Wir haben mit dem 13. Tag der COP den offiziell Letzten erreicht, aber, surprise – auf uns und die spannenden News der COP müsst ihr noch nicht verzichten. Wir bleiben bei euch, denn: Die COP geht in die Verlängerung! Da sich bis heute Vormittag nicht auf ein Abschlussdokument geeinigt werden konnte, werden sich die Verhandlungen noch ziehen. Dies ist jedoch nichts besonderes und passiert jedes Jahr – auf der letzten Klimakonferenz in Ägypten wurde zwei Tage länger verhandelt. Wir halten euch weiterhin über die Entwicklungen auf dem Laufenden und berichten in diesem Update über die Reaktionen auf das Abschlussstatement, welches wir im gestrigen Update genauer untersucht haben.
By the way… Über die 2000 fossilen Lobbyist*innen auf der COP haben wir ja bereits berichtet. Jetzt hat eine Transparenzorganisation zusätzlich herausgefunden, dass es mindestens 166 Gruppen und Personen in Dubai gibt, die in ihrer Vergangenheit bereits Klimaschutzmaßnahmen und Vorschriften zu fossilen Energieträgern verhindert haben. Keine große Überraschung, aber trotzdem eine große Enttäuschung.
Was ist seit gestern passiert?
Nach einem gestrigen Proteststurm gegen den ersten Entwurf für den Abschlusstext, über den wir gestern ausführlich berichtet haben, will die COP-Präsidentschaft (= unser Ölriesen-Chef und Öl-BFF Sultan Al Jaber) jetzt an einer nachgebesserten Version arbeiten. Wir sind gespannt, wie eine Person, die es schafft, alle wissenschaftlichen Erkenntnisse zu leugnen und gleichzeitig das 1,5 Grad Ziel “in Reichweite halten” will, sich in der zweiten Runde schlagen wird.
Und wir? Wir kämpfen natürlich weiter für ein Fossil Fuel Phase Out – einen wirklichen, ernsthaften Ausstieg aus allen fossilen Energien, ohne Schlupflöcher und Hintertüren.
In den folgenden Absätzen stellen wir euch verschiedene Positionen von Politiker*innen, Ländergruppen, fossilen Freund*innengruppen und NGOs zu dem gestrigen Vorschlag zur Abschlusserklärung vor.
Alles nicht so super – und wer das auch so sieht
Außenministerin Annalena Baerbock:
Baerbock ist der festen Überzeugung, dass man den präfinalen Abschlusstext unter keinen Umständen so akzeptieren kann. Sie empfindet den Entwurf als eine inakzeptable Enttäuschung. Der Grund: Wesentliche Elemente seien nicht ausreichend und für die EU nicht akzeptabel. Insgesamt würden dem Entwurf genau die Instrumente fehlen, welche überhaupt noch dazu führen könnten, auf einen 1,5-Grad-Pfad zu kommen.
Als Beispiele zählt sie die fehlenden Instrumente der Energiewende auf, die gerade die Regionen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas bräuchten. Auch die Passage, die von fossilen Energien handelt, kritisiert Annalena Baerbock stark, denn diese Passage suggeriert, dass Kohle, Öl und Gas in unserer Zukunft weiterhin eine wichtige Rolle spielen könnten. Damit wäre auch die weltweite Kohleverstromung und der Bau von Kohlekraftwerken weiterhin legitim. Würde diese Passage so umgesetzt werden, ständen sie zudem in extremem Gegensatz zur europäischen Energiepolitik.
EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra:
In Bezug auf die Abstimmungsweise auf der COP 28 spricht Wopke Hoekstra die nicht vorhandene Mehrheitsentscheidung an, welche dazu führt, dass ein einzelnes Land die Entscheidungen der Klimakonferenz blockieren kann. Das sei ein Problem, denn es gibt eine sehr große Gruppe von Ländern auf der COP 28, welche mehr Ehrgeiz im Bereich Klima fordern. Einige würden in diesem Zusammenhang sogar von einer „Supermehrheit“ sprechen. Deshalb wurde die Aufmerksamkeit heute auch zunehmend auf die Frage verschoben, was die Länder der EU den blockierenden Staaten anbieten könnten, um die Blockade aufzuheben.
Die HAC (High Ambition Coalition):
Durch die verfahrene Lage, die durch den präfinalen Abschlusstext entstanden ist, haben sich alle Leiter*innen nationaler Delegationen am Montagabend getroffen. Dabei kamen der EU-Chefverhandler Wopke Hoekstra und die deutsche Klimastaatssekretärin Jennifer Morgan mit der High Ambition Coalition zusammen. Diese Gruppe zeichnet sich vor allem durch die teilnehmenden Industriestaaten und besonders verwundbaren Ländern aus, welche mit Ehrgeiz im Kampf gegen den Klimawandel vorangehen wollen. Hoekstra betonte bezüglich des Treffens auf Twitter, dass wir 1,5° am Leben halten müssen.
