Tragödie oder Komödie, das ist hier die Frage!

Dieser Bericht fasst die Kalenderwochen 27-30 zusammen. Die Fortsetzung der Ereignisse in den folgenden Wochen (Unwetter, Katastrophe an der Oder) folgt.

Eindrucksvoll erleben wir den Prolog der Klimakatastrophe. Europa leidet unter einer historischen Hitzewelle, die Wälder brennen, es gibt hunderte Tote. Der Höhepunkt des Dramas könnte die Erhitzung von  drei Grad oder heißer werden, warnt ein internationales Forschendenteam. Die Vereinten Nationen und USA erzielten historische Fortschritte auf dem politischen Weg zur Klimagerechtigkeit,  in Großbritannien drohen gewaltige Rückschritte. Weitere  Szenen sind der Petersberger Klimadialog, die Rettung von Gasunternehmen, die Bohrung nach Gas in der Nordsee und der kommende Globale Streik. Es bleibt die Frage, ob allen Akteuren der Ernst der Lage bewusst ist, und ob ihr gegenläufiges Handeln in der Gesamtschau ausreichend Klimagerechtigkeit ermöglicht, um einen glimpflichen Ausgang aus dem Schauspiel der Klimakatastrophe zu finden oder ungenügend bleibt und wir trotz verzweifelter Versuche,  diese abzumildern, in die Katastrophe steuern werden. Abwendung der Katastrophe und komödiantisches Ende des Dramas oder Tragödie das ist hier die Frage.

Die Klimakrise muss als Katastrophe begriffen  werden

Die Auswirkungen der Klimakrise könnten unterschätzt worden sein. Dies geht aus einem gemeinsamen Artikel von Forschenden der Universitäten Australien National University, Cambridge, Exter, Kiel, Nanjing, Oxford, Washington State University, University of Washington und des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung hervor, das Journal Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) am 01. August 2022 veröffentlichte. 

Die Autor*innen empfehlen, die Risiken der Erderhitzung jenseits der zwei Grad zu erforschen. Diese fänden in der Forschung bisher zu wenig Beachtung. Die Forschung habe sich auf das 1,5° und 2,0°  Ziel fokussiert, weil man Panikmache verhindern wollte und weil die Vertragsstaaten des Pariser Abkommens sich darauf einigten, die Erderhitzung auf deutlich unter 2,0 Grad zu begrenzen und somit das 1,5-Grad Ziel einzuhalten.

Nun stellt sich heraus, dass diese Ziele wahrscheinlich nicht erreicht werden. Die Welt steuert auf eine Erwärmung von 3,0 Grad bis 4,0 Grad Erwärmung zu.

In dem Artikel heißt es dazu:

„Trotz 30-jähriger Bemühungen und einiger Fortschritte im Rahmen des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) steigen die anthropogenen Treibhausgasemissionen weiter an. Selbst wenn man die schlimmsten Klimaänderungen außer Acht lässt, ist die Welt auf dem besten Weg, bis zum Jahr 2100 einen Temperaturanstieg zwischen 2,1 °C und 3,9 °C zu erleben (11). Wenn alle für 2030 festgelegten nationalen Beiträge vollständig umgesetzt werden, wird bis 2100 eine Erwärmung um 2,4 °C (1,9 °C bis 3,0 °C) erwartet. Bei Einhaltung aller langfristigen Zusagen und Ziele könnte dies auf 2,1 °C (1,7 °C bis 2,6 °C) reduziert werden (12). Selbst diese optimistischen Annahmen führen zu gefährlichen Entwicklungen im Erdsystem. Temperaturen von mehr als 2 °C über den vorindustriellen Werten hat es auf der Erdoberfläche seit dem Pleistozän (vor mehr als 2,6 Millionen Jahren) nicht mehr gegeben (13).“

Eine solche Erhitzung könne Milliarden Menschen betreffen und katastrophale Folgen haben, so die Autor*innen.

Bis 2070 könnten zwei Milliarden Menschen in Gebieten leben, die von extremer Hitze betroffen seien. Derzeit seien es 30 Millionen Menschen.

Es sei zu befürchten, dass sich die Entwicklungen, auch über Rückkoplungseffekte, verstärken könnten. Kippunkte könnten eintreten und weitere auslösen. Bestehen Krisen könnten verschärft und neue Konflikte ausgelöst werden. Die Resilienz bestehender Systeme gegen andere Krisen könne beeinträchtigt werden. Die durch die Klimakrise ausgelösten Folgen könnten weltweite Folgen haben. Andere Folgen der Klimakrise, wie zum Beispiel die Beeinträchtigung der Wolkenbildung durch CO2, seien zu wenig untersucht, um sichere Aussagen treffen zu können.

