Woche 44/2019 – Wohlergehen statt Wachstum?

In der Woche vom 28.10. bis 3.11. ist außergewöhnlich viel passiert – Wohlergehen statt Wachstum in Schottland, Neuseeland und Island, dem Regenwald droht vollständige Zerstörung, Greta lehnt den Umweltpreis ab. Außerdem der Aufreger der Woche: Kohlekraftwerk Datteln 4 wird doch in Betrieb genommen… So viele Themen, beinahe Grund für einen Sonderbericht von Lara und Hanna verfasst wird!

😢 Regenwald in Brasilien droht endgültige Zerstörung

Forscher*innen warnen vor den Folgen der Abholzung des Amazonas Regenwalds. Die Wissenschaftlerin Monica de Bolle, aus der Peterson Institut in Washington, hat berechnet, dass allein in diesem Jahr 18.000 Quadratkilometer Wald abgeholzt werden. Wenn die Abholzung sich weiter beschleunigt wie bisher, könnte der Regenwald 2021 nicht mehr in der Lage sein, genug Regen zu produzieren, um sich selbst am Leben zu erhalten. Das würde das Todesurteil des Waldes bedeutet, der Lebensraum indigener Bevölkerung und vieler bereits jetzt vom Aussterben bedrohte Tierarten ist. Laut dem Bureau of Investigative Journalism in London haben deutsche Firmen in den vergangenen fünf Jahren 40.000 Tonnen Rindfleisch von drei brasilianischen Firmen gekauft, die nachweislich an der Abholzung des Regenwalds beteiligt sind.

🤩 ‚Ocean Clean Up‘ will auch Flüsse von Plastik befreien 

Mit 18 Jahren hat Boyan Slat die Idee zu seinem Projekt Ocean Clean Up entwickelt: Eine Art Plastikfangarm, der sich durch die Meeresströmung getrieben durch die Weltmeere bewegt und dabei Plastik einsammelt. Dieses soll dann aus den Meeren gefischt und recycelt werden. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hatte das Projekt Anfang Oktober die erste erfolgreiche Plastiksammelaktion im Pazifik gemeldet. Nun hat der Erfinder eine neue Erfindung vorgestellt, mit der er plant, Plastik bereits bevor es ins Meer gelangt aus Flüssen zu entfernen. Pro Tag sollen so 50.000 Kilogramm Plastikmüll eingesammelt werden.

🏆 Greta Thunberg lehnt den Umweltpreis ab

Der Nordische Rat hat Greta Thunberg den skandinavischen Umweltpreis verliehen, doch Greta hat aus Protest abgelehnt. Sie schrieb auf Instagram, der Umweltpreis sei eine große Ehre, die Klimabewegung brauche jedoch keine weiteren Preise sondern Politiker*innen, die auf die Erkenntnisse der Wissenschaft hörten. Zwei Vertreterinnen von Fridays For Future erklärten in Gretas Auftrag bei der Preisverleihung, dass die skandinavischen Länder zu den Ländern gehörten, die am meisten gegen die Klimakrise tun könnten. Greta schrieb weiterhin auf Instagram, dass weder sie noch die FFF-Bewegung in Schweden den mit fast 50.000 Euro dotierten Preis annehmen würden, solange die skandinavischen Länder, nicht das tun würden, was die Wissenschaft für nötig hält, um die Erderwärmung unter 1,5 oder zumindest 2 Grad zu begrenzen.

🔥 Waldbrände in Kalifornien

In Kalifornien brennen die Wälder: Zehntausende Menschen mussten ihre Häuser wegen der Waldbrände verlassen, dutzende Gebäude wurden zerstört und vorsorgliche Stromabschaltungen. Waldbrände sind zu dieser Jahreszeit in Kalifornien üblich, doch dieses Jahr sind sie laut dem US-Wetterdienst die heftigsten Brände, an die sie sich bisher erinnern können. Im vergangenen Jahrhundert hat sich Kalifornien überdurchschnittlich im Vergleich zur restlichen Welt erwärmt. In Zukunft könnte die Situation noch verschärft werden, so Forscher*innen: Die Regenfälle, die nötig sind, um die Brände zu löschen, könnten noch später auftreten. Klimaforscherin Janin Guzman-Morales sagt außerdem voraus, dass sich die Waldbrände in den Winter verschieben könnten, wenn Pflanzen noch trockener sind und deshalb noch länger dauern.

🌍 ‚Wohlergehen statt Wachstum‘ in Schottland, Neuseeland und Island

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP), welches das Wirtschaftswachstum eines Landes misst, ist häufig ein wichtiger Faktor für politisches Handeln. Ein Anstreben eines BIP-Wachstums ist nicht immer positiv, denn es muss  nicht unbedingt ein Zugewinn für die Gesellschaft sein. So lassen beispielsweise Umweltzerstörung, Autounfälle und schnell-kaputtgehende Wegwerfwaren das BIP steigen. Im Gegensatz dazu wirken nachhaltige Maßnahmen wie Fahrradtouren statt Flugreisen oder Reparaturen statt Neukauf sich dies negativ auf das BIP aus. Schottland, Neuseeland und Island haben sich entschieden, dem reinen Wachstumsdenken  entgegenzusetzen und haben die Gruppe der ‚Regierungen der Wohlfahrtswirtschaft‚ gegründet. Ihre Wirtschaftsstrategien zielen nicht mehr nur auf das Wachstum ab, stattdessen soll das Ziel das gesellschaftliche Wohlergehen sein. Neuseeland geht so weit, bei der Budget-Planung des Staatshaushalts jede Ausgabe zu prüfen, ob sie zum Wohlbefinden der Bevölkerung beiträgt.

