Am 26.09.2021 ist Bundestagswahl. Die nächsten vier Jahre sind entscheidend dafür, ob wir es schaffen, die globale Erderwärmung unter 1,5°C zu begrenzen. Die Bundestagswahl 2021 muss der Aufbruch werden hin zu einer klimagerechten Gesellschaft, die diese Krise solidarisch überwindet. Lasst uns die Bundestagswahl zur Klima-Wahl machen.
Die Zeit rennt
Aktuell beträgt die globale Erderwärmung bereits im Durchschnitt 1,2°C im Vergleich zu 1990. Die Folgen sind deutlich spürbar. In den letzten zwanzig Jahren hat sich die Anzahl der klimabedingten Katastrophen, wie Überschwemmungen, Stürme und Waldbrände von 165 auf 329 pro Jahr erhöht und damit fast verdoppelt! Ebenso verdoppelt hat sich die Anzahl der Menschen über 65, die infolge extremer Hitze starben. Und allein in den letzten Wochen haben wir hier und weltweit gesehen, wie Menschen in Folge der Klimakrise durch Überschwemmungen, Dürreperioden, Waldbrände und Hitzewellen ihre Lebensgrundlage, ihr Zuhause oder sogar ihr Leben verloren haben. Wir befinden uns mitten in der Klimakrise, die uns alle und jeden Lebensbereich unserer Gesellschaft betrifft und soziale Ungerechtigkeit verstärkt.
Um die schlimmsten Folgen der Klimakrise zu verhindern, müssen wir alles dafür tun, damit die Erderwärmung auf unter 1,5°C begrenzt wird. Laut der Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie sind die nächsten vier Jahre und damit die nächste Legislaturperiode essentiell. Bis 2025 müssen die deutschen CO2-Emissionen um 60% gegenüber 1990 gesunken sein, um ein CO2-Budget, das mit dem 1,5°C-Limit vereinbar ist, einzuhalten.
Gemeinwohl statt Lobbyinteressen
Die Folgen der Klimakrise sind schon seit Jahren bekannt. Deutschland hat das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet und sich damit verpflichtet, die Erderwärmung deutlich unter 2°C, möglichst unter 1,5°C zu begrenzen. Doch die Politik der letzten Jahre hat ein Krisenmanagement betrieben, das getrieben wurde von Einzelinteressen statt dem Gemeinwohl.
Ein Beispiel: Um eine Chance zu haben, die Pariser Klimaziele zu erreichen, dürfen wir spätestens ab 2030 keine Kohle mehr verstromen. Aus Rücksicht auf die Interessen fossiler Konzerne soll der Kohleausstieg aber erst 2038 stattfinden. Bis dahin werden weiterhin Dörfer zerstört, Kohle aus menschrechtlich fragwürdigen Bedingungen verbrannt und der Grundwasserhaushalt ganzer Landstriche durcheinander gebracht. Die Kosten tragen wir alle, die Allgemeinheit. Und nicht nur das: Die Kohlekonzerne, wie RWE – eines der klimaschädlichsten Unternehmen weltweit – lassen sich teuer dafür bezahlen, endlich damit aufzuhören, unsere Lebensgrundlage zu zerstören. 4,35 Milliarden Euro Steuergelder erhalten RWE und Leag für den Kohleausstieg 2038, obwohl Expert*innen davon ausgehen, dass Kohleverstormung in den nächsten Jahren sowieso unrentabel wird. Zum Vergleich: Deutschland gibt somit zwei Konzernen, die maßgeblich die Klimakrise befeuern, etwa so viel Geld, wie es bisher jährlich in Klimafinanzierung, also die Unterstützung der am stärksten durch die Klimakrise betroffenen Länder für Anpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen, investiert hat. Das Klimaschutz-Sofort-Programm der Bundesregierung, auf das sich die große Koalition nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts einigte, umfasst 8 Milliarden Euro – wie viel mehr Klimaschutz könnte wohl umgesetzt, werden, wenn Steuergelder dafür eingesetzt würden, statt sie an die fossile-Rohstoff-Industrie zu verschenken?
Die Kohle-Lobby hat eine starke Stimme in der Politik, beispielweise in Form des Lobby-Verbands Wirtschaftsrat, dessen Fachkomission Energiewirtschaft jahrelang in RWE-Hand war und der eng mit der CDU verbunden ist. Seine Präsidentin war 2020 allein 13x auf Treffen mit hochrangigen Vertreter*innen der Bundesministerien.
