Der 12. Tag der Weltklimakonferenz in Dubai – und es geht drunter und drüber. Heute wurde von der COP-Präsidentschaft (über die wir in den letzten Tagen bereits viel berichteten) ein präfinaler Entwurf des Abschlusstextes vorgestellt. Und der ist vor allem eins: katastrophal.
Global Stocktake – Was war das nochmal?
Aufmerksamen Leser*innen von COP Daily wird der Global Stocktake – die “globale Bestandsaufnahme” schon lange ein Begriff sein. Aber für die, die unseren Beitrag von Tag 3 nicht gelesen haben, hier noch einmal in Kurzform:
Bei dem Global Stocktake (GST) werden die klimapolitischen Anstrengungen aller Länder betrachtet und geschaut, auf welchem Pfad wir uns momentan bewegen. So können alle Länder und alle Akteure sehen, wo gemeinsam Fortschritte erzielt wurden und noch wichtiger: wo noch Lücken sind. Dieses Jahr wurde das erste Mal eine solche Bestandsaufnahme vorgenommen – mit dramatischen Ergebnissen. Mit unseren momentanen klimapolitischen Bemühungen werden wir bis 2030 unverändert Treibhausgase in die Luft pusten und schlittern auf eine Welt mit knapp unter 3°C globaler Erwärmung zu. Das ist doppelt so viel wie die wissenschaftlich und politisch als Limit definierte 1,5°-Grenze.
Aber nach dieser Bestandsaufnahme kommt der eigentlich entscheidende Schritt. Um genau diese Lücken zu schließen, sollen gemeinsame Maßnahmen und Lösungswege verabschiedet werden, welche in einem Abschlussdokument zusammengefasst werden, das am Ende von allen teilnehmenden Staaten unterschrieben werden muss.
Der aktuellste Entwurf für genau dieses Abschlussdokument wurde vor wenigen Stunden veröffentlicht!
Und er ist – man kann es nicht anders sagen – katastrophal.
Hier einmal eine Zusammenfassung der dramatischsten Verfehlungen:
1: Ausstieg aus Fossilen Energien? Fehlanzeige!
Wer unsere Berichterstattung zur COP verfolgt hat, weiß, dass uns eine Formulierung besonders am Herzen liegt: Der Fossil Fuel Phase Out. Eine Formulierung, die den kompletten und endgültigen Ausstieg aus allen fossilen Energien beschreibt – den einzigen wissenschaftlich belegten Weg, wie wir die 1,5°C-Grenze noch annähernd einhalten können. Das ist unverhandelbar.
Während der kompletten COP hat jedoch ein Staatenverbund kräftig gegen dieses Konzept lobbyiert. Der vor wenigen Tagen geleakte Brief des Generalsekretärs der OPEC Staaten (also die größten Öl-Exportländer) hat gezeigt, dass diese alles daran setzen, den Ausstieg aus allen fossilen Energien zu vermeiden – koste es, was es wolle. Und genau damit scheinen sie Erfolg gehabt zu haben: In dem kompletten Dokument findet sich kein einziges Mal eine Erwähnung eines Fossil Fuel Phase Out. Selbst ein Fossil Fuel Phase Down (also die Reduktion fossiler Energien, eigentlich in sich auch eine zu lasche Formulierung) sucht man vergeblich.
Stattdessen: ein Phase Down of unabated coal. Das Schlechteste vom Schlechtesten: Lasche Reduzierung statt harter Ausstieg, “unabated coal” statt aller fossiler Energien. Was es mit unabated coal auf sich hat, das könnt ihr in unserer COP Daily-Ausgabe “Schwierige Aussagen und einfache Erklärungen” von Tag 4 genauer nachlesen.
Dass es am Ende dieser Formulierung geworden ist – obwohl ein Fossil Fuel Phase Out nicht nur wissenschaftlich notwendig ist, sondern auch noch breite Unterstützung und ein immenses politisches Momentum genossen hat – das ist katastrophal. Alle internationalen Beobachter*innen waren und sind sich sicher: Der Erfolg dieser COP steht und fällt mit dem Fossil Fuel Phase Out.
Der Umweltminister des Inselstaats Samoa, Toeolesulusulu Cedric Schuster, hat es wie folgt zusammengefasst:
“If we do not have strong mitigation outcomes at this COP then this will be the COP where 1.5C would have died. We will not sign our death certificates. We cannot sign on to text that does not have a strong commitment on phasing out fossil fuels.”
Übersetzt heißt das: „Wenn wir auf dieser COP keine überzeugenden Ergebnisse zur Eindämmung des Klimawandels erzielen, wird dies die COP sein, bei der 1,5C gestorben wäre. Wir werden unseren Totenschein nicht unterschreiben. Wir können keinen Text unterschreiben, der keine starke Verpflichtung zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen enthält.”
Und wenn wir schon bei Begrifflichkeiten sind: In dem 11 Tausend Wörter langen Dokument werden Öl und Gas mit keinem Wort erwähnt. Dabei ist klar: Klimapolitik ohne den Ausstieg aus Fossilen ist alles – aber keine gute Klimapolitik.
2: Scheinlösungen mit absurden Technologien? Volltreffer!
Während man Formulierungen zum Ausstieg aus fossilen Energien vergeblich sucht, findet man Begriffe, hinter denen sich Scheinlösungen verstecken: CCS. Das steht für “Carbon Capture and Storage” und ist quasi die lahme Ausrede eines jeden, der es nicht ernst mit dem Klimaschutz meint. So viel CO2 emittieren wie man will und einfach wieder aus der Luft auffangen und speichern? Klingt zu gut um wahr zu sein? Ist es auch!