🌡 Weltgesundheitsgipfel in Berlin: Klimawandel verschärft medizinische Probleme

Der Weltklimagipfel, der als eine der international bedeutendsten Konferenzen für globale Gesundheitsfrage gilt, hat an Ärzt*innen appelliert, sich stärker für mehr Klimaschutz einzusetzen. Denn der Klimawandel verschärfe medizinische Probleme auf mehreren Ebenen: Extreme Wetterereignisse und Hitzeperioden beispielsweise führen zu mehr Herz-Kreislaufkrankheiten und Allergien und tropische Krankheiten können sich durch steigende Temperaturen in höhere Breitengrade ausbreiten. Dazu kämen indirekte Konsequenzen der Klimakrise für die Gesundheitslage, wie zerstörte Infrastrukturen, Nahrungs- und Wassermangel und der Anstieg der Meeresspiegel. Gesundheitsforscherin Sabine Gabrysch betonte, es sei wichtig in der Debatte um Klimaschutz nicht ständig über Verzicht zu reden: Zu gewinnen sei, „eine gesündere Umwelt und gesündere Menschen“.

🚋 Flatrate für ÖPNV in Augsburg

Augsburg führt eine Flatrate für die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs ein. Für 79 oder 109 Euro pro Monat, je nach Intensität der Nutzung, können Menschen in Augsburg ab November Busse, Bahn, Tram, Car-Sharing und Leihräder nutzen können. Das Konzept ist bundesweit bisher einzigartig. Augsburg hatte sich schon vorher einen Namen als Stadt mit der umweltfreundlichsten Busflotte in ganz Deutschland gemacht, diese fährt nur mit Biomethan.

🤐 Klimaklage gegen Bundesregierung abgewiesen

Gemeinsam mit der Nicht-Regierungsorganisation Greenpeace wollten drei Bauernfamilien die Bundesregierung dazu zwingen, ihre selbstgesteckten Klimaziele einzuhalten, denn die Familien sehen ihre Existenz durch den Klimawandel bedroht und daher in den fehlenden Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen eine Verletzung ihrer Grundrechte. Das Verwaltungsgericht in Berlin hat die Klage abgewiesen, mit der Begründung, den Kläger*innen fehlten Klagebefugnisse: Es sei nicht klar, dass die Bundesregierung ihre Klimaziele genau bis zum Jahr 2020 erreichen müssten, um die Grundrechte zu schützen, man müsse den Handlungsspielraum der Regierung erhalten. Es hat allerdings die Möglichkeit offen gelassen in Berufung zu gehen. Die Anwältin der Klagenden wertet das Urteil als Teilerfolg: Denn auch wenn das Gericht die Klage abgewiesen hat, hat es gleichzeitig zu verstehen gegeben, dass Klagen für mehr Klimaschutz grundsätzlich zulässig sein können. Greenpeace und die drei Familien prüfen aktuell, ob sie in Berufung gehen.

😡 Aufreger der Woche! – Kohlekraftwerk Datteln 4 wird doch in Betrieb genommen!

Das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 des Energiekonzerns Uniper im Norden des Ruhrgebiets soll nun doch 2020 in Betrieb genommen werden. Eigentlich hatte die Kohlekomission empfohlen, dass sich Bau befindende Kohlekraftwerke nicht mehr in Betrieb genommen werden. Dies hatte eigentlich nur Datteln 4 als einziges sich derzeit im Bau befindendes Kraftwerk betroffen. Uniper hat sogar schon Entschädigungsverhandlungen mit der Bundesregierung geführt. Und nun soll Datteln 4 doch schon im Januar 2020 an das Stromnetz angeschlossen werden. Dabei wollen potientielle Großkunden wie die Deutsche Bahn und RWE mittlerweile gar kein Strom mehr von Datteln 4 beziehen. Eigentlich sollte das Kraftwerk schon 2011 fertiggestellt sein, doch der Bau hatte sich immer wieder wegen technischer und rechtlicher Probleme verzögert. Umweltschützer*innen und Anwohner*innen haben wiederholt gegen den Bau des Kraftwerks protestiert und geklagt, unter anderem weil es zu hohen Schadstoffeinträgen in benachbarte Naturschutzgebiete führte und eigens für das Kraftwerk Grenzwerte für den Ausstoß des für Menschen hochgiftigem Quecksilbers gelockert wurden. Auch aktuell läuft noch eine Klage der Nichtregierungsorganisation BUND gegen das Kraftwerk. Datteln 4 wird zwar von den Betreibern als ’sehr modern‘ dargestellt, würde aber dennoch jährlich bis zu 8,4 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen und damit die Klimabilanz zusätzlich belasten. Zudem stellt die Inkraftnahme den Kohlekompromiss an sich in Frage. Die Regierung wollte sich bisher noch nicht äußern und das Wirtschaftsministerium will auch erst in zwei Wochen einen Gesetzesentwurf zum Kohleausstieg vorlegen.

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