Unser Überblick zu den letzten zwei Wochen zeigt, dassn der Klimakrise weiterhin großer Handlungsbedarf besteht, die Politik nach wie vor unzureichend handelt, doch das Engagement für Klimagerechtigkeit durchaus etwas bewirken kann. Die Wochenübersicht von Sophia und Manuel.
Drei Jahre Fridays for Future
Am 14.12.2021 sind es genau drei Jahre, seit wir für Klimagerechtigkeit auf die Straßen gehen. Seitdem ist viel passiert. Millionen Menschen sind mit uns gemeinsam auf die Straße gegangen und waren und sind weiterhin laut für eine 1,5°C konforme Politik. Wir haben es auch im Lockdown auf kreative Weise geschafft unseren Protest präsent zu halten und aufgezeigt, dass 1,5°C-konforme Politik möglich ist, wenn nur der politische Wille da ist und auf die Wissenschaft gehört wird.
Die Diskussion über die Klimakrise ist nun in allen gesellschaftlichen Bereichen präsent und der Kohleausstieg 2030 endlich in Reichweite. Gleichzeitig gibt es weiterhin viel zu tun. Auch die neue Bundesregierung hat noch immer keinen Plan, wie Deutschland auf einen 1,5°C-konformen Pfad kommen soll und das obwohl die kommende Legislaturperiode entscheidend ist. Daher wird auch im kommenden Jahr unser lauter und vielfältiger Protest nötig sein.
Gerechtigkeit: Deutschland und seine historischen Emissionen: Millardenausgleich für MAPA-Staaten?
Aus der Sicht des WWF ist Deutschland dazu verpflichtet, sich an dem Aufbau der klimaneutralen Infrastruktur in MAPA Staaten (MAPS=most affected people and areas) durch jährliche Zuschüsse in Milliardenhöhe zu beteiligen. Grund dafür seien die aktuellen wie historischen Treibhausgas-Emissionen Deutschlands. Deutschland habe maßgeblich zur Klimakrise beigetragen und werde voraussichtlich sein CO2-Bugdet bis 2030 überschreiten.
Das globale CO2-Budget zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels beträgt 400 Milliarden Tonnen. Hieraus folgt für Deutschland ein CO2-Bugdet von 2,6 Milliarden Tonnen. Das globale CO2-Bugdet zur Erreichung des 2-Grad-Ziels beträgt 1150 Milliarden Tonnen. Zur Erreichung von 1,7-Grad hat Deutschland ein CO2-Bugdet von sechs Milliarden Tonnen. Voraussichtlich überschreitet Deutschland bis 2030 dieses Budget um 4,9 Milliarden Tonnen bzw. 1,6 Milliarden Tonnen CO2.
Eine Möglichkeit, die globalen Ziele doch noch zu erreichen, wäre laut Klimaexperte Felix Matthes vom Öko Institut die notwendige Reduktion andernorts vorzunehmen. Diese könne dadurch geschehen, dass anderen Staaten finanzelle Mittel zum Aufbau einer klimagerechten Infrastruktur bereitgestellt würden. Gleichzeitig muss Deutschland aber auch die eigene klimagerechte Transformation massiv vorantreiben.
War da was?
Die AfD versuchte im Wahlkampf mit den Mitteln der Verbreitung von Desinformationen und durch die Erzeugung von Feindbildern die Klimagerechtigkeitswahl zu verhindern. Hiervon betroffen waren auch Klimaschutzaktivist*innen. Dies geht aus einer Studie hervor, die der Tagesschau vorliegt. Demnach sollen die Beiträge der AfD in sozialen Netzwerken Fakten verzerrt, aus dem Kontext gerissen oder ignoniert haben. Klimaschutzaktivist*innen sollen verleumdet und beleidigt worden sein.
Sieg der Klimagerechtigkeit I – Stopp des Lobautunnels bei Wien
Zahlreiche Proteste von Klimagerechtigkeitsaktivist*innen gegen den Lobatunnel, ein geplanter Autobahntunnel bei Wien, haben ihr Ziel erreicht. Die Klimaschutzministerin von Österreich stoppte das Projekt aufgrund von Klimaschutzbedenken. Das Projekt hielt dem „Klimacheck“, dem staatliche Straßenbauprojekte seit einem Jahr unterliegen, nicht stand. In diesem werden die wirtschaftlichen Vorteile eines gegen dessen Nachteile für die Umwelt abgewogen.
