Über 300.000 junge Menschen gingen am 15. März demonstrieren – aber was treibt sie auf die Straße?
Auf die Frage nach einem Statement zur deutschen Klimapolitik antwortet Aaron (15) aus Hamburg mit „Nur ein Wort: ausbaufähig.“
Damit fasst er treffend zusammen, was uns junge Leute seit Wochen beschäftigt und antreibt. Deswegen gingen zum allerersten, internationalen Klimastreik am Freitag, den 15.03.2019, hunderttausende Schüler*innen und Studierende weltweit auf die Straßen. In mehr als 120 Ländern und 2.000 Städten wurde gestreikt, nach dem Vorbild der 16-jährigen schwedischen Schülerin Greta Thunberg unter dem Motto
„Wir streiken, bis ihr handelt – Klimaschutz jetzt!“, sei es in Afrika, Asien, Australien oder Europa. Allein in Deutschland beteiligten sich über 300.000 Schüler*innen und Studierende aus über 220 Orten bundesweit am bisher größten Klimaprotest in der Geschichte Deutschlands, von 25.000 in Berlin über 7.000 in Kiel bis hin zu 30 Teilnehmer*innen in Landau an der Isar (Bayern). Denn wir Schüler*innen wissen: jede einzelne Stimme zählt! Und darum wird unsere gemeinsame Stimme lauter, wir fordern ein entschlossenes Handeln der Bundesregierung bei der Bewältigung der Klimakrise. Doch was genau bringt uns dazu, am Freitag die Schule Schule sein zu lassen und auf die Straßen zu gehen?
Lou (14) aus Hamburg:
„Ich war heute mit meinen Freundinnen auf der Demo FridaysForFuture, da ich das Gefühl habe von der Politik ignoriert zu werden und dass niemand der Politiker, aber auch viele andere, etwas gegen den Klimawandel machen. Der Klimaschutz ist ein sehr wichtiges Thema, denn es bestimmt über unsere Zukunft. Wenn wir nicht bald handeln, wird es die Erde so irgendwann nicht mehr geben. Wir haben nicht mehr viel Zeit! Ich hoffe, dass wir mit der FridaysForFuture Bewegung etwas erreichen und sich bald mehr um den Klimawandel gekümmert wird!“
Franzi (20), Lea (20) und Carl (24), ebenfalls aus Hamburg:
„Zur deutschen Umweltpolitik sagen wir: „Welche Umweltpolitik denn?“ Die wenigen gesteckten Klimaschutz-Ziele werden chronisch nicht eingehalten. Die deutsche Umweltpolitik scheint einzig zur Ruhigstellung der Bevölkerung genutzt zu werden. Doch wir sind jetzt nicht mehr ruhig! Wir schlagen der Umweltpolitik vor, statt weiterhin leere Versprechungen zu machen und sich auf dem Pariser Abkommen auszuruhen, zur Abwechslung mal aktiv zu handeln.“
Denn wir sind interessiert an unserer Zukunft, an der Welt in der wir leben. Und den meisten von uns ist sehr bewusst, dass diese Welt bald nicht mehr so sein wird, wie sie es mal war, besonders nicht wenn in Sachen Klimaschutz nicht entschlossener gehandelt wird. Nicht umsonst beteiligen sich so viele von uns trotz Schulpflicht an den wöchentlichen Klimaprotesten und das nicht nur hier in Deutschland. Spätestens am internationalen Streik diesen Freitag haben Jugendliche weltweit gezeigt, dass sie mit dem bisherigen Stellenwert der Klimakrise in Gesellschaft und Politik nicht zufrieden sind.
Antoine (15) aus Litauen:
„Ich persönlich kann sagen das ich die öffentliche Meinung so aufgenommen hab, dass die Menschen den Klimawandel zwar nicht ernst genug nehmen, jedoch durchaus dessen Folgen fürchten. Im Report von Germanwatch kann man erkennen dass Litauen ein relativ hohes Ranking bekommen hat (gut), was wohl auch an der Energiepolitik liegt. Trotzdem glaube ich, dass das Thema Klimawandel nicht genügend zu den Menschen hervorgedrungen ist.“
Klara (18) aus Hamburg:
„Ich habe das Gefühl, dass die Regierung der Klimakrise nicht genügend Beachtung schenkt. Vielleicht weil sich die Krise bereits seit so langer Zeit entwickelt und so viele Menschen und Unternehmen ihren Teil dazu beitragen. Um der Klimakrise entgegenzutreten müssen viele Maßnahmen ergriffen werden, es ist an der Zeit sich mit verantwortlich zu fühlen und Veränderungen schleunigst herbei zu führen.“
Wir denken für unsere Zukunft.
Natürlich ist gerade für unsere junge Generation von entscheidender Bedeutung, dass sich um unseren Planeten gekümmert wird. Schließlich sind wir diejenigen, die hier am längsten werden leben müssen. Es dürfte darum kaum überraschen, dass wir weiter denken als bis zur nächsten Klausur und uns überlegen, was heutige Klimapolitik für unser Morgen bedeutet.
