Alles voller Lobbyist*innen?!? | COP Daily Tag 6 

Neuer Entwurf zum Global Stocktake

Wer unseren COP Daily-Blog aufmerksam verfolgt, wird diesen Begriff schon gut kennen: Den Global Stocktake, also die globale Bestandsaufnahme. Und wer unsere Texte nicht so aufmerksam liest: Don’t worry, we’ve got you. Hier findet ihr eine genauere Erklärung, was der Global Stocktake eigentlich nochmal ist und Updates zu einem neuen Entwurf.

Was ist der Global Stocktake?

Der Global Stocktake kann als eine der Maßnahmen zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens, also für das 1,5°C-Ziel, gesehen werden. Jennifer Morgan, Staatssekretärin und Sonderbeauftragte fürs Klima des Auswärtigen Amts, bezeichnete ihn sogar als das “Herz des Pariser Klimaabkommens”. Um zu verstehen, was es macht, ist es hilfreich, sich den Begriff anzugucken: to take stock kann auf Deutsch mit Bilanz ziehen übersetzt werden. Und genau darum geht’s: Es wird bei der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens Bilanz gezogen.

Der Global Stocktake soll dabei helfen, den Kurs der Länder in Sachen Klimaschutz zu korrigieren und Klimaschutzmaßnahmen zu beschleunigen. Aktuell wird er nach der Einführung des Pariser Klimaabkommens 2015 das erste Mal durchgeführt und besteht aus verschiedenen Schritten: So wurden bereits im September technische Ergebnisse veröffentlicht, die gezeigt haben, dass wir bei den jetzigen Pfaden der einzelnen Länder bei einer Erderwärmung von 2,5°C bis 2,9°C landen würden. Zudem zeigten die Ergebnisse, dass wir in diesem Jahrzehnt unsere Treibhausgasemissionen um 43% verringern müssen und bis 2050 Netto-Null-Emissionen brauchen. Diese Ergebnisse werden nun auf der COP28 diskutiert.

Was passiert jetzt auf der COP?

Die 195 Vertragsparteien des Pariser Klimaabkommens versuchen nun, bis zum Ende der COP einen gemeinsamen Plan zu formulieren. “Plan” heißt konkret: Es wird ein Dokument geschrieben, in welchem untersucht wird, was falsch gelaufen ist und was man jetzt besser machen kann. Auf Grundlage dieses Textes formulieren die Länder dann bis 2025 auch ihre neuen Climate Action Plans – ihre neuen Pläne zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens. Wünschenswert wäre es dabei, dass der Plan unter anderem klar und deutlich erwähnt, dass wir aus Kohle aussteigen müssen. Zur Formulierung werden in den letzten Tagen sehr viele Gespräche unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. 

Update: Ein erster Entwurf

Es hat sich etwas getan: Seit heute gibt es einen ersten Entwurf für den Global Stocktake! Positiv dabei ist, dass in dem Text viel über den Ausstieg aus fossilen Energieträgern geredet wird und auch darüber, wie viele bis 2030 heruntergefahren werden müssen. Allerdings birgt der aktuelle Entwurf auch ziemlich viele Gefahren: Carbon Capture and Storage (mehr dazu in unseren letzten Updates) wird als Maßnahme nicht ausgeschlossen und es wäre auch möglich, dass sich nur auf den Kohleausstieg und nicht etwa andere Umweltschädliche Stoffe wie Gas fokussiert wird. 

Die Herausforderung für die Länder ist es somit, jetzt das ambitionierteste Programm herauszuhandeln und einen Minimalkonsens bezüglich der fossilen Brennstoffe zu erreichen. Und dafür haben sie auch noch etwas Zeit: Es wird in den kommenden Tagen weiter verhandelt und für anstehende Zwischenverhandlungen ein weiterer Text formuliert. Wir halten euch auf dem Laufenden.

Unsere Quellen für diesen Absatz: 

  1. Global Stocktake Moves Closer to a Conclusion at COP28 | UNFCCC
  2. WTF is the ‘Global Stocktake’? We explain the ‘heart’ of COP28 – POLITICO

Über Geld spricht man nicht – außer auf der COP. 

Gestern hat sich auf der COP28 alles um das große Thema Finanzen gedreht. Das ist ein wesentlicher Bestandteil der internationalen Bemühungen um Klimagerechtigkeit. Denn damit es einen emanzipierten, handlungsfähigen globalen Süden gibt, der eine eigenständige sozial-ökologische Transformation in allen Bereichen durchführen kann, brauchen die Länder des Globalen Südens vor allem eins: Geld. 

Dafür braucht es Umverteilung von oben nach unten – ökonomisch und geographisch. Die Länder des Globalen Nordens, die in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten durch Ausbeutung und fossile Energien zu Wohlstand und Hochindustrialisierung gekommen sind, werden jetzt zur Kasse gebeten. Neokoloniale Kontinuitäten und Abhängigkeiten des Globalen Südens gegenüber dem Globalen Norden gehören abgebaut. Und das ist gut so. 

Dieses “Zur-Kasse-Gebeten-Werden” passiert nicht via PayPal, sondern durch Fonds – da ist zum Einen der “Loss-and-Damage-Fund”, der durch Klimakatastrophen entstandene Schäden und Verluste ausgleichen soll. Zum anderen gibt es einen Fond, der die Anpassung der Länder des Globalen Südens an die Klimakrise finanzieren soll – er trägt den passenden Namen “Klimaanpassungsfond”. Kreativ sind sie nicht, die COP-Verhandler*innen. Aber auch die “Klimafinanzierung” darf nicht hinten überfallen – sie soll eben jene Transformation möglich machen, die wir für das Einhalten der 1,5°C-Grenze so dringend benötigen. 

