Was hat vier Räder und ist nirgendwo zu finden? Klima-Update Wochen 19 & 20

 – Die Strategie der Bundesregierung, die Emissionen im Verkehrssektor nachhaltig zu senken. 
Klimafreundliche Verkehrsmittel sind angesichts der fortschreitenden Erderwärmung und des Kriegs in der Ukraine wichtiger denn je. Doch auch wenn der Beschluss des Neun-Euro-Tickets ÖPNV für drei Monate erschwinglicher macht, fehlt es an nachhaltigen Investitionen. Und während wir immer mehr Temperatur-Rekorde brechen und mit Vollgas auf eine Welt zurasen, die sich um 1,5°C oder mehr erhitzt hat, wird noch immer über ein Tempolimit diskutiert. Die Fahrzeug-Flotte der Bundesregierung bekommt die rote Karte, während ein Landwirt gegen einen der größten deutschen Auto-Hersteller vor Gericht zieht. Die wichtigsten Klima-News der vergangenen zwei Wochen im Überblick. 

Kommt jetzt endlich ein Tempolimit? 

Im Moment wird wieder über das längst überfällige Tempolimit diskutiert – ein Minimums-Schritt auf dem Weg in eine klimafreundlichere Zukunft, den die Mehrheit der Deutschen befürwortet. Obwohl sich FDP Verkehrsminister Volker Wissing nach wie vor dagegen positioniert, haben die Umweltminister*innen der Bundesländer aufgrund der Notwendigkeit und Dringlichkeit einstimmig die Forderung des Tempolimits 130 beschlossen. Jetzt liegt es am Bund, was daraus wird. 

Das Neun-Euro-Ticket kommt

Ab dem 01.Juni kann das Neun-Euro-Ticket für drei Monate im bundesweiten Nahverkehr genutzt werden. Dies steht nun fest, nachdem der Beschluss sowohl in Bundestag, als auch im Bundesrat durchgesetzt wurde. Mehr als die Hälfte der Deutschen wollen laut Umfragen das Ticket sicher oder wahrscheinlich nutzen. Das vergünstigte Ticket könnte dazu beitragen, fossile Kraftstoffe angesichts der Ukraine-Krise einzusparen und den CO2-Ausstoß im Verkehr zu reduzieren. So könnten rein rechnerisch bis zu 21,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden, wenn alle Pendler*innen auf ÖPNV umsteigen würden. In Realität müssen dafür aber die ÖPNV-Infrastruktur deutlich ausgebaut und die Taktung erhöht werden – insbesondere auf dem Land –  sowie die Arbeitsbedingungen von Beschäftigten im ÖPNV verbessert werden. 

Wir brechen immer mehr Rekorde 

Die letzten sieben Jahre waren die heißesten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Das hat zu diversen Katastrophen, Ausnahmezuständen (auf dem Grönländischen Eissschild hat es 2021 zum ersten Mal seit Aufzeichnungsbeginn geregnet statt geschneit!) und vielen Toten, bloß leider nicht zu politischer Veränderung geführt. Besonders betroffen sind die Ozeane, die so sauer und warm sind wie seit zehntausenden von Jahren nicht mehr. Unsere Ozeane speichern 90% der Wärme, was dazu führt, dass sie sich schneller ausbreiten. Mit einer Ausbreitungsgeschwindigkeit von 4,5 Millimetern pro Jahr steigt der Meeresspiegel zur Zeit doppelt so schnell wie noch 1990. 

Bericht: 1,5°C rücken immer näher 

Mit dem Pariser Klimaabkommen hatte sich die Weltgemeinschaft 2015 darauf verständigt, die Erderhitzung auf unter 2°C, möglichst unter 1,5°C zu begrenzen. Zu diesem Zeitpunkt erschien das Erreichen der 1,5°C-Grenze noch weit weg. Laut einem neuen Klimabericht von UN-Experten könnte die Marke 1,5°C globale Erhitzung bereits 2026 erstmalig überschritten werden. In den folgenden Jahren seien dann zwar noch Schwankungen möglich, allerdings würde auch das vorerste Überschreiten enorme globale Auswirkungen mit sich bringen. 