Wiens Bürgermeister erkennt diese Entscheidung des Ministeriums nicht an und kündigte an, hiergegen rechtlich vorzugehen. Ebenfalls rechtlich vorgehen möchte er gegen die Aktivist*innen und kündigte an, den Protest räumen zu lassen. Außerdem drohte er, die Aktivist*innen auf Schadensersatz zu verklagen.
Wir sind entsetzt, dass ein sozialdemokratischer Bürgermeister so handelt. Wir appellieren an die Wiener Stadtverwaltung, sich der Klimaschädlichkeit des geplanten Projekts bewusst zu werden und für dessen Scheitern nicht die Personen verantwortlich zu machen, welche mit ihren Protesten auf die Fehler der Politik hinwiesen, sondern zu erkennen, dass die Entscheidung für den Bau der Autobahn ein Fehler war und diesen zu korrigieren.
Sieg der Klimagerechtigkeit II – Shell stellt Ölförderprojekt ein
Einen weiteren Erfolg konnte die Klimagerechtigkeitsbewegung in Großbritannien verbuchen. Dort stellte Shell ein Ölförderprojekt in der Nordsee ein. Nach jahrelangen Protesten von Klimagerechtigkeitsaktivist*innen gab Shell sein Erdöl-Großprojekt an der Küste Großbritanniens auf. Klimagerechtigkeitsaktivist*innen sehen hierin einen „Todesstoß“ für Shells-Projekts, das zusätzlich Erdöl durch die Nordsee fördern sollte. Shell selbst äußerte sich dahingehend, die Proteste hätten das Projekt verzögert. Man hätte wirtschaftliche Nachteile befürchtet. Dies zeigt, das Engagement für den Klimaschutz etwas bewirken kann.
ADR-Deutschland-Trend: Deutliche Mehrheit der Bevölkerung befürwortet eine stärkere Klimaschutzpolitik
Nach dem ARD Deutschland-Trend befürwortet die Mehrheit der Bevölkerung den stärkeren Ausbau der erneuerbaren Energien (83%). Für die Überprüfung aller Gesetze auf Klimafolgen sprechen sich 75% aus und für das Vorziehen des Kohleausstiegs 56%. Bei der Frage, ob die Ampelkoalition die zukünftigen Herausforderungen der Zukunft lösen könnte, sind die Befragten gespaltener Ansicht: 45% sind der Ansicht, mit dem Koalitionsvertrag ließen sich diese Herausforderungen lösen. Ebenso viele sind der gegenteiligen Ansicht. Die Frage, welche Partei sich bei den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt habe, wird unterschiedlich beantwortet. Nach der Ansicht von 37% der Bevölkerung ist dies die FDP. Knapp dahinter folgt die SPD mit 32%. Zu wenig durchgesetzt haben sich in den Augen vieler die Grünen: Nur 13% der Befragten gaben an, der Koalitionsvertrag trage ihre Handschrift.
Züge statt Flüge – Protest vor der SPD-Parteizentrale
Am vergangenen Wochende demonstrierten anlässlich des SPD-Sonderparteitags zur Abstimmung über den Koalitionsvertrag Attac Deutschland, ROBIN WOOD, Junges Attac und der BUNDjugend vor dem Willy-Bandt-Haus, um die SPD an ihre Verantwortung für Umsetzung einer zügigen klimagerechte Mobilitätswende zu erinnern.
Die Demonstration ist Teil der Kampagne „Züge statt Flüge“. Ihr gehören 19 Organisationen an, darunter Robbin Wood und Attac. Diese initierten mit der Unterstützung Carla Reemtsmas (Fridays for Future) die gleichnamige Petition „Züge statt Flüge“. Ihr Begehren ist das Verbot von Inlandsflügen, zu Zielorten, die vom Abflugort aus innerhalb von vier Stunden mit der Bahn erreicht werden können. Durch die Abschaffung dieser Inlandsflüge könnten jährlich ein bis zwei Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Aus Sicht der Petent*innen ist es „absurd“, den Flugverkehr weiterhin mit Steuergeldern zu subventionieren, während gleichzeitig der öffentliche Verkehr für viele Menschen kaum bezahlbar sei. Diesen Wahnsinn, so die Petition, könnten wir uns nicht mehr leisten. Deswegen müsse die Bahn eine bequeme, kostengünstige und klimagerechte Alternative zum Bahnverkehr werden. Notwendig seien Taten statt Worte.
