Schwierige Aussagen und einfache Erklärungen | COP Daily Tag 4

“Die Welt zurück in die Steinzeit werfen” – Präsident der COP leugnet das Klima?!

In einer Live-Diskussion zwischen Sultan Al Jaber (dem Präsidenten der COP28) und Mary Robinson (Vorsitzende der “Elders” und ehemalige UN-Sondergesandte für Klimawandel) kam es zu mehr als besorgniserregenden Äußerungen von Seiten der COP-Präsidentschaft. Als Al Jaber auf die Notwendigkeit eines Fossil Fuel Phase Outs (also einem Ausstieg aus allen fossilen Energien) angesprochen wurde, verlor er sich in wirren, an Klimawandelleugnung grenzenden Thesen. Laut ihm sei es nicht wissenschaftlich belegt, dass wir für die Einhaltung des 2015 in Paris als völkerrechtlich bindend festgelegten 1,5°C-Zieles überhaupt ein Fossil Fuel Phase Out bräuchten. Weiterhin behauptet er, ein Phase Out könne keine nachhaltige Entwicklung gewährleisten – „es sei denn, Sie wollen die Welt zurück in die Steinzeit werfen“. Aber auch vor latenten Verschwörungsideologien machte Al Jaber keinen Halt: “Sie lesen Ihre eigenen Medien, die voreingenommen und falsch sind. Ich sage Ihnen, dass ich der Mann in der verantwortlichen Rolle bin, und das ist falsch, Ma’am. Sie müssen mir zuhören.“ Besonders ironisch hier ist, dass er diese Äußerungen auf der Veranstaltung “SHE changes climate” tätigte – einer Veranstaltung, die die Rolle der Frau in der Klimakrise und der Bekämpfung eben jener herausarbeiten sollte. Dass er hier seine Männlichkeit (“I am the man in charge”) ausspielt, macht nachdenklich, inwiefern er verstanden hat, worum es geht. 

Diese Äußerungen kommen denkbar ungelegen – denn die Forderung nach einem endgültigen Fossil Fuel Phase Out, die von über 100 Staaten – einschließlich Deutschland – unterstützt wird, wird gerade heiß diskutiert. Für den Erfolg dieser COP ist es essentiell wichtig, dass sich am Ende auf einen endgültigen Phase Out aller fossilen Energien geeinigt wird – mehr dazu und warum das so wichtig ist, erfahrt ihr im zweiten Text. Umso wichtiger ist es natürlich, dass sich die COP-Präsidentschaft, die einen großen Einfluss auf die Verhandlungen und ihre Ergebnisse hat, auch zu dieser wichtigen Forderung bekennt. 

Wissenschaftler*innen und internationale Beobachter*innen zeigten sich nach den Äußerungen von Al Jaber entsetzt. Bill Hare, Chef von Climate Analytics, sagte dazu: “Dies ist ein außergewöhnlicher, aufschlussreicher, beunruhigender und herablassender Austausch“. Und: „Al Jaber fordert einen Fahrplan für 1,5 Grad Celsius – wer sich dafür interessiert, kann dies im jüngsten Netto-Null-Emissionsszenario der Internationalen Energieagentur nachlesen, das besagt, dass keine neuen fossilen Brennstoffe entwickelt werden dürfen. Die Wissenschaft ist absolut eindeutig, [die Einhaltung der 1,5°C-Grenze]  bedeutet einen Ausstieg [aus Fossilen] bis zur Mitte des Jahrhunderts, was das Leben der gesamten Menschheit verbessern wird.“

Dass diese falschen und regressiven Kommentare von Al Jaber geäußert wurden, ist so erschreckend wie vorhersehbar: Wie wir euch schon in vorangegangenen Texten berichteten, ist Al Jaber gleichzeitig zu seiner Präsidentschaft bei der COP  Vorsitzender des staatseigenen Ölkonzerns der VAE, “ADNOC”, der in den nächsten Jahren die weltweit zweithöchsten fossilen Investitionen tätigen wird. In dieser Rolle hat er natürlich ein besonders hohes Interesse daran, ein Ende der fossilen Energien zu verhindern – und ist damit die denkbar schlechteste Besetzung für die COP-Präsidentschaft. 

Natürlich sind die Äußerungen ein schlechtes Zeichen für den weiteren Verlauf der COP28 – echter klimapolitischer Fortschritt mit einem Gastgeberland, welches die Notwendigkeit eines Ausstiegs aus den fossilen Energien vehement leugnet, ist eine Mammutaufgabe. Gleichzeitig stellen die Aussagen auch einen entscheidenden Moment für den weiteren Verlauf der Klimakonferenz dar. Denn: Al Jaber hat endlich die Maske fallen gelassen. Wer es nicht schon lange wusste, weiß jetzt, was seine wahren Interessen sind: Die eigenen Profite. Dies schafft zumindest Klarheit für die nächsten Tage.

