Unite Behind The Science – Wochen 30/31

Die Klimakrise ist hier: Schon seit Jahren warnt die Wissenschaft und zeigt auf, was getan werden muss, um die voranschreitende Erderhitzung zu verhindern. Die Folgen, wie Extremwetterereignisse, spüren wir bereits weltweit und sie werden immer häufiger – das haben die letzten Wochen mal wieder deutlich gezeigt. Der neue IPCC-Report bestätigt erneut: Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über den menschlichen Einfluss auf unsere Klima sind da, das Wissen darüber, was wir tun müssen, um die Erderwärmung unter 1,5°C-Limit zu begrenzen ebenfalls – aber der politische Wille für die nötigen Veränderungen fehlt. Daher gehen wir weiterhin auf die Straße!  – Jerrit, Manuel und Lara haben euch die Klima-News der letzten zwei Wochen zusammengefasst.

Neuer IPCC-Bericht: Politikversagen und Hoffnungsschimmer

Diesen Montag hat der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) seinen neuesten Bericht vorgelegt. In dem unabhängigen UN-Gremium sammelten 234 Forschende für diesen Berichte die Forschungsergebnisse der internationalen Wissenschaft zur Klimakrise und fassten basierend auf mehr als 14.000 Fachpublikationen zusammen, worin Expert*innen weltweit übereinstimmen. Der aktuelle Bericht zeigt deutlich: Die Zeit rennt. Wenn wir jetzt nicht umfassend handeln, werden wir bereits 2030 das 1,5°C-Limit überschreiten. 

Die Folgen der Erderhitzung sind bereits jetzt weltweit zu spüren: Der IPCC-Bericht zeigt, dass sich die Warnungen der Wissenschaft vor einer Zunahme der Extremwettereignisse bestätigen. Extreme Hitze und Starkregen, sowie die Anzahl starker Hurrikans hat zugenommen. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass der menschliche Einfluss auf das Klima dazu führt, dass kombinierte Extremwettereignisse, also z.B. das gleichzeitige Auftreten von Dürren und Hitzeperioden, häufiger werden. Weil die Politik in den letzten dreißig Jahren trotz der Warnungen der Wissenschaft nichts gegen die Klimakrise unternommen hat, kämpfen Menschen weltweit schon jetzt mit den Folgen. 

Aber die Begrenzung der menschengemachten Erderwärmung unter 1,5°C verhindert, dass die Folgen noch schlimmer werden. Denn auch das zeigt der IPCC-Bericht: Noch ist es möglich, dass 1,5°C-Limit nicht zu überschreiten. Das Zeitfenster ist klein, aber wenn wir sofort und umfassend handeln, gibt es einen Hoffnungsschimmer.

Es gibt keinerlei Zweifel daran, dass das Verbrennen fossiler Brennstoffe unser Klima anheizt. Wenn die Politik die Ausmaße dieser auch nur ansatzweise versteht, bedeutet das daher, dass wir den Kohleausstieg vorziehen und klimaschädliche Gasprojekte wie Nordstream2 stoppen. Es bedeutet, dass alle Parteien, die bei den Bundestagswahlen ernst genommen werden wollen, ihr Wahlprogramm basierend auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen neu verhandeln und einen konkreten Plan vorlegen, wie wir bis spätestens 2035 klimaneutral werden. Die kommende Legislaturperiode ist entscheidend. Darum gehen wir am 24.09. alle zusammen auf die Straßen – weil es um unsere Lebensgrundlage geht. 

Zehntausende Wissenschaftler*innen fordern sofortige Veränderung der Klimapolitik

Bereits Ende Juli haben fast 14.000 Wissenschaftler*innen mit einem Artikel im Fachjournal „BioScience“ für dringliche Veränderungen des Verhaltens, dass die menschengemachte Erderwärmung anheizt, appelliert. Bereits vor zwei Jahren hatten mehr als zehntausend Expert*innen den Klima-Notfall ausgerufen – nun sind noch weitere Wissenschaftler*innen dazugekommen. Im April 2021 war die CO2-Konzentration in der Atmosphäre so hoch wie noch nie zuvor gemessen. Zahlreiche Extremwettereignisse wie Hitzewellen, Flut-Katastrophen und Waldbrände zeigten, welche Konsequenzen es habe, wenn so weiter gemacht würde, wie bisher, so die Wissenschaftler*innen.  Daher fordern sie ein absehbares Ende der Nutzung fossiler Rohstoffe und mehr Schutz der Artenvielfalt. 