Die Petition unterstützen inzwischen 70.000 Menschen. Hierauf wiesen die Aktivisti bei ihrem Protest vor dem Willy-Brandt-Haus hin. Die Petition kann hier unterzeichnet werden.
Erheblicher Nachbbesserungsbedarf beim Koalitionsvertrag
Eine Studie der DIW Econ kritisiert die vielen Leerstellen im Koalitionsvertrag. In keinem der Sektoren genügten die Maßnahmen, um die nationalen wie internationel Klimaziele zu erreichen. Der Energiesektor sei am besten zu bewerten. In diesem Sektor könnte der geplante Ausbau der erneuerbaren Energien das Erreichen des Sektorziels bis 2030 gelingen lassen. Trotz des geplanten Ausbaus von Gaskraftwerken, was negativ zu bewerten sei.
Der Nachbesserungsbedarf besteht in allen Sektoren – vor allen in den Sektoren Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft. Mit dieser Studie wird verdeutlicht, dass der Koalitionsvertrag nicht auf dem 1.5 Grad Pfad sich befindet und dringend nach geschärft werden muss.
In nicht allzu ferner Zukunft bald mehr Regen als Schnee in der Arktis?
Künftig könnte es in der Artktis im Sommer und Herbst mehr Regen als Schne geben. Bislang gingen die Vorhersagen davon aus, dass dieses Szenario zwischen 2070 und 2090 eintreten könnten. Nach einer aktuellen Studie könnte diese Enwicklung nunmehr zwischen 2050 und 2080 eintreten und damit 20 Jahre früher als zuvor. Dies könnte die Tierwelt in der Arktis vor erhebliche Herausforderungen stellen, und auch die Menschen, die dort leben, betreffen: „Die Herausforderung, die wir heute in der Arktis sehen, ist, dass sie sich so schnell verändert, dass sich die Tierwelt möglicherweise nicht anpassen kann“, sagte Mark Serreze, Direktor des National Snow and Ice Data Center. Das ist nicht nur ein Problem für Rentiere, Karibu und Moschusochsen, sondern auch die Menschen im Norden, die auf sie angewiesen sind.“
Entscheidend für den Zeitpunkt des Eintretens und das Ausmaß der Veränderungen ist die Geschwindigkeit des Klimawandels. Eine klimagerechte Politik könnte diese Entwicklung verzögern und ihre Folgen abmildern. Dies zeigt, wie wichtig diese ist.
Offener Brief gegen die Kandidatur Klaus Ernst als Vorsitzender des Klimaaschusses
Die Partei Die Linke hat den Politiker und ehemaligen Chef der Linkspartei, Klaus Ernst, zum Vorsitzendes des Ausschusses für Klima und Energie des Bundestages gewählt. Die Kandidatur von Klaus Ernst und die Unterstützung durch die Linkspartei rief im Vorfeld die Empörung von Politiker*innen und Klimaschutzaktivisti*innen hervor. In einem offenen Brief mit dem Titel „NICHT EUER ERNST“ fordern sie die Linkspartei auf, „den Vorsitz dieses wichtigen Ausschusses jemandem aus der Fraktion zu übergeben, der/die wirksame Klimapolitik standhaft vertritt.“ Dazu gehörten der Kohleausstieg bis spätestens 2030, die Klimaneutralität bis spätestens 2035 und die Sicherstellung, dass der Klimaschutz nicht auf Kosten der Ärmsten erfolgt.
Hintergrund dieser Empörung ist, dass Klaus Ernst spricht sich für Nordstream 2 ausspricht und gegen schärfere Klimaschutzmaßnahmen in der Linkspartei. Der Vorsitz dieses Ausschusses stelle in den nächsten Jahren eine wichtige Aufgabe der Opposition dar.