Rekorde und Größenwahn – Klimaupdate der Kalenderwochen 1&2

Während die weltweiten Durschnittstemperaturen und die Erwärmung der Ozeane auf einen Höchststand steigen und in Australien neue Temperaturrekorde gebrochen werden, rechnet sich die Bundesregierung ihr CO2-Budget für die kommenden Jahre schön. Dies und weitere Klima-News der ersten beiden Wochen im neuen Jahr fassen wir euch im Klima-Update zusammen. 

Emissionsbudget der Bundesregierung – deutlich zu hoch

In der Bundespressekonferenz vom 11.01.2022 bekannte sich der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck (Bündnis 90/ die Grünen) zu einem Emissionsbudget. Das bedeutet, er erkennt an, dass Deutschland eine klar definierte Restmenge an CO2 hat, die nicht überschritten werden darf. Die vorherige Regierung hat keine Aussagen dazu gemacht, wie viel Treibhausgas-Emissionen Deutschland sich noch erlauben will. Klima-Wissenschaftler*innen halten die Berechnung eines CO2-Budgets als Grundlage für die Klimapolitik für sehr sinnvoll. Doch Habecks Statement darf nicht Grund zur vorschnellen Freude sein. Denn bei dem von ihm vorgelegten Klimaschutzsofortprogramm wird deutlich, dass dieses zwar im Hinblick auf das Emissionbudget die Klimaziele der Bundesregierung erfüllt, nicht jedoch das Pariser Klimaabkommen. Denn das von Habeck zugrunde gelegte Emissionbudget entspricht nicht den Einsparungen von Treibhausgasen, die nötig wären um einen angemessenen Beitrag zum im Pariser Abkommen vereinbarten 1,5°C – Ziel zu leisten. Stattdessen genehmigt sich Deutschland mehr als das Doppelte an Tonnen CO2 dessen, was es als fairen Anteil eigentlich noch ausstoßen darf. Weiterhin lässt das Klimaschutz-Programm der Bundesregierung entscheidende Schritte hin zu einer effektiveren Klimaschutz-Politik vermissen. Zwar wurde der Ausbau der erneuerbaren Energien angekündigt, ebenso wie die Verbesserung der Energieeffizienz bei Gebäuden. Wichtige Maßnahmen, wie die Erhöhung des CO2-Preises beispielsweise fehlen. Das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung hatte schon im November letzten Jahres kritisiert, dass der CO2-Preis zu niedrig sei, um eine wirkliche Lenkungswirkung zu entfalten und so auch Planungssicherheit für Wirtschaftlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen vermissen lasse.  Auch im Verkehrsbereich –  dem Sektor, in dem die Emissionen in den letzten Jahren stiegen statt zurückzugehen – fehlen konkrete Maßnahmen für eine nachhaltige Verkehrswende.