Jetzt ist es wichtig, dass Deutschland und die EU, die bisher schon öffentlichkeitswirksam einen Fossil Fuel Phase Out gefordert haben, den Druck weiter aufrechterhalten, tendenziell erhöhen. Es kann nicht sein, dass der Präsident der Weltklimakonferenz die Notwendigkeit eines Phase Outs leugnet – Deutschland und die EU dürfen dies nicht dulden.

“Fossil Fuel Phase Out” – aber was ist das eigentlich? 

Al Jabers heutiger Kommentar auf die Forderung eines Fossil Fuel Phase Outs von Mary Robinson wirft die Frage auf, welche Motive sich hinter einer derart vehement aufgebrachten Ablehnung gegen die einzige Möglichkeit der Einhaltung des 1,5 Grad Ziels verbergen. 

Naheliegend ist, wie bereits im ersten Abschnitt erläutert, dass Al Jaber die Profitinteressen der fossilen Industrie, darunter seines Konzerns ADNOC, schützen will. 

Bereits in den letzten Jahrzehnten traten die fossilen Akteure gerne ins Scheinwerferlicht, um Märchen von einer Zukunft voller schöner schmutziger fossiler Energien kundzutun. Während sie in den 70er, 80er, und 90er Jahren ihren Schwerpunkt noch auf die gezielte Finanzierung von Klimaleugnungs-Kampagnen legten, haben sie ihren Profitgenerierungs- Baukasten mittlerweile erweitert. Die Klimakrise zu leugnen ist – zum Glück – auf vielen internationalen Bühnen nicht mehr en vogue. Stattdessen wird gerne auf Narrative von grüner Kohle, Gas und Öl zurückgegriffen. Das Stichwort ist hier Carbon Capture and Storage, kurz CCS. Das Verfahren, in dem Kohlenstoffdioxid aus der Luft gefangen wird, um es langfristig zu lagern und so Emissionen einzusparen, steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. Denn Carbon Capture kann bis 2030 nur 1-2 % der weltweiten Emissionen einfangen – um die 1,5° Grenze einzuhalten, müssten die Emissionen in diesem Zeitraum jedoch um 50% reduziert werden. Damit zu rechnen, die fossilen Emissionen in der Zukunft einfach rückgängig machen zu können und so das eigene Versäumnis eines ernstzunehmenden Fossil Fuel Phase Outs zu rechtfertigen, ist also gefährlicher Unsinn und hält echten klimapolitischen Wandel auf. 

Auch die High Ambition Coalition (HAC, mehr dazu im nächsten Absatz) hat die wahren Interessen, die hinter dem verzweifelten Klammern an CCS verborgen liegen, bereits erkannt und formuliert klar in einem ihrer letzten Statements: “We cannot use [carbon capture] to green-light fossil fuel expansion.” (übrigens noch ein Grund, sich schleunigst diesen Vorreiter*innen anzuschließen, Herr “Klimakanzler”!) 

Um die Märchen der fossilen Brennstoffindustrie und ihrer Sympathisant*innen zu enttarnen, sollte man bei drei Formulierungen stutzig werden.

  1. Fossil Fuel Emission Phase Out
  • Lässt eine weitere Förderung von Kohle, Gas und Öl zu, indem es auf CCS verweist, von dem wir euch eben bereits erklärt haben, warum es keine geeignete Technologie ist, um das Fortschreiten der Klimakrise und der sie verursachenden Treibhausgasemissionen zu minimieren. Wir brauchen stattdessen ein vollständiges Fossil Fuel Phase Out ohne das versteckte Wort “Emission”. 
  1. Fossil Fuel Phase Down
  • Fordert lediglich schrittweise einen Reduktion fossiler Energien, ohne einen festen Zeitpunkt für einen vollständigen Ausstieg vorauszusetzen. Oft fällt in diesem Kontext auch das Wort “transitional fuels”, also Brückentechologien – eine Terminologie, die oft verwendet wird, um fossile Energien durch die Hintertür zu rechtfertigen. 
  1. Phase out of unabated coal 
  • Bei der COP26 im Jahr 2020 schaffte es letztlich diese Formulierung in die Abschlusserklärung. Der Begriff lässt jedoch eine Hintertür offen. Kohle, die mit der Bemühung produziert wird, Emissionen in Zukunft durch Verfahren wie CCS einzusparen, darf weiterhin gefördert und verbrannt werden. Wenn Unternehmen also versichern, dass sie in Zukunft ganz sicher Emissionen einsparen werden – Quelle: Vertrau mir Bruder – dürfen sie weiterhin fröhlich Kohle fördern und verbrennen. Für effektiven Klimaschutz bedeutet ein “Phase Out of unabated coal” also nichts Gutes. 
  1. Fossil Fuel Phase Out
  • Einzig der Begriff des Fossil Fuel Phase Out fordert also einen endgültigen Ausstieg aus allen fossilen Energien – ohne dabei Schlupflöcher und Hintertüren offenzulassen. 