Hanne (16) aus Schleswig – Holstein:
„Ich finde, dass die Politiker nicht zukunftsorientiert handeln. Sie konzentrieren sich nur aufs Jetzt und denken nicht an die nachfolgenden Generationen. Gerade die Klimademos zeigen Engagement der Jugendlichen. Dieses sollte von den Politikern genutzt werden, um in der Klimapolitik fortschrittlich zu handeln.“
Paul (14) aus Hamburg:
„Ich engagiere mich für Klimaschutz, da ich es ein Unding finde, dass die Politiker*innen sich nicht für unsere Zukunft interessieren und allgemein zu wenig für Klimaschutz getan wird. Was sollen wir unseren Kindern in der Zukunft sagen, wenn sie fragen, warum wir nichts getan haben, als wir noch die Möglichkeit hatten? Jetzt haben wir noch die Chance, etwas zu verändern.“
Vincent (17) aus Hamburg:
„Dass der Klimakrise immer noch kaum Beachtung gegeben wird liegt daran, dass die Klimakrise noch nicht wirklich sichtbar ist und die Konsequenzen für Umweltausbeutung und Wohlstandskonsum scheinbar in unendlich ferner Zukunft liegen. Für viele Menschen gilt immer noch: „Ich glaub es erst wenn ich es sehe.“ Nichtsdestotrotz ist es wahnsinnig kompliziert, jetzt plötzlich all das aufzugeben, was man Jahrzehnte lang aufgebaut hat. Was passiert mit den Menschen in Cottbus, Senftenberg, dem Lausitzer Revier? All diese Regionen sind wahnsinnig abhängig von den Kohlekraftwerken, der Kohleausstieg wird für diese Menschen dramatische Konsequenzen haben. Dass auf der Welt weiterhin die wirtschaftlichen Interessen dominieren ist schlimm, man muss sich aber auch darüber bewusst sein, welche negativen Auswirkungen der Klimaschutz zwangsweise hat.“
Was nützt wachsende Ökonomie auf einem Planeten ohne Zukunft?
Für uns ist es
nicht länger tragbar, dass langfristige, extreme ökologische Schäden mit
unberechenbaren Folgen für kurzfristigen, ökonomischen Profit in Kauf genommen
werden. Keiner von uns kann in der Zeit vorausschauen und die tatsächlichen
Folgen des Klimawandels bestätigen. Doch eins ist sicher: was einen Teil der
Welt betrifft, betrifft in Sachen Klima definitiv auch alle anderen. Das können
wir nicht ignorieren und deshalb kümmern wir uns darum, unser Interesse an einem besseren Klimaschutz global zu vertreten, mit international organisierten Protesten und einem weit vernetzten Informationsaustausch.
Greta (22) aus Hamburg:
„Erstmal danke für euer tolles Engagement! Eigentlich bin ich geborene Deutsche aber in meinem Herzen bin ich Tibeterin. Daher möchte ich euch gerne ein paar Informationen über Tibet in Bezug auf das Klima geben. Tibet bzw. das tibetische Plateau, welches die Provinzen Ütsang, Amdo und Kham (seit der chinesischen Besetzung oftmals als die autonome Region Tibet, Quinghai, Sichuan und Teile der Provinzen Gansu und Yunnan bezeichnet) umfasst, ist den meisten Menschen als das Dach der Welt bekannt. Da dort viele der höchsten Berge unserer Erde mit großen Gletschergebieten liegen, ist Tibet unter anderem die wichtigste Region des Dritten Pols, dessen Erhalt ebenso essentiell und entscheidend für das globale Klima ist, wie der Erhalt des Nord- und des Südpols. Vor 1959 lebten die Tibeter relativ isoliert vom Rest der Welt und manche sagen mittelalterlich, jedoch im Einklang mit der Natur und vor allem mit höchstem Respekt für „Mutter Erde“. Seit der illegalen, brutalen Besetzung Tibets durch China in 1959 jedoch wird die Umwelt und die Natur Tibets aus Gier nach Bodenschätzen etc. durch die chinesische Regierung weitgehend zerstört und vernichtet und der CO2-Ausstoß nimmt rapide zu, was zu einem schnellen Schmelzen der Eisflächen im Himalaya führt. Somit leistet die chinesische Regierung durch ihr „antinachhaltiges“ Verhalten in Tibet einen entscheidenden und schwerwiegenden Beitrag zur globalen Erderwärmung. Der Dalai Lama hat all dies kürzer in folgendem Zitat zusammengefasst:
„This blue planet is our only home and Tibet is its roof. The Tibetan Plateau needs to be protected, not just for Tibetans but for the health and sustainability of the entire world.“
Wir Schüler*innen von heute sind die Wähler*innen von morgen.
Bei den nächsten Landes- und Bundestagswahlen werden viele von uns wahlberechtigt sein. Und viele von uns werden sich an unsere Beteiligung an den Protesten bei FridaysForFuture erinnern und wir werden uns fragen: welche der Parteien greift unser Bedürfnis nach einem besseren Klimaschutz auf? Wer nimmt uns ernst, wer erkennt unser Engagement an und verweigert sich uns nicht?