Das Problem ist allerdings, dass diese Technologie noch nicht ausgereift ist. Neben einem hohen Energieverbrauch kann Carbon Capture and Storage bis 2030 nur 1-2% der weltweiten Emissionen einfangen – um die 1,5° Grenze einzuhalten, müssten die Emissionen in diesem Zeitraum jedoch um 50% reduziert werden.
CCS ist also nicht die Lösung von all unseren Problemen und hat in dieser Form nichts in einem Abschlussdokument der Weltklimakonferenz zu suchen. Insbesondere nicht, wenn dieses Dokument so oder so schon mehr als mangelhaft ist. Die tatsächliche Lösung, von der man mit CCS abzulenken versucht, ist unverhandelbar ein Fossil Fuel Phase Out.
3: Klimaschutz mit konkreter Timeline? Nicht auffindbar!
Während vorherige Versionen des Abschlussdokuments noch konkrete Ziele und Maßnahmen bis 2030 beinhalteten, sind diese im aktuellen Entwurf nicht mehr zu finden. Auch, dass die Emissionen bis 2025 ihren Höhepunkt erreicht haben müssen, also spätestens ab 2025 sinken, steht im Entwurf nicht drin. Stattdessen wird lediglich von einer Reduzierung von Konsum und Produktion von Fossilen bis 2050 gesprochen. Dabei ist klar: Wir befinden uns im kritischen Jahrzehnt. Die Zeit zu handeln verrinnt mit jeder Sekunde, mit jedem kippenden Ökosystem und jedem schmelzenden Gletscher schneller. Ambitionierte Klimaziele und klare, verbindliche Commitments hätte es schon vor Jahrzehnten gebraucht. Jetzt braucht es sie mehr denn je. Dass dieser präfinale Vorschlag der Präsidentschaft diese Dringlichkeit nicht anerkennt und die Verantwortung auf die kommenden Jahrzehnte verschiebt, das ist unehrlich – und bedeutet dramatische Konsequenzen für unser aller Lebensgrundlagen.
Und jetzt?
Diese gemeinsame Antwort auf den Global Stocktake – diese 21 Seiten – entscheidet, welchen Weg wir als Weltgemeinschaft einschlagen: Wollen wir die Inselstaaten dem Untergang weihen? Wollen wir katastrophale Klimafolgen und den Verlust von Millionen von Leben hinnehmen? Oder wollen wir gemeinsam, wirksam und global gerecht gegen die Klimakrise kämpfen?
Dieser Vorschlag ist so heuchlerisch, wie ein Text nur sein kann. Während auf den ersten Seiten davon geschrieben wird, dass die Wissenschaft eindeutig sei und dass man die 1,5°C-Grenze einhalten wolle, geht es gleich danach fröhlich weiter mit dramatischen klimapolitischen Rückschritten. Dieser Text liest sich wie ein Copy-and-Paste aus den Vorschlägen der fossilen Lobby. Mit keinem Wort wird der komplette Ausstieg aus fossilen Energien erwähnt. In 11.500 Wörtern kommt “fossil fuels” genau drei mal vor. Diese Zahl ist so klein, man muss sie ausschreiben.
Es ist klar: Dieser Text tritt alle wissenschaftlichen Erkenntnisse mit Füßen. Und er ist ein Schlag ins Gesicht für all jene, die sich seit Jahrzehnten für Klimagerechtigkeit einsetzen. Dass dieser Text so überhaupt vorgeschlagen werden kann, zeigt auf beschämende Weise nicht nur den Einfluss der fossilen Lobby, sondern auch, wie ihre Profitinteressen immer und immer wieder über den Erhalt unserer Lebensgrundlagen gestellt werden. Sollte er angenommen werden, wäre das eine Katastrophe. Und das ist leider keine stilistische Übertreibung.
Der aktuelle Vorschlag ist so schlecht, das man vermuten muss, das er ein politisches Kalkül ist. Denn wenn die Weltgemeinschaft sich jetzt über diesen Text aufregt, erscheint jede weitere Formulierung in folgenden Stunden als ein großer Fortschritt. Für uns ist völlig klar, die Standards dürfen sich nicht verschieben. Unsere Forderung ist eindeutig: diese COP muss einen vollständigen Ausstieg aus fossilen Energien beschließen. Alles andere verkennt die Realitäten der Klimakrise.
Aber eine gute Nachricht gibt es: noch ist der Entwurf nur ein Entwurf. Er ist noch nicht angenommen worden. Es gibt noch Zeit – und Verhandlungen, bei denen eine bessere Einigung herauskommen kann und muss.
Hier ist vor allem die EU in einer entscheidenden Verantwortungsposition, einen Fossil Fuel Phase Out ohne Hintertüren und ohne CCS in den Text hineinzuver
handeln. Denn die Realität zeigt: Wir sind mittendrin in der Klimakrise. Und die Realität zeigt auch: Es ist den Menschen nicht egal. Auf der ganzen Welt gehen Menschen auf die Straße. Für ihre Lebensgrundlagen, für ihre Zukunft, und dafür, dass Entscheidungsträger*innen sich dieser Realität stellen. Dieser neue Entwurf ist Realitätsverweigerung – und das können wir nicht hinnehmen. Die COP ist noch nicht vorbei – und wir werden nicht aufgeben.
Danke dass ihr das macht.
Ist cool.
Wenn der Chef einer Institution deren Ziel es ist, gegen den Drogenkonsum vorzugehen, selbst ein Dealer ist, dann ist alles klar. Die Macht der Fossil-Industrie ist eben stärker als die Macht von 100 Staaten.
Man kann nur hoffen, dass das Schlussdokument nicht zustande kommt.