US Vize Präsident Al Gore:
Al Gore, ehemaliger US-Vizepräsident und heutiger Klimapolitiker, kritisierte, wie verschiedene Staaten Einfluss auf das Dokument nehmen. „Es ist noch schlimmer, als viele befürchtet hatten“, schrieb er auf X, vormals Twitter. „Die Welt muss unbedingt aus den fossilen Energien aussteigen, aber dieser unterwürfige Entwurf liest sich, als hätte ihn die OPEC Wort für Wort diktiert.“
“Es ist nicht meine Schuld, dass die Welt ist wie sie ist” und weitere Ausreden
Mit dem gestrigen Entwurf des Abschlussdokuments ist zumindest eine Partei offiziell zufrieden: Das Öl-Königreich Saudi-Arabien. Die anderen ölexportierenden Nationen dürften auch nicht unzufrieden sein. Der Rest aber verhandelt, protestiert und wartet. Unzufriedenheit macht sich breit.
Selbst aus den Kreisen der COP-Präsidentschaft (also von den Verantwortlichen für den Entwurf des Abschlussdokuments) hagelt es nun Selbstkritik. Man versucht sich aus der Affäre zu ziehen. Von Seiten der COP-Präsidentschaft herrscht die “Ist-ja-nur-ein-Vorschlag”-Mentalität . COP-Präsident Sultan Al-Jaber diagnostiziert selbst “große Lücken” im aktuellen Vorschlag und erwartet Nachbesserungen. Dass er selbst für den aktuellen so katastrophalen Entwurf verantwortlich ist, der die Bereitschaft von über 100 Ländern für den Ausstieg aus fossilen Energien ignoriert, adressiert er nicht.
Beliebt ist momentan auch die “Ist-ja-nicht-meine-Schuld-das-blockiert-wird”-Mentalität. Al-Suwaidi, Generaldirektor der COP, erklärte, es wäre “historisch”, sollten Formulierungen zu fossilen Brennstoffen in den Text aufgenommen werden. Es liege laut ihm aber an den Regierungsvertreter*innen, wie ambitioniert die Abschlusserklärung werde.
Das ist nicht falsch, denn es sind ja die knapp 200 versammelten Länder, die dem Entwurf am Ende zustimmen müssen. Dass die Verhandlungsgrundlage jedoch so katastrophal nichtssagend ist… Das muss der COP-Präsidentschaft zugerechnet werden.
Erklärung für das widersprüchliche Verhalten des COP-Präsidenten und seines Teams kann eigentlich nur ein strategisches Kalkül sein.
Nach dem Schreckensmoment gestern, den wir alle durch den Entwurf erlebt haben, kann jeder Babystep hin zu einer klimagerechten Zukunft nun als großer Erfolg verkauft werden. Die Erwartungshaltung aller Beteiligten sinkt gen Null. Um jede Kleinigkeit wird gerungen. Diese Diskursverschiebung dürfen wir nicht zulassen!
Unsere Erwartung und die vieler weiterer Akteur*innen ist weiterhin ein “Fossil Fuel Phase Out”. Mehr dazu im nächsten Abschnitt.
Protest gegen die Abschlusserklärung
“Don’t Fail Us – Phase Out Fossil Fuels” steht groß auf dem Banner, vor dem unsere Aktivist*innen heute in Dubai gegen den ersten Vorschlag zum Abschlusstext protestiert haben. Denn: Der Entwurf ist in seiner ersten Fassung ein klarer Schlag ins Gesicht. Wir fordern weiterhin ein Fossil Fuel Phase Out und erwarten, dass alles getan wird, um sich für den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas einzusetzen.
Auch viele NGOs teilen die Kritik. Greenpeace Österreich sieht den Beschlussentwurf aufgrund des Fehlens des fossilen Ausstiegs als “herben Rückschlag”. Auch der WWF Deutschland sieht den Text als massive Enttäuschung, genau wie Germanwatch, die zusätzlich die COP-Präsidentschaft kritisieren. Der Grund: Die breite Mehrheit, die für den Ausstieg aus fossilen Energien ist, findet sich im Entwurf nicht wieder. Es wird vermutet, dass der Text aus taktischen Gründen zuerst sehr schwach formuliert wurde, damit sich am Ende auf die Mitte geeinigt wird und Forderungen wie das Fossil Fuel Phase Out nicht drin vorkommen. Wir fallen jedoch nicht auf solche Tricks rein und werden weiterhin alles dafür tun, einen möglichst ambitionierten Abschlusstext zu haben!
Wie geht es jetzt weiter?
So ganz genau kann dies niemand vorhersagen und auch wir in der COP-Daily Redaktion in Deutschland verfolgen gespannt die Nachrichten von unseren FFF-Delegierten vor Ort. Heute Abend wurde bekannt gegeben, dass in Dubai bis 3 Uhr nachts Ortszeit (Mitternacht in Deutschland) weiter verhandelt wird – ob es bis dahin jedoch wirklich einen neuen Entwurf des Abschlussdokuments gibt, ist aktuell noch unklar. Wir machen für heute Redaktionsschluss, erwarten die letzten Verhandlungen, während wir in unseren Betten schlummern und sind umso gespannter darauf, morgen mit euch auf den neuen Entwurf zu blicken. Bis dahin und darüber hinaus gilt: Wir werden weiterhin dafür kämpfen, dass ein Fossil Fuel Phase Out wahr wird.
Quellen:
https://orf.at/stories/3342593/
https://www.tagesschau.de/ausland/asien/cop28-klimakonferenz-verlaengerung-100.html