EIL: Retten die Grundrechte unsere Zukunft?

Teile des Klimaschutzgesetzes der Bundesregierung wurden in Karlsruhe für verfassungswidrig erklärt.

2019 löste das Klimaschutzgesetz eine Welle der Enttäuschung aus – kein Wunder, denn die darin festgelegten Maßnahmen widersprechen grundsätzlich dem Ziel, das die Bundesregierung mit der Unterzeichnung des Pariser Abkommens nicht nur sich selbst gegeben, sondern dabei auch anderen Ländern ihren Beitrag versprochen hat: Die Emissionen rechtzeitig so weit zu senken, dass das 1,5-Grad-Ziel eingehalten werden kann.
Mit diesem Ziel ist die Zukunft des Planeten verbunden: Wird das Ziel nicht eingehalten, so werden Kippunkte erreicht und Folgen ausgelöst, von denen unser Leben unmittelbar betroffen ist. Wie ein Gesetz, das diesem Ziel widerspricht, mit den Grundrechten in unserer Verfassung vereinbar sein kann, fragten sich Aktivist:innen aus ganz Deutschland und international – und reichten deshalb gemeinsam Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein.

Beteiligt waren dabei mehrere Organisationen, unter anderen der BUND, die Deutsche Umwelthilfe, Greenpeace und wir, Fridays for Future. Das Karlsruher Gericht prüfte insgesamt vier Klagen, die vor allem damit begründet waren, dass fehlende Maßnahmen in unsere Freiheitsgrundrechte eingreifen. Es sieht diese Freiheitsrechte verletzt, weil das aktuelle Gesetz hohe Emissionsminderungslasten in die Zeit nach 2030 verschiebt. Genauer heißt es in der Begründung: »Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten ist praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind«.

Das Bundesverfassungsgericht kommt deshalb zu dem Schluss: „Die Schonung künftiger Freiheit verlangt auch, den Übergang zu Klimaneutralität rechtzeitig einzuleiten. Konkret erfordert dies, dass frühzeitig transparente Maßgaben für die weitere Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion formuliert werden, die für die erforderlichen Entwicklungs- und Umsetzungsprozesse Orientierung bieten und diesen ein hinreichendes Maß an Entwicklungsdruck und Planungssicherheit vermitteln.“

Luisa Neubauer, die ebenfalls Mitklägerin war, erklärt: ,,Die Regierung darf nicht heute so handeln, dass es uns morgen zusätzlich belastet.“

Schon jetzt schränkt die Klimakrise weltweit Menschen, insbesondere in den am meisten betroffenen Gebieten (MAPA= Most Affected People and Areas) in ihren Rechten ein. Umso wichtiger ist es jetzt endlich effektive und zeitnahe Maßnahmen unter Berücksichtigung von Gerechtigkeitsaspekten zu ergreifen. So muss sichergestellt werden, dass die Hauptlast der Bekämpfung der Ursachen und Folgen der Klimakrise nicht weiterhin auf Schultern derer liegt, die am wenigsten dazu beigetragen haben, uns in diese Krise zu manövrieren.

Die im Oktober 2020 vorgelegte 1,5°-Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie hat gezeigt, dass es möglich ist, in Deutschland eine 1,5°C-konforme Politik zu machen, wenn der politische Wille vorhanden ist. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet nun die Bundesregierung dazu, endlich konkrete Maßnahmen auf dem Weg zu Treibhausgasneutralität festzulegen und umzusetzen, statt sie immer weiter in die ferne Zukunft zu verschieben. Es zeigt zudem nocheinmal, um was es in der Klimapolitik geht: Nämlich die Sicherung der Grundrechte jetziger und zukünftiger Generationen.

Ob die Bundesregierung in Zukunft verfassungskonforme Maßnahmen für Klimagerechtigkeit umsetzt, statt weiter wenig ambitionierte Anläufe zu nehmen, wird sich zeigen. Das Urteil hat gezeigt, dass es sich lohnt, eine lebenswerte Zukunft gemeinsam und konsequent einzufordern.

Deshalb müssen wir zusammen dafür kämpfen, dass das gescheiterte Klimaschutzgesetz jetzt durch echten Klimaschutz ersetzt wird

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