Natürlich kann jede Partei eine Meinung zu unseren Klimastreiks haben, doch trotz aller Meinungsverschiedenheiten über die Schulpflicht darf unser Anliegen nicht unter den Tisch gekehrt und unsere Stimme auf keinen Fall unterschätzt werden.
Martha (15) aus Hamburg:
„Die Politik ignoriert die breite Masse komplett und nimmt gerade die jüngere Generation nicht ernst. Ich finde es heuchlerisch, dass von Seiten der Regierung immer so getan wird als sei die junge Generation unpolitisch und man wolle, dass sie mehr tut und wenn dann etwas so gutes wie F4F entsteht und die jungen Menschen so etwas großes allein auf die Beine stellen, bekommen sie Angst, ignorieren sämtliche Forderungen und diskutieren nur ob man nun streiken dürfe oder nicht.
Auch unsere Generation wird wahlberechtigt sein und dann wird es die Veränderungen geben die wir möchten.“
Freya (18) aus Hamburg:
„In den letzten Wochen hat sich deutlich gezeigt, wie unzufrieden ich und viele andere in meinem Alter und sogar jünger mit der aktuellen Klimapolitik in Deutschland sind. Und heute sind wir vielleicht nur eine Gruppe Jugendlicher, die auf der Straße ein bisschen Lärm macht. Aber wir sind auch die Wähler*innen von morgen und wir fordern Veränderungen, damit wir eine Zukunft haben können.“
Bo (13) aus Belgien:
„Was in Belgien oft passiert ist, dass sich die verschiedenen politischen Parteien nicht einigen können, sodass keine Mehrheit zustande kommt. Der Punkt ist, dass alle Angst haben bei den nächsten Wahlen nicht gewählt zu werden. Mir ist aufgefallen, dass einige Politiker*innen aufgrund der Schulstreiks jetzt sehen, dass das was die Leute wirklich wollen ein Systemwechsel ist. Oder vielleicht haben sie Angst zu viele Direktnachrichten zu bekommen, so wie eine unserer Klimaminister*innen, Joke Schauvliege, weil sie einfach viel zu wenig gemacht hat. Joke hat inzwischen ihr Amt niedergelegt. Wir alle hoffen, dass die Parteien mit einer Klimaagenda im Mai gewählt werden.“
Ein positiver, gemeinsamer Appell an unsere Regierung und Politik.
Es geht uns nicht darum, unsere Politiker*innen abzustrafen für Versäumnisse der Vergangenheit. Es geht uns darum sie aufzufordern, sich intensiver und ernsthafter mit unserer Zukunft zu beschäftigen und dann nach Erkenntnissen der Wissenschaft vernünftig zu handeln. Wir haben nur eine Erde, wir werden sie noch eine ganze Zeit brauchen und wir fordern, dass unsere Zukunft hier gesichert wird. Keiner von uns möchte sich später vorwerfen müssen, nicht laut nach Veränderung gefordert zu haben, als die Zeit dafür da war. Und sie ist jetzt da. Wir streiken weiter bis wir wissen, dass wir gehört werden und dass dementsprechend gehandelt wird. Hört nicht weg, sondern geht mit uns gemeinsam den Weg in eine stabilere Zukunft durch eine angemessene Klimapolitik!
Ranya (18), Alex (17), Annika (16):
„Spätestens nach dem Pariser Klimaabkommen hätte die Politik handeln müssen. Stattdessen passiert mal wieder nichts. Die Politiker*innen reden und reden und nichts passiert. Das Aufschieben des Kohlestopps auf 2038 ist mit der Trödelei der Regierung und der Angst vor den großen Unternehmen zu erklären. Wir brauchen den Klimastopp vor 2038, denn es ist UNSERE Zukunft, die ins Wasser fällt. Jetzt, wo die Jugend handelt, sollte die Politik nachziehen. Es wird Zeit!“
Kathi (14) aus Hamburg:
„Jeder einzelne, der zu einer Demo geht oder sich auf irgendeinem Weg für den Klimaschutz engagiert, setzt ein Zeichen. Das ist so wichtig, weil es hier schließlich um unsere Zukunft geht. Wir müssen dafür sorgen, dass wir und alle, die nach uns kommen, auf dieser Erde leben können. Jetzt ist es noch nicht zu spät. Jetzt ist noch Zeit zum Handeln!“
Leon (18) aus Schleswig – Holstein:
„Liebe Politiker*innen, sicherlich könnt ihr euch noch an eure Anfangszeit erinnern. Ihr saßt damals wahrscheinlich nicht nur tatenlos herum oder habt bürokratisch Sachen hin und her geschoben, sondern habt für etwas gekämpft! Sei es auf der Straße oder anderswo und wart mit Herz und Seele dabei. Auf den Straßen des heutigen Tages standen die zukünftigen Wähler*innen und die Politiker*innen von morgen und sie werden Fehlschritte bestimmt nicht verzeihen! Also hört uns zu, was wir zu sagen haben und wir werden uns gemeinsam auf eine bessere Zukunft freuen!“
Ein Artikel von Bente