Tag 5 der UN-Weltklimakonferenz – Die Finanzverhandlungen ziehen sich weiter, Lobbyisten auf der COP (welch Wunder) und wir blicken genauer auf das Gastgeberland Aserbaidschan. Hier kommt alles, was Ihr dazu wissen müsst:
1,3 Billionen immer noch nicht in Sicht
Natürlich ging’s heute mal wieder ums Geld. So hat die Allianz kleiner Inselstaaten zusammen mit einigen anderen von der Klimakrise stark betroffenen Ländern noch einmal die Forderung der 1,3 Billionen USD jährlich unterstrichen. Auch Deutschland hat sich heute erneut zum Thema Finanzierung geäußert. Jennifer Morgan, die die deutsche Delegation leitet, betonte nochmal, dass auch die EIT Länder (Economies in Transition) in den Topf einzahlen müssten. Ohne die Unterstützung von Ländern wie den Golfstaaten und China sei es nicht realistisch, die 1,3 Billionen zu erreichen. Das sehen die aber anders: Ein Sprecher Saudi-Arabiens hat klargestellt, dass die arabischen Länder die EU und USA in der Verantwortung sehen, weil sie historisch mehr emittiert haben.
Eigentlich sollten die Finanzverhandlungen um das New Collective Quantified Goal on Climate Finance (NCQG) morgen zu Ende gehen, bisher gibt es aber noch ein seitenlanges Dokument, in dem alle möglichen Länder ihre Vorstellung zur Finanzierungsfrage präsentieren. Bei einem sind sich alle einig: stark von der Klimakrise betroffene Länder brauchen mehr Geld und Länder, die viele Treibhausgase emittiert haben, sollen dafür zahlen. Aber wer gehört zu den Ländern mit vielen Emissionen? Eine Einigung ist noch nicht in Sicht.
„Wie Tabaklobbyisten auf einer Lungenkrebs-Konferenz“
Dieses massive Problem erinnern wir uns bereits aus den letzten Jahren: Teilnehmende der COP stammen nicht nur aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft – auf der Konferenz finden sich außerdem jede Menge Lobbyist*innen.
Nach Angaben von NGOs sind auf der diesjährigen COP fast 1800 Lobbyist*innen für Kohle, Öl und Gas offiziell akkreditiert. Ganz schön viel für eine Konferenz, deren erklärtes Ziel der Ausstieg aus fossilen Energieträgern ist. Die fossile Industrie bildet damit (nach Aserbaidschan, Brasilien und Türkei) die viertgrößte Delegation und hat damit mehr Vertreter*innen auf der Konferenz, als die zehn am meisten von der Klimakrise betroffenen Staaten zusammen.
Die Lobbyist*innen dürfen zwar nicht an den tatsächlichen Verhandlungen teilnehmen, haben aber durch ihre starke Präsenz unverkennbar einen Einfluss auf die Entscheidungsträger*innen.
Diese Umstände verglich David Tong von der Kampagnengruppe Oil Change International mit „Tabaklobbyisten auf einer Lungenkrebs-Konferenz”. Auch der frühere US-Vizepräsident Al Gore übte in einer Rede starke Kritik: „Es ist bedauerlich, dass die fossile Brennstoffindustrie und die Petrostaaten die Kontrolle über den COP-Prozess in einem ungesunden Ausmaß übernommen haben.”
Menschenrechte im Gastgeberland
Wir haben es hier bisher noch nicht ausführlicher thematisiert, aber wenn wir Aserbaidschan als Gastgeberland kritisieren, müssen wir natürlich auch und vor allem über die Menschenrechtslage vor Ort reden. Aserbaidschan ist ein autoritäres Regime, das Menschenrecht verletzt. Hunderte Menschen sitzen aus politischen Gründen hinter Gittern – vor allem Aktivist*innen und Journalist*innen.