Die Wissenschaftler*innen empfehlen eine Auseinandersetzung mit den Szenarien einer Erwärmung jenseits der 2,0 Grad. Dies aus zwei Gründen: Im schlimmsten Fall müsse man sich auf die Katastrophen, welche die Erderhitzung auslöst, vorbereiten und einstellen. Hierzu sei es wichtig, zu wissen, was wahrscheinlich auf die Menschheit zukommen könnte. Im besten Fall könne die Erkenntnis über das Ausmaß der Klimakrise und die drohenden Szenarien den Ernst der Lage bewusst machen. Die Menschheit könne dann, wie im Falle der nuklearen Aufrüstung, die Proteste zur Folge hatten, die zur Begrenzung der Aufrüstung und Abrüstung führten,  eine der schlimmsten Katastrophen ihrer Zeit abwenden bzw. zumindest abmildern.

Wir hoffen, dass die Menschheit den Ernst der Lage erkennt, sich besinnt und das zweite Szenario eintreten wird. Im Falle des Eintreten des ersten Szenarios,  gnade uns Gott.

Klage gegen Gasbohrungen in Nordsee

Klage gegen Gasbohrungen in Nordsee

Die Deutsche Umwelthilfe, die niederländische Umweltorganisation Mobilisation for the Environment (MOB), die Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland und die Inseln Borkum und Juist haben  Klagen gegen die geplanten Gasbohrungen in der Nordsee bei der Rechtbank in Den Haag eingereicht (Gericht erster Instanz). 

In der Nordsee wird vor Borkum ein Erdgasfeld vermutet, das 13 Milliarden Kubikmeter Gas enthalten soll und 1,5 Kilometer vor der deutschen Seegrenze, in unmittelbarer Nähe des Wattenmeers liegen soll. Hier möchten das Unternehmen One Dyas und ein weiteres Unternehmen Gas fördern. Das niedersächsische Wirtschaftsministerium (CDU), das Niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG)  (CDU) und niederländische Behörden hatten diese Pläne zuvor genehmigt. Die Genehmigungen werden heftig kritisiert.

 Die geplanten Bohrungen trügen kurzfristig zur Versorgungssicherheit nicht bei. Zwei deckten die 13  Milliarden Kubikmeter Gas 1/7 des deutschen Jahresverbrauchs. Doch laut Plänen solle erst 2024,  eher 2025 geringe Mengen an  Gas gefördert werden. Diese deckten nur ein bis zwei  Prozent des deutschen Bedarfs. 

Die Bohrungen könnten die Abhängigkeit von fossiler Energie noch weiter voranbringen und geschützte Arten  wie Finte und Schweinswale durch Lärm und der Gefahr der Einleitung wasserschädlicher Stoffe bedrohen . Das ökologische Gleichgewicht des Wattenmeer, sei bereits jetzt von den Folgen der Klimakrise bedroht. Es sei deswegen falsch nach Gas zu bohren, sondern wichtig, erneuerbare Energien auszubauen.

Petersberger Klimadialog

In Berlin kamen Minister*innen aus etwa 40 Ländern zum Petersberger Klimadialog zusammen. Bei dieser Konferenz wird über die Klimakrise und deren Eindämmung diskutiert, ohne am Ende konkrete Beschlüsse fassen zu müssen – also ein reiner Austausch. Der Klimadialog dient als Auftakt zur UN-Klimakonferenz, welche Ende diesen Jahres im ägyptischen Sharm El-Sheikh stattfinden soll. Entsprechend seiner Zielsetzung folgten dem Petersberger Klimadialog keine Ergebnisse. Nichtregierungsorganisationen wie der BUND, Greenpeace, Oxfam oder Germanwatch zeigten sich enttäuscht, dass es keine stärkeren Signale für den internationalen Klimaschutz gab. Damit bleibt auch die Hoffnung auf die UN-Klimakonferenz zunächst verhalten.

Die größten Probleme gibt es nicht bei Bekundungen zur Abschwächung der Erderhitzung, sondern bei  Finanzierungsfragen. Dem globalen Süden wurden beispielsweise ab 2020 von den Industrieländern jährlich 100 Mrd. US-Dollar versprochen, um Klimaschutz und Anpassungen an Klimafolgen zu leisten. Das Geld ist bisher nicht vollständig gezahlt worden und die Verantwortung dafür schwer zu verorten, weil nicht geregelt ist, wie die Summe zustande kommt. Ähnlich ist es bei der Deutschen Klimafinanzierung für den globalen Süden, die bis 2025 von 4 auf 6 Mrd. Euro jährlich ansteigen soll. Weiter ist nichts festgelegt. Für effektiven internationalen Klimaschutz braucht es allerdings ausreichende und verbindliche Zahlungen von wirtschaftlich starken Nationen wie Deutschland. Auch wenn die Messlatte für die UN-Klimakonferenz nun niedrig liegt, ist das kein Ausschlusskriterium für Fortschritte.