Wenn ich euch also frage: “What do we want?”, dann ist ab jetzt eins klar: 

“FOSSIL FUEL PHASE OUT!” 

“And when do we want it?” – Now, oder zumindest bis zum Ende der diesjährigen Klimakonferenz.

Unsere Quellen für diesen Absatz:

https://dgap.org/en

https://unfccc.int/process-and-meetings/the-paris-agreement/the-glasgow-climate-pact-key-outcomes-from-cop26

https://www.euronews.com/green/2023/09/27/phase-out-or-phase-down-fight-over-fossil-fuels-heats-up-in-run-up-to-cop28

https://www.climatechangenews.com/2023/06/26/what-does-unabated-fossil-fuels-mean/

https://zerocarbon-analytics.org/archives/energy/towards-a-science-based-definition-of-unabated-fossil-fuels

Hohe Ambitionen im Klimaschutz – Was ist die HAC?

Wer unsere Updates die letzten Tage verfolgt hat, hat diesen Begriff sicherlich schon oft gelesen: Die High Ambition Coalition, kurz HAC. Heute wollen wir uns die Zeit nehmen und genauer erklären, worum es dabei eigentlich geht.

Die HAC ist eine informelle Gruppe von Ländern, die 2014 von den Marshallinseln, einem Inselstaat im Pazifik, gegründet wurde und auch weiter von ihm geleitet wird. Zur Zeit ihrer Gründung fokussierte sie sich sehr auf das damals noch nicht beschlussfeste Pariser Klimaabkommen und war dabei maßgeblich an der Etablierung des 1.5°-Ziels beteiligt. Darum an dieser Stelle einmal ganz offiziell: Danke, HAC!

Acht Jahre nach der Entstehung des Pariser Klimaabkommens auf der COP 21 ist die HAC immer noch aktiv dabei. Die Gruppe setzt sich für strengere, ambitioniertere Emissionsziele ein und hat auch konkrete Ziele für die COP 28 formuliert: Neue Kohlekraftwerke müssen gestoppt werden und ab 2025, also in bereits zwei Jahren, müssen die globalen Emissionen sinken, anstatt auf einem gleichbleibend hohen Niveau zu stagnieren. 

Die HAC und ihre Länder verstehen sich dabei als Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Wer genau Mitglied ist, ist allerdings gar nicht so einfach zu sagen: Da die HAC eine informelle Gruppe ist, gibt es keine offizielle Mitgliederliste. Zu den Ländern, die das letzte Statement unterschrieben haben, gehören verschiedene EU-Staaten (u. a. Österreich und Irland), kleine und große Länder Zentral- und Südamerikas (u. a. Barbados, Chile und Kolumbien), Kenia, Neuseeland und viele pazifische Inselstaaten (u. a. Mikronesien, Fiji und natürlich auch die Marshallinseln). Ein Land fehlt dabei allerdings: Deutschland.

Ist Deutschland ein Mitglied der HAC?

Als Antwort trifft es am ehesten ein “Jein”. In der Vergangenheit hat Deutschland bereits mehrmals Statements der HAC unterschrieben und auch das Auswärtige Amt sieht unseren Staat als Teil der High Ambition Coalition. Die letzten drei Statements der HAC – ein offener Brief an die G20, eine Stellungnahme bezüglich des Global Stocktake (mehr Infos dazu in unserem gestrigen Update!) und Aussagen von Staats- und Regierungschefs der HAC – wurden allerdings nicht von Deutschland unterzeichnet. Auch Olaf Scholz hat sich noch nicht klar und deutlich der HAC angeschlossen – dabei wäre zum Beispiel das letzte Dokument, welches auf die Gefahr der Klimakrise hinweist und bereits von 26 Staats- und Regierungschef*innen unterschrieben wurde, die Chance für unseren Bundeskanzler, sich endlich klar und deutlich zu der High Ambition Coalition zu bekennen.

Warum ist die HAC so wichtig? 

