menschen: Der Temperaturanstieg ist nahezu komplett auf die von Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen zurückzuführen(Quelle: US Global Change Research Program 2017, S. 14, Fig. ES.2; IPCC AR5 Synthesis Report SPM).
- Wir leiden jetzt schon unter den Konsequenzen: Wir werden mit häufigeren und stärkeren Extremwetterereignissen und deren Folgen wie Hitzewellen, Dürren, Waldbränden und Starkniederschlägen konfrontiert (Quelle: z.B. IPCC 2012, Nat. Acad. Sci., Eng. & Med. 2016, IPCC 2018).
- Die konsequente Umsetzung der Ziele des Pariser Klimaabkommens ist essenziell: Falls die Weltgemeinschaft die angestrebte Beschränkung der Erwärmung auf 1,5 °C verfehlt, ist in vielen Regionen der Welt mit erheblich verstärkten Klimafolgen für Mensch und Natur zu rechnen (Quelle: IPCC 2018).
- Das passiert dann im Meer: Meeresspiegelanstieg, Verlust von Meereis, Versauerung und Sauerstoffmangel im Ozean, Verlust von marinen Arten und Lebensräumen (besonders von den akut gefährdeten Korallenriffen) (Quelle: IPCC 2018).
- Das passiert dann mit Tieren und Pflanzen: Bei unveränderten CO2-Emissionen könnten bis 2100 z. B. aus dem Amazonasbecken oder von den Galapagosinseln die Hälfte der Tier- und Pflanzenarten verschwinden (Quelle: Warren et al. 2018).
- Und so wirkt es sich unmittelbar auf die Menschen aus: Neben den Extremwetterereignissen wie Hitzewellen, Dürren, Waldbränden und Starkniederschlägen sind die Auswirkungen der globalen Erwärmung eine Gefahr für die menschliche Gesundheit (Quelle: Watts et al. 2015, Watts et al. 2018). Indirekte Folgen der Erwärmung sind Ernährungsunsicherheit, psychische Erkrankungen und die Verbreitung von Krankheitserregern und -überträgern. Es besteht die Gefahr, dass Trinkwasser- und Nahrungsmittelknappheit in vielen Ländern soziale und militärische Konflikte auslösen oder verschärfen und damit zur Migration großer Bevölkerungsgruppen beitragen (Quelle: Levy, Sidel & Patz 2017, World Bank Group 2018, Solow 2013).
- Deswegen müssen die Treibhausgas-Emissionen schneller und drastischer gesenkt werden: Um mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Erwärmung von 1,5 °C nicht zu überschreiten, müssen die Nettoemissionen von Treibhausgasen (insbesondere von CO2) sehr rasch sinken und in den nächsten 30 Jahren weltweit auf null reduziert werden (Quelle: IPCC 2018).
- Stattdessen steigen die CO2-Emissionen aber weiter! Mit den Vorschlägen, die weltweit derzeit auf dem Tisch liegen, wird die Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts wahrscheinlich bei über 3 °C liegen und anschließend weiter zunehmen (Quelle: https://climateactiontracker.org/global/temperatures/).
Deshalb sind Zeugnisnoten und Fehlstunden egal – sie stehen in keinem Verhältnis zu diesen Fakten. Wir wollen diesen Planeten erhalten und gehen für das auf die Straße, was die Wissenschaft seit Jahren belegt – und jetzt stellt sie sich hinter unsere Bewegung. Danke dafür!
Mitbegründer der „Scientists for Future“-Initiative ist Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme in Berlin, er findet deutliche Worte für die Politik: „Wir haben diese Initiative gegründet, um das unsägliche Versagen in der Klimapolitik aus wissenschaftlicher Perspektive zu kommentieren“, sagte er der Zeitung „taz“. Er finde es verstörend zu beobachten, wie wir von Teilen der Politik drangsaliert werden. „Aus unserer Sicht möchten wir sagen“, so Quaschning, „die Schüler haben recht!“
Luisa Neubauer, eine der Mitorganisator*innen der deutschen Proteste, wertet die Unterstützung von „Scientists for Future“ als erheblichen Handlungsdruck für die Politik: „‘S4F‘ setzt mit ihrem öffentlichen Statement ein bedeutendes Zeichen: Niemand, der heute in der Politik Entscheidungen trifft, kann noch so tun, als seien die Ursachen der Klimakrise unzureichend erforscht oder die Lösungen nicht schon längst bekannt. Bisher haben Politiker*innen unser ‚jugendliches Engagement’ beschmunzelt oder kritisiert. Mit dem Schritt in die öffentliche Debatte macht es die führende Klima- und Umweltwissenschaft Deutschlands der Politik künftig schwerer, diese Haltung zu rechtfertigen. Mag man über Engagement denken, was man will, Fakten bleiben am Ende des Tages Fakten. Und die werden, bestätigt von der Wissenschaft und getragen von uns als Bewegung, von nun an lautstark und unbequem im Raum stehen.“
Wir fordern konsequente Maßnahmen der Politik für den Klimaschutz, die auf diesen Fakten basieren. Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar, der „S4F“ unterstützt, weiß, dass das, was wir fordern, nicht bequem und gleichzeitig absolut notwendig ist:
„Man muss das Anliegen der jungen Menschen ernst nehmen und entsprechend politisch aktiv werden, auch wenn es an der einen oder anderen Stelle weh tun wird“ (Deutschlandfunk Kultur). Das Klima zu retten sei komplex: Man müsse sich von alten Wirtschaftsstrukturen verabschieden und neue finden. Es gehe um eine Haltung zu dem Problem: „Und diese Haltung muss anhand konkreter Maßnahmen sehr viel deutlicher werden“, so Yogeshwar. Er wies außerdem darauf hin, dass die Welt Gefahr laufe, nur noch von Lobbyismus und Eigeninteressen bestimmt zu werden.
Zur „S4F“-Unterstützung gibt es außerdem einen schönen Kommentar der „taz“.
Darin werden die Anforderungen an Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, die durch die Klimakrise immer zwingender werden, mit guten Beispielen konkretisiert. Bezogen auf die Wissenschaftler*innen schlägt „taz“-Kommentator Bernhardt Pötter vor: „Sie könnten sich zum Beispiel regelmäßig und lautstark hinter konkreten Forderungen („CO2-Steuer“) versammeln oder ihre Mitarbeit in allen Beratungsgremien der Regierung ruhen lassen, bis ein ernsthaftes Klimaschutzgesetz verabschiedet ist.“
Die „taz“ schlägt außerdem vor, dass sich sämtliche Bevölkerungsgruppen unseren Protesten anschließen sollen und spricht von: „Artists for Future“, „Business for Future“ und irgendwann vielleicht sogar: „Politicians for Future“.
Wir würden uns freuen, mit euch allen gemeinsam für den Erhalt dieses Planeten zu kämpfen – und bedanken uns noch einmal für die Rückendeckung von „Scientists for Future“.
Wir streiken weiter – mit der Wissenschaft hinter uns!
Ein Artikel von Anna