Waldbrände in Brandenburg & Sachsen

Der derzeitigen Hitzewelle in Portugal sind bis zum 18. Juli mehr als 1000 Menschen zum Opfer gefallen.  Die Chefin der Gesundheitsbehörde, Graca Freitas macht diesbezüglich, darauf aufmerksam, dass sich das Land zukünftig besser auf kommende Hitzewellen vorbereiten müsse. Temperaturen von über 40 Grad Celsius wurden in Portugal erreicht, durch die Hitzewelle, unter der gerade weite Teile Europas leiden. Neben den Hitzetoten kommt es in vielen Ländern Europas gerade zu Waldbränden in einer Anzahl und Größenordnung, wie sie noch nie da gewesen ist. Binnen einer Woche sind in Spanien mehr als 60.000 Hektar Wald abgebrannt, was Anwohner, Behörden, als auch Rettungskräfte vor große Herausforderungen stellt. Aber auch in Großbritannien wurden Rekordtemperaturen von über 40 Grad Celsius erreicht, was zur Folge hatte, dass der Bahnverkehr, als auch der Flugverkehr, aufgrund von, durch die Hitze beschädigten Landebahnen teils eingestellt und umgeleitet werden musste. Die Temperaturen verursachen jedoch auch hier mehrere Brände rund um London, wodurch die Feuerwehr den Großschadensfall ausrief. Demzufolge konnte sich die Feuerwehr strukturell besser aufstellen. Im Angesicht der derzeitigen Hitzewellen in Europa macht die Weltwetterorganisation darauf aufmerksam, dass sich dieser Trend der immer weiter steigenden Temperaturen bis 2060 weiter fortsetzen wird, unabhängig davon, wie weit unsere Klimaschutzmaßnahmen reichen. Die aktuellen Temperaturen werden uns in den kommenden Jahrzehnten mild erscheinen, betont der Sprecher der WMO-Generalsekretär Petteri Taalas in Genf während einer Pressekonferenz. Die Hitzewellen werden bis mindestens 2060 immer häufiger und immer intensiver vorkommen. Daraufhin macht Taalas noch einmal auf die nötigen Anstrengungen im Klimaschutz aller Staaten aufmerksam. Es müsse, so schnell es geht, aus der Nutzung von fossilen Energien ausgestiegen werden. 

Gleich zwei neue Gaspakete

Im letzten Monat ist auch einiges im Bereich des Gases passiert: Über die Pipeline Nordstream 1 fließt wieder russisches Gas nach Deutschland, allerdings nur zu 40% der eigentlichen Kapazität, was Robert Habeck zu einem neuen Gassparpaket veranlasst hat. Und das ist nicht das einzige Paket bezüglich Gas: Für den strauchelnden Energiekonzern Uniper gibt es ein Rettungspaket, mit welchem dem Unternehmen mit 15 Milliarden (!) Euro geholfen werden soll.

Aber zurück zum ersten Thema und dem Gas-Sparpaket von Habeck: Die Möglichkeit, Haushalten Gas abzudrehen, soll nicht gegeben sein, aber in bestimmten Bereichen sollen private Haushalte Gas sparen und auch im Mietvertrag stehende Mindesttemperaturen können wirkungslos werden. Aber nicht nur private Haushalte sind betroffen: Bestimmte Unternehmen mit Gasspeichern dürfen weniger Gas verbrauchen und auch Firmen müssen sich aufs Sparen einstellen. 

Dem Düsseldorfer Gasunternehmen Uniper geht es gleichzeitig finanziell gar nicht gut, weshalb die Deutsche Regierung ihm mit einem Rettungspaket von 15.000.000.000 (Milliarden) Euro unter die Arme greift. Dabei übernimmt der Bund auch 30% der Anteile des Unternehmens. 

Übrigens, nur zur preislichen Einordung: Das 9€-Ticket hat den Staat für die drei Monate „nur“ 2,5 Milliarden Euro gekostet – ein deutlich günstigerer Deal also – sollte dort nicht eher weiter an einer Verlängerung gearbeitet werden? 🙂

Earth Overshoot Day 28.07.2022

In diesem Jahr fällt der globale Earth Overshoot Day auf den 28. Juli. Dabei handelt es sich um den Tag im Jahr, ab welchem mehr Ressourcen verbraucht werden, als in einem Jahr regeneriert werden können. Jeder weitere Verbrauch geht auf Kosten unserer Erde und folglich den kommenden Generationen.