Auch die Auto-Lobby kann über mangelnde Aufmerksamkeit nicht klagen. Seit 2018 traf sich Verkehrsminister Scheuer 80x mit Vertreter*innen der Auto-Industrie wie Daimler oder BMW. Ein einziges Mal dagegen nur mit Umweltverbänden.
Wir sind unüberhörbar
Was aber ist mit den Stimmen derjeniger, die sich kein Auto leisten können, aber unter den Folgen von Feinstaub- und Lärmbelastung und der Anheizung der Klimakrise durch den Verkehr leiden? Fast die Hälfte der Haushalte mit niedrigem Einkommen in Deutschland haben kein Auto – im Gegensatz zu 8% der Haushalte mit hohem ökonomischen Status ohne Auto. Es sind aber vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen und BIPoC-Personen (BIPoC = Black, Indigenous, People of Colour), die von Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt betroffen sind, die an stark befahrenen Straßen leben und deren Kinder infolgedessen häufiger an Krankheiten wie Bronchitis, Lungenentzündung und Nasennebenhöhlenentzündung leiden. Autofreie Innenstädte, die Platz für Spielplätze und Begrünung haben, statt für Parkplätze und verbilligter oder kostenloser öffentlicher Nahverkehr tragen daher nicht nur zu mehr Klimaschutz, sondern auch mehr Lebensqualität für die Mehrheit statt Einzelnen bei.
Was ist mit den Stimmen derer, deren Häuser für Kohleminen weggbaggert werden, deren Grundwasser durch den Bergbau vergiftet wird? Nachhaltige Energiewende bedeutet nicht nur, dass Arbeitsplätze geschaffen werden und CO2 eingespart, sondern dass Menschen ihr Zuhause behalten können und ganze Landstriche vor der Zerstörung bewahrt werden.
Was ist mit den Stimmen derer, die ihre Ernte in Folge von Hitzesommern verdorren oder durch Starkregen weggeschwemmt sehen? Die sich unter Druck sehen durch große Konzerne, die die Preise durch schlechte Arbeitsbedingungen, Pestizideinsatz und exzessive Landwirtschaft drücken? Was ist mit den Stimmen derer, die sich um den Wald sorgen, weil 4 von 5 Bäumen krank sind? Klimaschutz bedeutet Ernährungssicherheit zu schaffen und Wertschätzung für Lebensmittel. Es bedeutet, unsere Natur zu schützen und Artenvielfalt zu erhalten.
Was ist mit den Stimmen derer, deren Ressourcen und Arbeitskraft für Profite im Globalen Norden ausgebeutet werden? Diejenigen, deren Rechte verletzt werden, weil weniger als 20% der Unternehmen in Deutschland genug tun, um Menschenrechts- und Umweltstandarts in ihren Lieferketten sicherzustellen? Deren Inseln überschwemmt werden und Lebensgrundlagen zerstört, während sich Politiker*innen im Globalen Norden erdreisten zu behaupten, die Klimakrise sei keine Fluchtursache? Die seit Jahren vor den Folgen der Klimakrise warnen, weil sie sie tagtäglich erleben und deren Stimmen allzu gern überhört werden? Klimagerechtigkeit bedeutet anzuerkennen, dass ein Weiter-So wie bisher nicht funktioniert und die Forderungen und Ideen der am meisten betroffenen Menschen ernst zu nehmen. Es bedeutet, globale Machtgefälle abzubauen hin zu einem soldarischem, gerechteren Miteinander.
Was ist mit den Stimmen unserer Generation, der jungen Generation, die sich um unsere Gegenwart und Zukunft sorgt? Die nicht in einer Welt leben möchte, in der Unwetter-Katastrophen bis 2100 14-mal häufiger stattfinden werden als bisher schon? Die, die die Hoffnung nicht aufgibt, dass es möglich ist, in Einklang mit unseren natürlichen Ressourcen und planetaren Grenzen zu leben und Menschenrechte zu achten.
Wir brauchen endlich eine Politik, die die Krise, in der wir uns befinden, ernst nimmt. Wir brauchen eine Politik, die das gesellschaftliche Wohlbefinden und Aspekte von Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit vor die Interessen einzelner Konzern stellt. Wir brauchen eine Politik, die konkrete Maßnahmen und Schritte vorweißt, mit denen wir bis 2035 klimaneutral werden.
Deshalb werden wir die Bundestagswahl 2021 zur Klimawahl machen. Wir lassen uns nicht mehr mit leeren Versprechen abspeisen, die Klimaschutz auf 2030, 2045, 2050 verschieben. Jetzt ist die Zeit zu handeln! Wir sind es leid, dass die wahren Kosten der Klimakrise diejenigen bezahlen, die am wenigsten verantwortlich für diese Krise sind. Jetzt ist die Zeit für Klimagerechtigkeit.