Golf-Strom vor dem Kollaps – ein verheerender Kipp-Punkt möglicherweise schon bald erreicht

Niklas Boers, Forscher am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) fand bei einer Studie, veröffentlicht am 05.08.2021, heraus, dass der Golfstrom bzw. Atlantic meridional overturning circulation (AMOC) sich an einem gefährlichen Tiefpunkt befindet und möglicherweise ein Kollaps droht. 

Die Folgen eines solchen Kollaps wären verheerend und vielschichtig. Von dramatischen Regenausfällen in beispielsweise Indien oder Südafrika, über Temperatursenkungen in Europa, bis hin zu einer weiteren Gefährdung des Amazonas.

Über die Ursache des möglichen Kollapses besteht für den Wissenschaftler Boers kein Zweifel; die Klimakrise ist verantwortlich. Das schmelzende Eis aus Grönland führt zum Beispiel dazu, dass der AMOC, der u.a. von salzigem Seewasser angetrieben wird, sich verlangsamt. 

Historisch betrachtet hat der AMOC zwei Zustände. Einen schnelleren, den momentanen, und einen langsamen. Mit der Klimakrise bremsen wir den AMOC immer weiter aus und begünstigen einen Übergang in den langsameren Modus – mit den oben genannten Folgen. Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass ein Übergang durch die menschgemachte Klimakrise schnell und abrupt ablaufen kann.

Boers vermerkt weiterhin: Man weiß nicht, wann genau der Kollaps eintritt bzw. wie viel CO2 dafür noch fehlt in der Atmosphäre. Die Destabilisierung die momentan beobachtet werden kann, sei jedoch beängstigend und unerwartet schnell vorangeschritten.

Hitzewellen in USA und Kanada, Überschwemmungen in West- und Mitteleuropa – Ohne Klimawandel kaum möglich, sagen Wissenschaftler*innen 

Sowohl in Teilen Kanadas, als auch der USA kam es in den vergangenen Wochen zu extremen rekord-brechenden, Hitzewellen mit Temperaturen bis zu an die 50°C. Nur Zufall? Wissenschaftler*innen der  World Weather Attribution Group sagen nun nach Durchführung einer Studie: Keineswegs! Ohne die menschgemachte Klimakrise sei das Auftreten der dort herrschenden Temperaturen „nahezu unmöglich“ gewesen. So habe die Klimakrise die Geschehnisse um die 150-mal wahrscheinlicher gemacht. Vermutlich handele es sich laut der Studie um ein Extremwetterphänomen, dass durch Zufall, gepaart mit Erderwärmung ermöglicht wurde. Faktoren wie eine Anstauung von warmer Luft über den betroffenen Regionen, bekannt als „Heat Dome“ spielen demnach ebenfalls eine entscheidende Rolle. Ein weiteres, deutlich düsteres Szenario, was die Studie für möglich, jedoch deutlich unwahrscheinlicher hält, sagt voraus, dass bei der momentanen, durchschnittlichen Erderwärmung von 1,2 Grad Celsius, verglichen mit dem vorindustriellen Zeitalter, bereits eine kritische Stelle überschritten ist, ab welcher sich solche Extremwetterereignisse häufen. 

Die Studie zeigt weiterhin auf, dass die Hitzewelle ohne Klimakrise um die 2°C kühler ausgefallen wäre. Die Klimakrise erhöht also nicht nur die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Extremwetterereignissen, sondern auch die Intensität dieser. Bei einer Erderwärmung würden Hitzewellen wie die Beschriebenen, welche normalerweise laut Studie ca. alle 1000 Jahre auftreten, bereits ab 2 Grad, verglichen mit dem vorindustrielle Zeitalter, (wovon wir bei momentanem Kurs ca. 20 Jahre entfernt sind) alle 5 bis 10 Jahre auftreten.

Auch an den massiven Überflutungen in Teilen Deutschlands ist die Klimakrise mitverantwortlich. Schuld für das Ereignis sei ein Tiefdruckgebiet, welches von Wissenschaftler*innen als „Bernd“ betitelt wird. In einem kurzen ZDF Beitrag erklärte Katja Horneffer, eine Diplom-Meteorologin, den Zusammenhang zur Klimakrise. Demnach sei das Tiefdruckgebiet an sich in wesentlichen Teilen kein Produkt der Klimakrise und auch in ähnlich in der Vergangenheit beobachtbar gewesen. Normalerweise stellen Tiefdruckgebiete wie „Bernd“ aber laut Horneffer kein Problem dar, da sie unter von den Westwinden, besser als „Jetstream“ bekannt, schnell wieder weiter getragen werden, so dass es nicht zu Überschwemmungen und Hochwasser kommt. Die Erderwärmung, durch die Klimakrise verursacht, führt laut Horneffer jedoch dazu, dass die Jetstream-Winde stagnieren, bzw. nicht mehr die Tiefdruckgebiete weitertragen. Dadurch bleiben diese länger an einer Stelle und es kommt zu mehr Niederschlag in den betroffenen Regionen. 