Drei Fälle wollen wir hier genauer beleuchten:
Dr. Gubad Ibadoghlu
Der Akademiker und Experte für Korruptionsbekämpfung wurde im April 2023 gewaltsam festgenommen. Er beschäftigt sich u.a. mit Korruption und Abzweigung von Rohstoffgewinnen. Verhaftet wurde er offiziell wegen der Verbreiterung extremistischer religiöser Inhalten und wegen Falschgeldbesitz. Während seiner Inhaftierung verweigertem ihm die Behörden eine angemessene medizinische Behandlung, sodass sich sein Gesundheitszustand massiv verschlechterte. Nach 274 Tagen Haft wurde er schließlich in den Hausarrest überstellt. Für eine angemessene medizinische Versorgung müsste er eigentlich ins Ausland reisen. Er darf aber weder das Land noch sein Haus verlassen. Ihm drohen bis zu 17 Jahre Gefängnis.
Anar Mammadli
Der Menschenrechtsverteidiger gründete die Climate of Justice Initiative, die sich im Rahmen COP29, für mehr Menschenrechte und Klimagerechtigkeit einsetzen wollte. Diesen April wurde er wegen Falschgeldschmuggel angeklagt und verhaftet. Auch ihm wird im Gefängnis die notwendige medizinische Hilfe verweigert und sein Zustand verschlechtert sich weiter.
Imran Aliyev
Er betreibt die Internetplattform meclis.info, auf der er über das aserbaidschanische Parlament berichtet und bereits mehrfach korrupte Beamte entlarvt hat. Mitte April wurde er vor einem Flug in die Türkei wegen angeblichem Schmuggel und Geldwäsche festgenommen und sitzt seitdem im Gefängnis. Seine Angehörigen berichten von brutaler Gewalt und Folter mit Elektroschocks.
Wir könnten die Liste hier noch lange fortsetzen…
Im internationalen Ranking der Pressefreiheit belegt Aserbaidschan Platz 164 (von 180) und ist damit sogar noch zwei Plätze schlechter als Russland. Viele kritische Medien berichten inzwischen aus dem Exil. Im Vorfeld der COP29 haben sich die Repressionen gegen Journalist*innen sogar noch verstärkt haben.
Rufe nach struktureller Veränderung
Zum dritten Mal in Folge ist ein autoritärer Öl-Staat Gastgeber der Klimakonferenz. Diese Vergaben kritisieren prominente Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Politik, sowie ehemaliger UN-Generalsekretär Ban-Ki Moon heute in einem offenen Brief. Dass Staaten, die sich nicht einmal zum Ausstieg aus fossilen Energieträgern bekennen, den Verhandlungsort stellen, sei ein Fehler. Es brauche “lösungsorientierte[n] Treffen”. Dafür sei eine strukturelle Veränderung im Aufbau der UN-Klimakonferenzen notwendig.
Die Unterzeichnenden erkennen die Erfolge der letzten Klimakonferenzen zwar an, kritisieren allerdings, dass die Umstände der Verhandlungen in den Ölstaaten die dringlichen Klimaschutzmaßnahmen gefährlich ausbremsen.
Wir erinnern uns: Präsident von Azerbaijan Ilham Aliyev bezeichnete Öl- und Gasvorkommen als „Geschenk Gottes” und betonte das vermeintliche Recht aller Staaten mit derartigen Ressourcen, diese zu fördern. Diese Aussage in seiner Eröffnungsrede der diesjährigen COP ist wohl einer der Auslöser des Briefs.
Klimaprotest Vorort geht weiter
Vorort in Baku gab es erneut Aktionen von Klimaaktivist*innen aus aller Welt. Aktivist*innen aus Lateinamerika und der Karibik wiederholten in einer Versammlung die Notwendigkeit für Geldbeträge in Billionenhöhe statt Milliardenhöhe („Trillions, not billions“). Diese Summen seien essenziell für die Reduzierung von Emissionen, aber auch für die Anpassung an die Klimakrise.
Auch Fridays for Future Deutschland beteiligte sich an Protestaktionen. Mit dem Schriftzug “DON’T LET COP29 FAIL” erinnerten sie die Entscheidungsträger*innen an die Wichtigkeit der Verhandlungen. Außerdem gaben die Aktivist*innen vor Ort gemeinsam mit verschiedenen NGOs eine Pressekonferenz zur Halbzeitbilanz. Wenn ihr euch davon einen Eindruck machen wollte, schaut auf unserem Instagram vorbei! (Oder hier für die gesamte Pressekonferenz).