Greenpeace & Landwirt*innen verklagen Volkswagen

Der Landwirt Ulf Allhoff-Cramer zieht mit der Unterstützung der NGO Greenpeace einen der größten deutschen Klimazerstörer in die Verantwortung: Sie klagen gegen Volkswagen und fordern, dass der Konzern gerichtlich zum Klimaschutz verpflichtet wird – denn eine Greenpeace-Studie zeigt, dass er den gleichen CO2-Fußabdruck wie ganz Australien hat. Greenpeace-Waldexperte Martin Kaiser: „Bei VW ist dies besonders skandalös, weil der Konzern seine Macht als größter europäischer Autohersteller gegen die Politik und das Allgemeinwohl eingesetzt hat.“

Dürren bedrohen auf der ganzen Welt immer mehr Menschen 

Ein neuer Bericht der UN prognostiziert, dass 75% der Menschen auf der Welt bis 2050 von Dürren betroffen sein könnten. Dürren nehmen global stark zu und bringen immer mehr Menschen um Nahrung, Wasser oder sogar ihr Leben. 
Der am stärksten betroffene Kontinent ist Afrika: fast die Hälfte aller Dürren (44%) werden dort gemessen. 2022 sind ca. 2,3 Milliarden Menschen weltweit schwerer, anhaltender Dürre und Wasserknappheit ausgesetzt.

Hitzewellen und Überschwemmungen in Indien

Einen Vorgeschmack dieser Dürren und Hitzewellen konnten wir in den letzten Wochen erleben. Indien und Pakistan gab es Hitzewellen mit Temperaturen von bis zu 50 Grad. Es war die schwerste Hitzewelle seit dem Beginn der Wetteraufzeichnungen. 
Eine solche Hitzewelle in Indien und Pakistan sollte eigentlich eine extreme Ausnahme sein, die natürlicherweise alle 312 Jahre eintreten soll. Bis jetzt. Denn aufgrund der Klimakatastrophe könnten derartige Hitzewellen noch in diesem Jahrhundert zur Normalität werden und künftig alle drei Jahre oder sogar alle anderthalb Jahre auftreten. Die Wahrscheinlichkeit für solche extreme Hitzewellen wäre damit um das Hundertfache gestiegen. Das geht aus einer aktuellen Studie des MET Office hervor.
Auf die Hitzewelle folgten in Nordindien starke Regenfälle. In Bangladesch gab es die schlimmsten Überschwemmungen seit 20 Jahren. Die Überschwemmungen forderten 47 Menschenleben, zerstörten hunderte Ortschaften und schnitten mindestens 20 Millionen Menschen von der Außenwelt ab.

Rote Klimakarte für deutsche Minister*innen 

Man sollte meinen, dass Spitzenpolitiker*innen sich ihrer verantwortungsvollen Rolle  bewusst wären und mit gutem Beispiel vorangehen – doch Fehlanzeige. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat 15 Bundes- und Landesministerien zu ihren CO2-Emissionen der Dienstwagen befragt und untersucht und daraufhin grüne, gelbe und rote Karten verteilt. Bis auf Cem Özdemir und Steffi Lemke (Grüne) erhielten alle Bundesminister*innen für ihre Dienstwagen die rote Karte. Der Ausstoß ihrer Dienstwagen überschritt die Grenzwerte mindestens um das Doppelte. Eine der roten Karten musste Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) einstecken. Von den Bundesministerien konnte nur das Auswärtige Amt die grüne Klimakarte gewinnen. Von den Umweltminister*innen erhielten weniger als die Hälfte die grüne Karte, unter den Regierungschef der Länder wurde eine einzige verteilt, nämlich an Winfried Kreschmann (Grüne). Unter den Politiker*innen, die die klimaschädlichsten Wagen fuhren waren hierbei Markus Söder (CSU), Hendrik Wüst (CDU) und Volker Bouffier (CDU). 

Good News der Woche: „Ella“ ist frei 

Die Aktivistin „Ella“ aus dem Dannenröder Forst ist aus dem Gefängnis entlassen worden.Es gab viele breite Proteste von verschiedenen Organisationen aus der Klimagerechtigkeitsbewegung, da „Ella“ 18 Monate inhaftiert gewesen war, ohne dass ihr die Anklagepunkte lückenlos nachgewiesen werden konnten.  Die beteiligten Polizisten gaben nach dem Fund von Videoaufnahmen, die das Gegenteil ihrer Aussage zeigten, im Laufe des Prozesses zu, dass sie die Unwahrheit gesagt hatten.

Nichts mehr verpassen? – Infostream abonnieren!