Während 1961 nur etwa 75 Prozent der jährlich verfügbaren Ressourcen bis zum Jahresende aufgebraucht wurden, wurden diese 1970 zum Jahresende vollständig aufgebraucht und dieses Jahr bereits Ende Juli. 

Der Verbrauch ist dabei global gesehen nicht gleichmäßig verteilt. So war der Earth Overshoot Day in Katar aufgrund des ressourcenintensiven Lebensstils bereits Anfang Februar. Doch auch der Konsum in Deutschland ist kritisch zu betrachten. So wäre der deutsche Konsum nur bis Mai nachhaltig, während Länder wie Ecuador oder Indonesien bis Dezember nachhaltig konsumieren. Dieser wachsende Ressourcenverbrauch stellt laut Weltbiodiversitätsrat gemeinsam mit der Klimakrise die größte Bedrohung für die Artenvielfalt unserer Erde dar. 

Schande der Ehrung,  Danaergeschenk in London

„Ich fürchte Boris Johnson, vor allem, wenn er zurücktritt“,  hätte Homer wohl Laokon ausrufen lassen, wenn er heute gelebt und um die Tradiditon der „Prime Minister’s Resignation Honours“ gewusst hätte.

Gerne hätten wir den Rücktritt Johnsons wohl Großbritabnniens bekanntester Antisemit, Rassist und Sexist, in die Liste der erfreulichen Nachrichten aufgenommen. Der 07. Juli 2022 schien für Großbritannien mit dieser Nachricht gut zu beginnen. Doch die Freude über den Rücktritt währte nur kurz. Nicht nur, dass Johnson den sofortigen Rücktritt ausschloss, er scheint trotz des Rücktritts noch großen Schaden anrichten zu können. Und es ist zu befürchten, dass er dies machen wird. Dies ermöglicht die Tradition der „Prime Minister’s Resignation Honours“. Der zurücktretende Premierminister kann der Kabinettskomission des Oberhauses beliebig viele Vorschläge für die Verleihung von Ehren an Personen machen (und diese so zu adeln, z.B. durch die Ernennung zu Peerages, Rittern oder Damehoods).  Das berechtigt zu der Mitgliedschaft im britischen Oberhaus (House of Lords), dessen Einfluss auf die Politik in Großbritannien nicht unterschätzt werden darf.  Etwa zehn Prozent der 800 Mitglieder des Oberhauses sollen Johnson schon ihren Sitz im Oberhaus verdanken. Es wird befürchtet, dass Johnson weitere Parteifreunde vorschlagen könnte. Dies würde die Mehrheitsverhältnisse im Oberhaus so verschieben, dass die Konservativen profitieren würden und künftig leichter Gesetze durchsetzen könnten. Genau dies soll die Beratungsfirma Crosby Textor den Tories bereits vorgeschlagen haben. Demnach solle Johnson bis zu 50 konservative Lords ernennen, um es den die Tories die Durchsetzung ihrer Politik zu ermöglichen. 

Wohin die Reise gehen könnte, könnte die Wahl der Person, die Johnson nachfolgen soll, zeigen. Es konkurrieren Rishi Sunak und Liz Truss. Sunak, welche sich für die Bekämpfung der Klimakrise und Wirtschaftswachstum einsetzt. 

Liz Tuss hingegen verfolgt einen menschenverachtenden Egoismus und Nationalismus. Sie möchte Großbritannien aus der Europäischen Menschenrechtskonvention werfen, die Einwanderungsgesetze verschärfen, die Eskalation in der Nordirlandfrage verschärfen und viele übernommenen Regeln der EU abschaffen.

Sie spricht sich allgemein gegen staatliche Regeln aus, gegen eine soziale Politik z.B. bei Schulbildung und gegen weitere Steuern für Öl- und Gasunternehmen. Sie  kappte die Förderungen für die Agro-PV und forderte neue Märkte für Schweinefleisch in England./ Bei der Frage, ob FLINTA*-Personen ihre Rechte ausüben dürfen sollen, ist sie linientreu konservativ. Klimagerechtigkeit sieht anders aus. Derzeit liegt Tuss in den Umfragen vorne. Widerliche und strafbare Behauptungen schaden ihr nicht.

Nichts mehr verpassen? – Infostream abonnieren!