Keine leeren Versprechen mehr
Nicht alle von uns können wählen, wenn im September Entscheidungen getroffen werden, die unsere Gegenwart und Zukunft bestimmen. Liebe 60,4 Mio. wahlberechtigte Menschen in Deutschland: Wir zählen auf euch! Informiert euch, geht wählen und motiviert andere wählen zu gehen. Lasst uns allen, die Klimaschutz ausbremsen und verwässern zeigen: Unsere Stimme bekommt ihr nicht! Unsere Stimme geben wir dem Klima.
Nicht alle von uns können wählen, aber alle von uns können streiken. Und das tun wir: Am 24.09., zwei Tage vor der Bundestagswahl gehen wir weltweit auf die Straßen. Alle Infos und wie ihr euch einbringen könnt, findet ihr hier. Lasst uns laut sein, bis niemand mehr unsere Stimmen überhören kann!
Die nächsten vier Jahre sind prägend für die Welt in der wir leben. Deshalb lassen wir uns nicht mit leeren Versprechungen abspeisen. Wir wählen, in einer Gesellschaft zu leben, in der Gerechtigkeit, Solidarität und Nachhaltigkeit vor Profiten stehen und Menschenrechte und Allgemeinwohl die Werte sind, nach denen sich die Politik ausrichtet.
Ein Klima-Streik ist eine gute Sache die Dringlichkeit des Wandels zu vermitteln. Die verbleibende Zeit bis zur Bundestagswahl muss auch genutzt werden, damit die Weichen für einen Wandel in der Politik stattfinden kann. Denn die ParlamentarierInnen und nur die können dafür die Weichen auf nationaler und internationaler Ebene (https://www.cdp.net/en/articles/climate/new-global-analysis-at-current-rates-oil-and-gas-companies-will-prevent-world-from-hitting-15c-warming-goal) stellen.
Vorhersagen zufolge wird die Wahlbeteiligung im September gering ausfallen. Um so wichtiger ist es, das Erstwähler zur Wahl gehen und diejenigen, die noch nicht wählen dürfen, sich bei ihren Eltern und ihren Verwandten dafür einsetzen eine Wahlentscheidung zu treffen, die der Vermeidung oder zumindest der Abmilderung des Klimawandels hilft. Das White House heuert gerade eine Armee von Influencern an, die für die Impfungen gegen Covid werben sollen, denn die Rate der Impfwilligen unter 30 ist gering, verglichen mit derjenigen der über 50jährigen. Es wäre schön, wenn es eine solche Initiative auch für den Klimawandel zur Bundestagswahl gäbe. (Leider fehlen mir die finanziellen Mittel für eine Marketing-Agentur, sonst hätte ich eine beauftragt.)
Es gibt Akteure, die Änderungen in der Klimapolitik aus Eigeninteresse verlangsamen möchten, z.B. indem sie die Folgen einer solchen Politik als individuellen Verzicht darstellen. Michel E. Mann, Penn State University, hat einige dieser Argumente dieser Akteure in seinen Büchern beschrieben. Auch das von einigen geäußerte Argument, dem Klimawandel mit technischen Innovationen zu begegnen gehört zum beliebten Slow-Down Repertoire. Frage: Wie schnell sollen die entwickelt und marktreif gemacht werden?
Zu guter Letzt: Fridays-for-future steht nicht allein da. Fragt ruhig mal bei PolitikerInnen als GastrednerInnen an, für die der Klimawandel eine globale Aufgabe ist, z.B. Bernie Sanders, Marina Silva, Alexandria Ocasio-Cortez, Al Gore oder John Kerry. Keine Scheu! Alles was sie sagen, wird danach auf der globalen Klima-Agenda stehen. Ich vertraue Eurem Verhandlungsgeschick!
Viel Erfolg und Grüße
Welche Partei soll man denn wählen?
Die Entscheidungen der Politiker für Nordstream u.a. bedeuten:
Das Thema Klimawandel wird nicht besonders ernst genommen. Es werden weiterhin Sargnägel mit Köpfen gemacht!
Liebe MitstrriterInnen,
bitte nennt mir eine der im Bundestag vertretenen Parteien, die das Parisziel vollkommen erfaßt hat und es tatsächlich ernst nimmt, und der ich aus den Erfahrungen der vergangenen Legislaturperioden vertrauen kann, dass sie ihre Wahlaussagen auch umsetzt ? Diese würde ich sofort wählen.
Herzliche Grüße Matthias Lewek