Unsere Erde brennt

Global zerstören die Waldbrände Flächen in der Größe von Staaten und bedrohen tausende Menschen.In der Türkei mussten 668 Menschen evakuiert werden. In Griechenland bedrohten die Brände zeitweise ein Atomkraftwerk. In dessen Folge mussten 36.000 Menschen evakuiert werden.

Die Brände sind in ihrem globalen Ausmaß geeignet, die Kohlenstoffdioxideinsparungen, die durch Pandemie bedingt waren, zunichte zu machen.

Die Fläche der Brände in Jakutien in Sibirien beträgt ca. 4,5 Millionen Hektar Wald. Die Rauchwolken reichen bis zum 3000 Kilometer entfernten Nordpol und haben damit kontinentales Ausmaß. Durch die Brände wurden nach Schätzungen des Copernicus Atmosphere Monitoring Service (CAM) etwa 505 Megatonnen Kohlendioxid-Äquivalent freigesetzt.

In Kalifornien setzen die Brände im Zeitraum vom 01. Juli bis zum 25. Juli rund 41 Millionen Tonnen CO2 frei. ZUm Vergleich: Durch die Pandemie wurden 69 Millionen Tonnen CO2 eingespart. 

Deutschland mit 100% Erneuerbare Energien – Keine entfernter Gedanke, sondern erreichbare Realität 

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) veröffentlichte in ihrem Wochenbericht zu den Kalenderwochen 29/30 Rechnungen, welche besagen, dass Deutschland in Zukunft zu 100% auf Erneuerbare Energien für die Deckung des Stromverbrauches setzen kann. 

Bereits in 10 bis 15 Jahren könnten ein deutsches Stromnetz ohne Atomkraft und fossile Energieträger Realität sein, so Claudia Kemfert.

Bei den ausgemalten Szenarien, die eine vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien vorsieht, wurden alle Sektoren, (Strom, Wärme, etc.) berücksichtigt. Die Energie soll dabei hauptsächlich aus Solarenergie und Windenergie von Land und Wasser gedeckt werden. Auch Stromausfälle seien durch die Energiewende nicht wahrscheinlicher. Geplant ist ein intelligentes Stromnetz mit vielen Standorten der Energieerzeugung, an der Stelle von großen Kraftwerken, die für größere Umfelder produzieren. Dabei ist es wichtig, Claudia Kemferts Kommentar zu vermerken, dass theoretisch jede Region Deutschlands Potential für die Umstellung auf erneuerbare Energieträger bietet.

Der Bericht gibt eine erste Geschmacksprobe davon, wie eine klimaneutrale Zukunft Deutschlands aussehen könnte. Malte Küper, vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, merkte in diesem Kontext an, dass der Bericht zwar eine konkrete Lösung vorlegt, das momentane Tempo, mit welchem die erneuerbaren Energieträger ausgebaut werden, jedoch nicht ausreicht, um diese Ziele zu erreichen. Besonders die Windkraft in weiten Teilen Deutschlands muss laut Küper deutlich an Fahrt aufnehmen.

Mehrere Millionen Menschenleben durch Dürre in Angola bedroht

Weil in Angola die schlimmste Dürre seit 40 Jahren herrscht, sind mehrere Millionen Menschen vom Hungertod bedroht. Tausende Menschen flohen bereits in das Nachbarland Namibia. Angola gehört laut einer Studie des Insitutes for Economics and Peace  aus dem Jahr 2020 zu den besonders durch die Klimakrise bedrohten Ländern. Der Studie zufolge könnten diese Länder durch die Klimakrise vom Kollabs bedroht sein. Stand Mai 2021 waren sechs Millionen Menschen in Angola von unzureichender Versorgung mit Lebensmitteln betroffen – und mehr als 15 Mio. Menschen, was fast die Hälfte der Bevölkerung des Landes sind, waren auf Krisen-Bewältigungsmechanismen, wie die Ausgabe von Ersparten oder die Reduzierung der Ausgaben für andere Dinge als Lebensmittel, angewiesen, um sich Essen zu leisten. 