Zuerst eine gute Nachricht: Von den Finanzierungszielen, die auf dieser COP erreicht werden sollten, wurde ein Großteil bereits verwirklicht. Insbesondere beim Loss-and-Damage-Fond, der gerade politisch wie medial einiges an Momentum genießt, sieht es gut aus. 

Und eine schlechte Hinterher: Im Klimaanpassungsfond klafft eine millionengroße Lücke. 130 Millionen US-Dollar fehlen dort. Das ist nicht gut. Denn wenn wir jetzt nicht anfangen, in die Anpassung an die katastrophalen Folgen der Klimakrise zu investieren, dann werden die Auswirkungen der eskalierenden Klimakatastrophen nur noch verheerender. Wer mitdenkt, weiß genau: Dann wird auch Loss & Damage kostspieliger. Aber auch eine zweite schlechte Nachricht gibt es – Scholz würde es den Doppelwumms nennen. Die bisher erreichten Finanzierungsziele sind – Überraschung – nicht ausreichend. “Unterambitioniert” ist das Wort der Stunde. 

So sieht es auch bei dem 2009 in Kopenhagen festgezurrten Ziel des Globalen Nordens aus, jährlich 100 Milliarden US-Dollar aus öffentlichen und privaten Quellen für Klimafinanzierung an den Globalen Süden zu mobilisieren. Dieses Ziel wurde laut nicht-veröffentlichten Daten, auf die sich die Länder des Globalen Nordens berufen, dieses Jahr tatsächlich das erste Mal erreicht. Das ist ein Fortschritt; in den vergangenen Jahren wurde das Ziel immer wieder um viele Milliarden US-Dollar verfehlt. Aber auch hier gilt: Das Ziel ist viel zu niedrig. Im “Climate Finance Framework” Report haben Wissenschaftler*innen anlässlich der COP27 letztes Jahr in Ägypten errechnet, dass zukünftig 2,4 Billionen – nicht “billions”, sondern Billionen – pro Jahr an Investitionen von Nöten wären, um die 1,5°C-Grenze einzuhalten. 

Alles schwierig also, das mit dem Geld. Aber so ist das ja immer auf der COP.

Unsere Quellen für diesen Absatz:

  1. 100 Milliarden Euro für die Klimarettung – Diese Ziele sollen noch 2023 erreicht werden
  2. Deutschland und Emirate wollen in Katastrophen-Fonds einzahlen | tagesschau.de
  3. Climate finance takes centre stage at COP28 climate talks (msn.com)
  4. COP28 – African Leaders Urge Robust Financing for Continent’s Climate Adaptation – allAfrica.com
  5. Africa’s call to action at COP28? Fund adaptation | African Arguments

“Lobbyists Out”

Neben einem shady Öl-Konzern-COP-Präsidenten tummeln sich dieses Jahr auch die Lobbyist*innen in Dubai. Dabei verzeichnet die diesjährige COP vier Mal mehr Lobbyist*innen als letztes Jahr in Ägypten. In Zahlen sind das ​​mindestens 2.456 Lobbyisten für Kohle, Öl und Gas, die allein offiziell akkreditiert sind. Statt beschämt hinter COP- Pavillions fossile Deals zu schließen, läuft heute alles ganz offiziell und entspannt ab. 

Mit 503 Lobbyist*innen 2021 in Glasgow, 636 in Ägypten und ganzen 2.456 dieses Jahr in Dubai haben wir es zudem mit einem Trend zum fossilen Lobbyismus auf der Klimakonferenz zu tun. 

Dass Klimaschutz und fossiler Lobbyismus nicht zusammenpassen, sollte eigentlich auf der Hand liegen. Nach der Wahl von Sultan Al Jaber (Ölkonzern CEO und COP Präsident) verwundert das jedoch kaum noch.

Statt den Fokus auf progressivem Klimaschutz zu legen, lenken fossile Lobbyist*innen die Debatte geschickt auf andere Themen um. Eines ihrer Lieblingsthemen – Carbon Capture and Storage – haben wir die letzten Tage bei COP Daily bereits kritisiert. 

Umso wichtiger, dass unsere FFF-Aktivist*innen vor Ort weiter Druck ausüben und heute in einer Aktion lautstark “Lobbyists out!” forderten. 

Danke an die inhaltliche Unterstützung von Germanwatch

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1 Gedanke zu “Alles voller Lobbyist*innen?!? | COP Daily Tag 6 

  1. von wegen „Umverteilung von oben nach unten“ :
    würde z.B. Bezos niemanden finden, der/die die anfallende physische Arbeit
    (( Rohstoffgewinnung, Produktion, Transport, Kommissionierung, Auslieferung u.s.w. )) erledigt,
    dann würde er so gut wie gar nichts verdienen; dann könnte er in seinem Heimatlandkreis die Waren selbst ausliefern.
    Wer das Denken geübt, oder nicht verlernt hat, könnte allein schon hier erkennen, daß TATSÄCHLICH eine Umverteilung von „Unten“ nach „Oben“ stattfindet.

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