Größtes Greenwashing aller Zeiten

Die Pläne der EU-Komission, Investitionen in Atomkraft und Gas als nachhaltig einzustufen, wird von Wissenschaftler*innen scharf kritisiert. In Zukunft sollen Investitionen danach gekennzeichnet werden – so die Pläne der EU-Komission – ob sie nachhaltig sind oder nicht. Diese Einordnung wird auch Taxonomie genannt. Laut den eigenen Aussagen der EU-Komission soll dies helfen, Gelder in umwelt- und klimafreundlichere Projekte umzuleiten, indem Unternehmen, Investor*innen und Entscheidungsträger*innen mehr Klarheit darüber erlangen, was als nachhaltig eingeschätzt werden kann und was nicht.  Das Problem: In den aktuellen Plänen für die EU-Taxonomie sollen auch Gas und Atomkraft als nachhaltig eingestuft werden. Wissenschaftler*innen sehen daher die Gefahr, dass der jetzige Entwurf nicht wirklich produktiv dazu beitragen wird, Investitionen tatsächlich nachhaltiger zu gestalten. Andreas Hoepner, Professor für nachhaltige Finanzen an der Universität Dublin, spricht daher vom „größten Greenwashing aller Zeiten“. Er kann sich die Pläne der EU-Komission nur dadurch erklären, dass die Energiebehörde der EU-Komission unter großem Einfluss der europäischen Energiewirtschaft steht. Die Empfehlungen des Beratungsgremiums „Plattform für nachhaltige Finanzen“, welches Vertreter*innen von Umweltverbänden, Energiekonzernen, Universitäten etc. an einen Tisch brachte, spiegeln sich nach Einschätzung der beteiligten Wissenschaftler*innen nicht in den aktuellen Plänen wider. Insbesondere ärgern sich die Wissenschaftler*innen über die Regelungen für Gaskraftwerke. Da diese nicht den jährlichen CO2-Ausstoß in den Blick nehmen, sondern nur einen Zeitraum von 20 Jahren, könnten somit Kraftwerke als nachhaltig eingestuft werden, die in den ersten Jahren Millionen Tonnen CO2 ausstoßen. Das Finanzlabel könnte so nach Berechnungen Hoepners 1,4 Milliarden Tonnen CO2 als grün beziehungsweise als nachhaltig bezeichnen. 
Die deutsche Bundesregierung jedoch hat bisher nur Kritik an der Klassifizierung von Atomkraft als „grün“ geübt und befürwortet eine Aufnahme von Gas als nachhaltig laut einem Regierungssprecher sogar mit dem üblichen Argument, dies sei eine „Brückentechnologie“. Dabei ignoriert die Bundesregierung u.a. den Fakt, dass bei der Verbrennung von Erdgas zwar weniger CO2-Emissionen als bei der Kohleverstromung entstehen – aber dennoch noch eine erhebliche Menge an Treibhausgasen ausgestoßen werden. Besonders die Entweichung von Methan bei der Förderung und dem Transport von Erdgas ist problematisch, denn Methan wirkt 82-mal so stark auf die Erderwärmung, wie CO2.
Am 14.01.2022 streikten wir daher in mehreren Städten durch corona-konforme Aktionen als auch online gegen die geplante Kennzeichnung von Gas und Atomkraft als „nachhaltige Energieträger“. Bis zum kommenden Freitag kann die Bundesregierung noch Rückmeldung zu den Plänen der EU-Komission geben und sollte dies nutzen, um sich für eine Taxonomie einzusetzen, die wirklich nachhaltig ist. Danach sind Änderungen wesentlich schwieriger. Eine Möglichkeit wäre jedoch eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.  Daher werden wir auch weiterhin Druck machen. 

Erwärmung der Ozeane auf neuem Rekord-Wert

Die globale Erwärmung der Ozeane hat im vergangenen Jahr erneut einen Rekord-Wert erreicht. Das zeigen Daten einer internationalen Forschungsgruppe, die im Fachjournal „Advances in Atmospheric Science“ veröffentlicht wurden. Die durchschnittliche Wasser-Temperatur stieg somit zum sechsten Jahr in Folge. Die Computer-Simulationen der Foscher*innen zeigen, dass die Erwärmung ganz überwiegend auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführen ist. Wissenschaftler*innen warnen, dass die Ozean-Erwärmung zu mehr Extremwetterereignissen, wie starken Niederschlägen und Wirbelstürmen führt. Außerdem ist die Erwärmung neben dem Abschmelzen der Gletscher der zweite wichtige Grund für den Meeresspiegel-Anstieg. Zudem leidet die Unterwasser-Flora und -Fauna unter dem Temperaturanstieg, weil sie nicht hinterherkommt, sich an die Veränderungen anzupassen. Der menschliche CO2-Ausstoß führt nicht zu einer Erwärmung, sondern auch zu einer Versauerung der Ozeane, die das CO2 im Wasser speichern. Dies trägt auch zum Artensterben bei. 

Hitzerekorde in Australien

Höchsttemperaturen in Australien führen zu einer Gesundheitsbelastung für die lokale Bevölkerung und zu einer  steigenden Gefahr für Waldbrände. Schon seit mehreren Wochen herrscht eine Hitzewelle vor. Nun stiegen die Temperaturen in drei Orten jeweils über 50°C.  Die drei Orte Roebourne, Onslow und Mardie liegen an der Küste von Australien. Mit 50.7°C in Onslow handelt es sich um die höchste jemals gemessene Temperatur auf der Südhalbkugel.
Die Klimakrise sorgt dafür, dass Hitzewellen häufiger und extremer auftreten. Laut einer im letzten Jahr im Fachjournal Science veröffentlichten Studie eines internationalen Forschungsteams wird ein Kind, welches 2021 zur Welt kam siebenmal so viele Hitzewellen erleben, wie ein im Jahre 1960 geborener Mensch. 