Die High Ambition Coalition hat vor allem durch das 1,5°-Ziel im Pariser Klimaabkommen bereits in der Vergangenheit sehr viel Gutes bewirken können – und ist auch weiterhin auf einem guten Pfad. So lehnt sie z. B. die Märchen von Carbon Capture und Storage ab, kritisiert den aktuell fehlenden Fortschritt im Ausstieg aus fossilen Energien und geht ihrem Namen treu mit hohen Ambitionen voran. Ein sehr wichtiges Element ist auch die Gründung und Leitung durch die Marshallinseln: Als Inselstaat im Globalen Süden gehört das Land zu den Orten der Welt, die durch die Klimakrise am meisten gefährdet sind. Ein Meereslevelanstieg von einem Meter könnte auf dem Atoll Majuro, auf dem die Hälfte der Bevölkerung der Marshallinseln wohnen, 80 Prozent der Fläche verschwinden lassen. Auch weitere Staaten des Globalen Südens, die am wenigsten zur Klimakrise beitragen, aber am meisten unter den Folgen leiden, sind Teil der High Ambition Coalition. Darum ist es wichtig, dass Deutschland nicht weiter Klimaschutz blockiert, ihrer selbsterklärten Mitgliedschaft der High Ambition Coalition gerecht wird und sich somit entschlossen Seite an Seite mit den am meisten betroffenen Ländern der Klimakrise entgegenstellt. Dazu ist es wichtig, dass Deutschland das diesjährige Statement der HAC zur COP28 unterschreibt – Bundeskanzler Scholz hat sich dazu leider weiterhin nicht geäußert. 

Unsere Quellen für diesen Absatz:

Our Work — The High Ambition Coalition 

High Ambition Coalition 2023 Leaders’ Statement — The High Ambition Coalition

COP28 attendees: Who is going to UN climate conference in Dubai? | Reuters

Bringt das überhaupt etwas? Ja, natürlich!

In einem Kommentar unter unserem gestrigen Beitrag wurde die richtige und nachvollziehbare Frage gestellt, was für Chancen wir denn eigentlich auf der COP sehen, wenn so viel schiefläuft. Das ist eine Frage, mit der wir uns in unserer politischen Arbeit – gerade, wenn es darum geht, hier Einschätzungen zu liefern – oft befassen müssen. 

Die Antwort ist so kurz wie simpel: Wir sehen viele Chancen. Denn trotz der vielen Steine, die der COP in den Weg gelegt werden – seien es Pläne für fossile Deals auf der COP, Interessenkonflikte des Präsidenten Al Jaber oder mangelnde Ambitionen der Teilnehmerstaaten – sie ist immer noch der einzige Ort, an dem bahnbrechende Fortschritte in der internationalen Klimapolitik zustande kommen können. Bei ihr wird sich zusammengefunden, eine (globale) Bestandsaufnahme gemacht und über Wege aus der Krise diskutiert. 

Obwohl das oft zäh sein kann, und obwohl dieser Wandel oft lange dauert, und obwohl oft Rückschritte gemacht werden – manchmal kann es auch funktionieren. Das beweisen die Klimakonferenzen in Kyoto 1998 oder in Paris 2015, bei denen Meilensteine der internationalen Klimapolitik definiert wurden, auf die sich bis heute berufen wird und die die Grundlage für alle weiteren klimapolitischen Bestrebungen bilden. 

Das heißt: Die COP ist nicht das Problem. Der mangelnde politische Wille ist es. Und um den zu schaffen, um den Druck auf die Staats- und Regierungschef*innen zu erhöhen, die auf der COP über unser aller Zukunft verhandeln, braucht es uns, braucht es eine aktive, laute, ungemütliche Zivilgesellschaft. Teil davon ist unsere gemeinsame Demo mit dem BUND, Misereor und der BUNDjugend am Freitag, dem 08.12 um 12:00 vor dem Auswärtigen Amt. Wir würden uns sehr freuen, viele von euch dort zu sehen! 

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1 Gedanke zu “Schwierige Aussagen und einfache Erklärungen | COP Daily Tag 4

  1. Euer Blog ist das Beste und Präziste zum Thema, was ich aktuell kenne. Klar auf den Punkt gebracht, Klartext ohne Wischi-Waschi. Weiter so 🙂 Ich bin 63 Jahre alt und mir hängt die Klimawandel-Leugnung schon seit Jahren zum Hals heraus. Wir ernten, was wir seit Langem säen, leider immer noch nicht wahrgenommen. Die Masse der Menschheit ist einfach zu blöd, verdrängend, Selbst-Vorteil-orientiert. Wie kann solch ein Geschehen sonst stattfinden? Daß wir an unserer Existenz „sägen“ wird einfach verdrängt, mit schwachsinnigen Argumenten versucht auszuhebeln.

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