Ende Gelände Proteste in Brunsbüttel und Hamburg

Mit einem Aktionswochenende für Klimagerechtigkeit hat Ende Gelände Ende Juli einen sofortigen Ausstieg aus Gas, Öl und Kohle gefordert. Mehr als 2.000 Aktivisti blockierten in Brunsbüttel wichtige Infrastruktur für den  dortigen ChemCoast Park. In einer Aktion zivilen Ungehorsams besetzten sie am Samstag, den 31.07. Bahngleise und hielten diese Blockade über Nacht bis zum Sonntag aufrecht. Damit machten sie darauf aufmerksam, dass die Erzählung vom „Sauberen Gas“ eine dreckige Lüge ist. Erdgas besteht in großen Teilen aus Methan. Wenn dieses durch Leckagen bei der Förderung oder dem Transport in die Atmosphäre gelangt, hat es es eine starke Treibhaus-Wirkung. Auch wenn es sich wesentlich kürzer als CO2 in der Atmosphäre hält, bevor es abgebaut wird, kann es in den ersten Jahren entscheidend für das Verfehlen von Klimazielen sein. Zudem machen große Gas-Konzerne aus dem Globalen Norden Profite auf Kosten der Menschen und Umwelt im Globalen Süden. Sie fördern das Gas in Gebieten mit niedrigen Umweltstandarts oder halten diese nicht ein. Bei den Menschen vor Ort kommt kaum etwas von dem Gewinn, den die Konzerne mit den Rohstoffen machen, an, während sie von den negativen Folgen der Erdgasförderung z.B. für die Gesundheit betroffen sind. Lokale Aktivisti, die sich gegen die Ausbeutung wehren, müssen um ihr Leben fürchten. „Die Gas- und Fracking-Industrie ist heute eine Fortsetzung kolonialer Formen der Ausbeutung: Die offenen Adern des globalen Südens bluten durch die Wasserwege Europas.“, sagte dementsprechend auch Esteban Servat, Klimaaktivist aus Argentinien. Daher blockierten die Aktivisti von Ende Gelände den Nord-Ostsee-Kanal und legten somit eine der wichtigsten Wasserstraßen der Welt für zwei Stunden lahm. Zeitgleich zu der Aktion in Brunsbüttel demonstrierten zudem die Antikoloniale Attacke als migrantische Selbstorganisation in Hamburg. Die Aktionen waren Teil des globalen Aktionstags des Bündnisses „Shale must fall“, an dem in dreizehn Ländern 23 Aktionen gegen Fracking stattfanden. Wer mehr über die Arbeit von Ende Gelände erfahren möchte oder an den kommenden Aktionen teilnehmen möchte, findet alle Infos auf der Homepage von Ende Gelände oder kann sich dort in den Newsletter eintragen. 

Umweltaktivistin Joannah Stutchburry in Kenia ermordet 

Am 15. Juli 2021 wurde die kenianische Umweltaktivistin Joannah Stutchburry am hellichten Tag vor ihrer Haustüre ermordet. Stutchburry setzte sich in Kenia insbesondere für den Erhalt der Wälder ein und kämpfte dabei auch energisch gegen illegale Aktivitäten. Amnesty International vermutet darin den Beweggrund des Mordes, plädiert für die schnelle Aufklärung und betont die Dringlichkeit angesichts der Dreistigkeit des Mordes und der vermuteten Intention: Der Einschüchterung und Mundtot-Machung. Konkret stellt Amnesty Forderungen an den kenianischen Präsidenten, die Direktion für kriminelle Investigation und an das Umwelt- und Wald-Ministerium. Darunter beispielsweise die schnelle Aufklärung des Mordes, oder der zukünftige Schutz von (Klima-)Aktivist*innen.

Zentralstreik in Frankfurt – Our Future is Not For Sale

Obwohl Wissenschaftler*innen seit Jahren eindringlich warnen und die Folgen der Klimakrise weltweit spürbar sind, finanziert der Finanzsektor weiterhin fossile Energieträger und heizt damit die Klimakrise an. Daher protestieren wir am 13.08. in Frankfurt am Main. Los geht es um 14:00 mit Sternmärchen zur Hauptkundgebung, die ab 15:00 an der Alten Oper startet. Die Route verläuft durch das Bankenviertel, wo wichtige Akteur*innen und Banken in den Fokus genommen werden. Es ist möglich, bereits am Donnerstag anzureisen und im Klima-Camp zu übernachten, sowie am Samstag abzureisen. Viele Ortsgruppen organisieren eine gemeinsame Anreise nach Frankfurt. Alle Infos zur Anreise, Übernachtung und Demo-Teilnahme findest du hier. Und in ihrem Blogbeitrag haben Peter und Paul zusammengefasst, was sich im Finansektor ändern muss. 

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