2021: Erneut weltweiter Hitzerekord 

Laut dem Klimawandeldienst der Europäischen Union waren die vergangenen sieben Jahre die heißesten seit Beginn der Aufzeichnungen. Zwar war 2021 (ebenso wie die Jahre 2015 und 2018) nicht ganz so heiß, wie die anderen heißen Jahre. Doch in Europa wurde der heißeste Sommer seit Beginn der Copernicus-Aufzeichnungen 1979 gemessen. Spitzenreiter war Sizilien mit Rekordtemperaturen von bis zu 48,8°C. Die Hitzewelle begünstigte zahlreiche Waldbrände, die durch die Hitze, Trockenheit und starke Winde geschürt wurden. 
Die Durchschnittstemperatur im vergangenen Jahr lag um 1,1°C  bis  1,2°C höher als in der vorindustriellen Zeit. Die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre nahm ebenfalls weiter zu, berichten die Wissenschaftler*innen. Besonders besorgt zeigen sie sich über starken Anstieg der Methan-Emissionen in der Atmosphäre. Dieses entsteht z.B. in der Produktion und beim Transport von Gas, in der Landwirtschaft, auf Abfalldeponien und in der Öl-Industrie und ist besonders klimaschädlich. 

Permafrostböden tauen

Permafrostböden sind eigentlich Böden in nördlichen Gebieten und Gebirgen, die das gesamte Jahr über gefroren sind. Doch durch die Erderwärmung tauen die Permafrostböden immer schneller auf. Dies bringt gleich mehrere Probleme mit sich. Zum einen sind Gebäude, Straßen, Eisenbahnstrecken etc. auf den gefrorenen Böden gebaut, die nun zunehmend instabiler werden. Es kommt zu Absenkungen und Erdrutschen. Eine internationale Forschungsgruppe sagt voraus, dass 30-50% der Infrastruktur in den betroffenen Gebieten Schaden nehmen werden. Betroffen sind vor allem Russland, Kanada, Alaska, Grönland und Tibet. Teile der Schäden können auch in Gebieten auftreten, in denen Erdgas gefördert wird, welches von Deutschland und anderen europäischen Staaten genutzt wird. Dies sollte ein weiteres Signal sein, dass die Bundesregierung einen falschen Pfad einschlägt, wenn sie sich von fossilem Gas als „Brückentechnologie“ abhängig macht. Noch bedrohlicher allerdings: Zum Teil sind die Permafrostböden durch giftige und radioaktive Abfälle verseucht, sodass beim Auftauen Schadstoffe freigesetzt werden könnten. Auch zeigten einzelne Vorfälle bereits, dass uralte Bakterien freigesetzt werden könnten, die zum Teil resistent gegen Antibiotika sind. Davor warnten Wissenschaftler*innen im Fachmagazin „Nature Climate Change“. Zudem gilt das Abschmelzen der Permafrostböde als Kipppunkt im Klima-System, der eine gefährliche Kettenreaktion lostreten könnte: Denn in den Böden sind zum Teil große Mengen CO2 und Methan gespeichert.

Brandanschlag auf Klima-Aktivist*innen in Österreich

In der Nacht des Jahreswechsels wurde ein Brand-Anschlag auf ein Protestcamp von Klima-Aktivist*innen  gegen den Bau des Wiener Lobau-Tunnels verübt. Zum Zeitpunkt des Anschlags waren acht Aktivist*innen im Camp, die sich glücklicherweise rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten. Das Bündnis „Lobau bleibt!“ gab bekannt, dass sie psychologische Hilfe erhielten. Die Aktivist*innen kritisierten, dass eine deutliche Verurteilung des Brandanschlags durch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) auf sich warten lies.

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